Als MTRA im Stroke-Einsatz-Mobil: Die rollende Klinik

Interview mit Hasnat Rauf
Die Fragen stellte Stefanie Hanke.
Als MTRA im Stroke-Einsatz-Mobil: Die rollende Klinik
Hasnat Rauf im STEMO © UKB
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Hasnat Rauf rettet Menschenleben: Als MTRA arbeitet er im Stroke-Einsatz-Mobil (STEMO) der Berliner Feuerwehr. Seit dem Jahr 2017 fährt er auf dem STEMO – dem sogenannten Stroke-Einsatz-Mobil – mit. Im Interview erklärt Rauf, wie das genau funktioniert.

Hasnat Rauf rettet Menschenleben: Als MTRA arbeitet er im Stroke-Einsatz-Mobil (STEMO) der Berliner Feuerwehr. Neben seinen Aufgaben als Rettungssanitäter kümmert er sich unter anderem um die mobile CT-Diagnostik direkt vor Ort, wenn jemand einen Schlaganfall erlitten hat. Das spart im Ernstfall wertvolle Minuten. Denn bei einem Schlaganfall gilt „Time is Brain“ – und das STEMO kann so helfen, dass Patienten schneller die lebensrettende Therapie bekommen. Im Interview erklärt Rauf, wie das genau funktioniert.

Herr Rauf, Sie fahren als MTRA beim STEMO mit. Was genau ist das für ein Konzept?

Ich fahre seit dem Jahr 2017 auf dem STEMO – dem sogenannten Stroke-Einsatz-Mobil – mit. Ich bin Teil des Teams auf diesem speziellen Sonderfahrzeug der Berliner Feuerwehr. Dieses Fahrzeug ist für die Notfallversorgung von Schlaganfallpatienten da – daher Stroke-Einsatz-Mobil. Wir werden immer dann gerufen, wenn es einen akuten Schlaganfall in unserem Einsatzbereich gibt – da fahren wir dann als Notarztsonderfahrzeug hin, um den Patienten bestmöglich zu versorgen. Es ist sozusagen eine fahrende Klinik mit einem Rettungsassistenten, einem neurologischen Notarzt und mit uns als MTRA – sowie einem mobilen CT, der quasi das Herzstück dieses Sonderfahrzeugs ist. Vor Ort können wir damit die bildgebende Diagnostik und die Labordiagnostik bei unseren Patienten durchführen, um so schnell wie möglich die thrombolytische Therapie einzuleiten. Das ist das Prinzip und die Funktionsweise des Fahrzeugs.

Gab es eine spezielle Weiterbildung für den Einsatz im STEMO? Wie genau sah die aus?

