Das Belichtungspunktesystem und seine Bedeutung in der digitalen Radiographie (Teil 2)

Einschätzung von Expositionsparametern
Heidrun Hölzemann
Das Belichtungspunktesystem und seine Bedeutung in der digitalen Radiographie (Teil 2)
© Alex Tihonov/Fotolia
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Bei der Arbeit mit Belichtungsautomatik ist in den verschiedenen Organprogrammen die Röhrenspannung (kV) vorprogrammiert.

Der für die jeweilige Aufnahme notwendige Röhrenstrom (mAs) wird über die Messkammern (Ionisationskammern) ermittelt. Die Messkammern befinden sich hinter dem Streustrahlenraster und vor dem Detektor. Wird nach Auslösen der Strahlung eine bestimmte (vorprogrammierte) Dosis in der Messkammer erreicht, schaltet diese die Strahlenexposition ab. Die vorprogrammierte Dosis wird als „Abschaltdosis“ bezeichnet. Die Abschaltdosis kann auf verschiedene Werte programmiert werden und liegt in der Regel in der Größenordnung von 1,25 µGy oder 2,5 µGy oder 5 µGy.

Die vorprogrammierte Abschaltdosis wird dem Anwender auf verschiedene Weise angezeigt (je nach Gerät/Hersteller): direkt als Größe (siehe Tabelle 1, Spalte 1, als SC oder EK (siehe Tabelle 1, Spalte 2) oder in Form der Kennzeichnung H (für hochverstärkend), U (für universal), D (für detailreich) (siehe Tabelle 1, Spalte 3)).

Tabelle 1: Die 3 Spalten der Tabelle zeigen die allgemein üblichen Kodierungen zur Erkennung der angewählten Abschaltdosis an.

Abb. 2: Die mAs-Skala ist gestuft. Die vorliegende Stufung entspricht der R‘10-Skala. Jede Stufe entspricht 1 BP.

Abb. 3: Die kV-Skala (R’10) ist so gestuft, dass jede Stufe eine Erhöhung der Detektordosis um 25 % bewirkt. Damit entspricht jede Stufe 1 BP.

Die während der Aufnahme „gezogenen“ mAs werden dem Anwender über die Nachanzeige angegeben.

Auch in der Arbeitsweise der Belichtungsautomatik spiegeln sich natürlich die Gesetzmäßigkeiten des BPS wider. Z.B.: eine HWS ap wird unter bestimmten Bedingungen mit 75 kV aufgenommen. Die mAs-Nachanzeige ergibt: 10 mAs. Welcher mAs-Wert wäre bei einer Aufnahme mit 70 kV unter sonst gleichen Aufnahmebedingungen angezeigt worden?

Wir stellen fest: Zwischen 75 kV und 70 kV liegen 1,5 BP. Das bedeutet: Die Belichtungsautomatik würde 1,5 BP später als zuvor abschalten, nämlich nach ca. 14 mAs.

Über die Aufnahmekorrekturtaste (oder: Belichtungstransparenzausgleichstaste, bisweilen der Einfachheit halber etwas nonchalant auch als ‚Mogeltaste‘ bezeichnet) wird es möglich, die voreingestellte Abschaltdosis der Messkammer in BP zu verändern (siehe Abb. 4). Die Anwahl von +1 (das bedeutet nichts anderes als 1 BP!) führt zu einer Erhöhung der Abschaltdosis um +25%. Die Anwahl von –3 halbiert die Abschaltdosis. Hierzu sollen 2 Anwendungsbeispiele vorgestellt werden:

Abb. 4: Bei Aktivierung des Symbols für die Aufnahmekorrekturtaste (gelbe Markierungen und untere Reihe Mitte) öff net sich eine Skala (untere Reihe rechts). Nun lässt sich anwählen, um wie viele BP die Abschaltdosis erhöht (+) oder erniedrigt (–) werden soll.

1. Metall (z.B. durch ein Implantat) befindet sich über der Messkammer. Durch die hohen Absorptionsfähigkeiten des Metalls schaltet die Messkammer daher relativ spät ab. Dies bewirkt eine Überexposition der umliegenden Gewebeanteile der ROI und führt zu einer hohen Strahlenbelastung des Patienten. Das Problem kann durch Einsatz der „Mogeltaste“ mit bis zu –3 BP umgangen werden.