Nach der Ausbildung zum MTRA habe ich zunächst ein bis eineinhalb Jahre lang noch Erfahrungen mit dem Computertomografen in der Klinik sammeln müssen. Das ist die Grundvoraussetzung, damit man sicher arbeiten und planen kann. Wir müssen ja bestimmte Untersuchungen – zum Beispiel eine native Computertomografie des Kopfes für Stroke-Programme und sonstige wichtige Untersuchungen – nach Priorität sortieren. Nachdem diese Fertigkeiten gefestigt wurden, konnten wir uns dann auf eine Stellenausschreibung bewerben. Da wurden zunächst acht MTRA gesucht im großen Pool der MTRA am Unfallkrankenhaus Berlin (ukb). Da habe ich mich auch beworben. Die CT-Grundvoraussetzungen hatte ich erfüllt. Um auf dem Stroke-Einsatz-Mobil tätig sein zu können, musste man auch noch eine Rettungssanitäter-Ausbildung machen. Das haben wir alles berufsbegleitend bei uns im Unfallkrankenhaus gemacht. Das hat ungefähr drei Monate gedauert. In dieser Ausbildung kommen wir als MTRA das erste Mal aus der Klinik raus in eine Rettungswache. Wir haben das in der Landrettung gemacht – meine Arbeitspraxis war in Brandenburg, im Spreewald. In einem Monat habe ich auch relativ viel an Landrettung gesehen. Die ist nicht selten viel umfangreicher als die reine Stadtrettung. Hier in Berlin ist ja jede Klinik relativ nah. Bei einer Entfernung von fünf bis zehn Minuten heißt es meistens „Load and Go“. Aber in der Landrettung mussten wir mit dem Patienten sehr intensiv über längere Zeit arbeiten. Das dauerte einfach 20 bis 30 Minuten, den Patienten bis in die Klinik zu fahren. Für die Ausbildung war es Voraussetzung, dass wir auch Praktika in der Anästhesie und im Schockraum machen. Denn für uns MTRA kommt der Patient in einer Notfallsituation wirklich sehr selten vor. Meistens ist er in ärztlicher Begleitung. Bei einem schweren Schlaganfall oder bei einer Reanimation sind wir sonst nicht mittendrin. Aber im STEMO fahren wir ja zu Reanimationspatienten und Menschen mit schweren Schlaganfällen. Um damit besser umgehen zu können und zu wissen, wie man diese Patienten versorgt, brauchten wir die Rettungssanitäter-Ausbildung, sprich: OP, Anästhesie, OP-Einleitung, Reanimationstraining, viele Simulationstrainings. Und jedes Jahr machen wir ein sogenanntes Schockraumtraining, was uns als STEMO-Team aus Ärzten, Rettungsassistenten und MTRA in unserem Arbeitsablauf verbessert. Außerdem fördert es die Zusammenarbeit mit den anderen Rettungsteams, die in den RTW unterwegs sind. Das sind Kollegen, die wir gar nicht kennen, mit denen wir aber in bestimmten Bereichen superschnell agieren müssen. All diese Ausbildungen, die nach der CT-Einarbeitung etwa drei Monate gedauert haben, waren notwendig. Und bevor wir auf dem Fahrzeug ganz alleine in einen Einsatz fahren konnten, mussten wir noch von erfahreneren Kollegen ein bis zwei Wochen eingearbeitet werden. Das bedeutet: Wir sind mit zwei MTRA losgefahren. Dafür haben uns die Kollegen, die schon 2012 bei dem Pilotprojekt der Charité dabei waren, unterrichtet und uns erklärt, wie genau welche Schritte ausgeführt werden müssen.

„Time is Brain“ ist ein Ausspruch aus der Neurologie. Wie viel Zeit lässt sich mit dem STEMO-Einsatz bei der Behandlung eines Schlaganfalls einsparen?

„Time is Brain“ ist natürlich unser Motto, immer wenn wir vor Ort sind. Es geht um Zeit und um jede Minute. Wir werden immer parallel zu einem Rettungstransportwagen (RTW) gerufen. Der RTW ist meist wenige Minuten eher vor Ort, kann die erste Anamnese bei dem Patienten erheben und Vitalparameter kontrollieren. Vor Ort treffen wir dann auf einen bestenfalls schon gut versorgten Patienten, der unserem STEMO-Fahrzeug entgegengetragen wird. Anschließend führt der Neurologe eine Voruntersuchung durch. In dieser Zeit können wir die Computertomografie bereits vorbereiten und Laboruntersuchungen durchführen. Sofern sich die Verdachtsdiagnose eines Schlaganfalls bestätigt, führen wir binnen weniger Minuten eine Computertomografie durch. Diese differenziert zwischen einer Blutung und einem Gefäßverschluss, sodass wir unmittelbar danach mit der lebensrettenden Therapie beginnen können. Im Grunde kann man das so verstehen: Wenn das STEMO vor Ort ist, ist die rollende Klinik auf vier Rädern schon da. Wir machen die Prozedur, die sonst in einem Schockraum stattfinden würde, wenn der Patient mit dem RTW in die nächste Klinik gefahren wird. Wir wissen aus eigener Erfahrung und vorangegangenen Studien, dass wir die Zeit vom Beginn der Alarmierung bis zur Einleitung der Therapie, die sogenannte Alarm-to-needle-Time, um 25 Minuten verkürzen können. Wenn man bedenkt, dass in der Akutphase eines Schlaganfalls pro Minute etwa 1,9 Millionen Nervenzellen sterben, wird deutlich, wie enorm wichtig diese große Zeitersparnis ist. Das versuche ich manchmal meinen Kollegen von anderen Häusern zu erklären: Egal wie schnell ein Rettungsdienst mit dem Patienten in die nächste Klinik kommt: Die Klinik muss vorher Bescheid wissen, den Computertomografen vorbereiten, einen Platz freihalten, einen Neurologen vor Ort haben, die Übergabe machen – all das kann wesentliche Zeit kosten. Und wir haben stattdessen das spezielle Fahrzeug und das Team, das genau dafür ausgebildet ist. Das heißt, mit unserem Eintreffen ist der Schockraum quasi vor Ort. Wir haben alle Möglichkeiten, diesen Patienten vor Ort zu therapieren, zu diagnostizieren und ihn dann in eine geeignete Stroke-Unit zu bringen.

Gibt es schon Auswertungen darüber, wie sich der STEMO-Einsatz auf mögliche Behinderungen beziehungsweise die Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienten auswirkt?

 Aktuell untersuchen wir gemeinsam mit den Kollegen der Charité in einer groß angelegten wissenschaftlichen Studie, welche Effekte STEMO auf mögliche Behinderungen und die Überlebenswahrscheinlichkeit hat. Um ein valides Ergebnis präsentieren zu können, müssen wir die Daten von sehr vielen Patienten sammeln. Wir gehen fest davon aus, dass sich durch die Zeitersparnis auch das Outcome der Patienten verbessern lässt. Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend. Outcome-Daten liegen zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht vor. Wir sammeln die Daten, seitdem STEMO bei uns am Unfallkrankenhaus vor Ort ist, seit etwa zweieinhalb Jahren. Wir lysieren etwa genauso viel wie ein stationärer Maximalversorger in Berlin. Wenn man das in Zahlen nennt: Eine durchschnittliche Klinik macht stationär 110 oder 120 Lysen pro Jahr und wir auf dem STEMO annähernd 100 Lysen. Da ist natürlich der Vergleich wichtig: Wie sieht es aus mit dem Patienten, der über STEMO sehr schnell lysiert wird? Und der Patient, der in der Klinik lysiert wird? Die zentrale Fragestellung lautet: Wer profitiert mehr davon und wie sieht das konkret aus? Und damit wir das in Zukunft besser beurteilen können und bessere Ergebnisse haben, müssen wir noch weitere Patientendaten sammeln. Das alles braucht Zeit. Denn auch die jetzigen Patienten werden über mehrere Monate vom Studienteam mit den kompetenten Leuten vor Ort begleitet.

Haben Sie schon mit Gewalt gegen das STEMO-Team zu tun gehabt?

 Ich habe bis jetzt keine hohe Aggression mir gegenüber wahrgenommen – auch nicht meinem Team gegenüber. Ich habe das auch nicht von anderen Teamkollegen gehört. Ich spreche da jetzt für STEMO. Was die RTW angeht, kann ich das nicht pauschalisieren. Da habe ich schon von Kollegen gehört, dass es den einen oder anderen Übergriff gab und dass sie in den letzten Jahren etwas vermehrter kamen. Aber wenn man mit den Kollegen über einige Situationen spricht, dann kommt man doch relativ schnell zu dem Schluss, dass es auch damit zu tun hat, dass vielleicht die Menschen einfach viel häufiger mit dem Rettungsdienst indirekt oder direkt in Kontakt kommen. Wir fahren ja immer mehr Einsätze – auch für größere und viele kleine Fälle, die vielleicht nicht für den Rettungsdienst an sich gedacht wären. Und so kann es durchaus sein, dass man häufiger mit Menschen in Kontakt kommt, die aggressiv sind. Ein Beispiel hatte ich da vor Ort: Wir hatten bei einem Schlaganfall mit unserem Fahrzeug – das ist ja ein Lkw, zwölf Tonnen groß – leider eine Einfahrt blockiert, und eine junge Frau konnte mit ihrem Fahrzeug nicht rausfahren. Als ich runterkam, um den Computertomografen vorzubereiten, musste ich mir einige Worte anhören, dass ich das Fahrzeug gefälligst umzuparken habe. Sie drohte, sonst mit ihrem Auto vorbeizuschrammen. Aber ich glaube, das sind eher Kleinigkeiten. Körperliche Gewalt ist mir bis jetzt noch nicht begegnet. Natürlich haben gerade wir, wenn wir neurologisch-psychiatrische Fälle vor Ort haben, Patienten, die unberechenbar sein können, auch wenn sie nichts dafür können. Aber körperliche Gewalt oder wissentlich Böses ist uns bisher noch nicht widerfahren.

Herr Rauf, vielen Dank für das Interview.

Weitere Informationen: Einen Podcast mit Hasnat Rauf finden Sie online unter bit.ly/2YDsNNb.

Entnommen aus MTA Dialog 9/2019

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