2. Die Messkammer ist nicht vollständig vom Objekt bedeckt. Dadurch trifft ungeschwächte Primärstrahlung die Kammer und die Abschaltdosis ist rasch erreicht. Dies führt jedoch zu einer im Bereich der ROI zu geringen Detektordosis und damit erniedrigtem SNR. Das Problem kann durch Einsatz der „Mogeltaste“ mit bis zu +3 BP umgangen werden.

Die professionelle Anwendung der Aufnahmekorrekturtaste dient also direkt der Umsetzung des ALARA-Prinzips.

Belichtungspunkte und der einheitliche Dosisindikator (EI) nach DIN EN 62494-1

Der Dosisindikator stellt das Hilfsmittel zur Einschätzung der Detektordosis dar. Derzeit sind die meisten Dosisindikatoren noch herstellerspezifisch und müssen auf verschiedene Weise interpretiert werden. Um diesem Problem zu begegnen, wurden auf Grundlage einer entsprechenden europäischen Norm die Anforderungen an einen einheitlichen Dosisindikator in der DIN EN 62494-1 festgeschrieben. Danach gilt für diesen Dosisindikator EI unter Kalibrierbedingungen folgende Beziehung:

In der röntgendiagnostischen Routine wird jedoch kaum unter diesen Kalibrierbedingungen gearbeitet, weil insbesondere unterschiedliche Strahlenqualitäten (Röhrenspannungen, Filterungen) zum Einsatz kommen. Die oben genannte Beziehung ist dann nicht mehr exakt gültig und der Wert des EI in der Alltagspraxis schwierig zu interpretieren. Aus diesem Grunde wurde ein neues Konzept entworfen. Danach wird für jedes Organ ein Dosisindikatorzielwert EIT definiert, der zahlenmäßig nicht mit den bisher bekannten und allgemein angestrebten Zahlenwerten für die Abschaltdosis (siehe Abb. 4) übereinstimmen muss. Der EIT ist ein Wert, der unter Berücksichtigung des ALARA-Prinzips indikationsabhängig für ein bestimmtes Organ angestrebt wird. EIT-Werte müssen vorab für jedes einzelne Organprogramm in einer Datenbank abgelegt sein, denn er wird zur Berechnung des Abweichungsindikators benötigt.

Abb. 5: Der Abweichungsindikator DI gibt die Abweichung der aktuellen Detektordosis EI vom Zielwert EIT in BP an (gelbe Markierung). An digitalen Aufnahmesystemen, welche den Dosisindikator nach DIN EN 62494-1 angeben, werden EI und DI direkt nach Auslesen der Aufnahme angezeigt.

Abweichungsindikator (Deviation index DI)

Der Abweichungsindikator DI gibt Anwendern ein Mittel an die Hand, welches diesen erlaubt, das Ausmaß einer Fehlbelichtung zu erkennen. Oder – mit den Worten der DIN – eine Information darüber zu erhalten, „…ob der Signal-Rausch-Abstand im relevanten Bildbereich, der sich aus der ausgewählten Radiographie-Technik ergibt, für den abgebildeten bestimmten Körperteil bzw. die dargestellte Ansicht als vertretbar betrachtet werden kann“ (S. 15). Es gilt:

Hierbei wird der tatsächliche Dosisindikator EI der aktuellen Aufnahme mit dem angestrebten Dosisindikatorwert EIT verglichen.

Die oben angeführte Gleichung führt zu einer Änderung des Abweichungsindikators +1 für jede Änderung des Dosisindikators um +25% und entspricht damit einem Belichtungspunkt.

Abb. 6: Abweichungsindikator und BPS. Links finden sich Aufnahmen mit den jeweiligen Expositionsdaten. Daneben finden sich Auszüge (mit EI, EIT und DI) aus den dazugehörigen DICOM Header-Daten (unten rechts).

Beispiel 1: Es sei EI = 420, EIT = 210 (d.h. gegenüber der angestrebten Detektordosis EIT lag der Aufnahme die doppelte Detektordosis zugrunde):

Die Aufnahme war also mit 3 BP überexponiert.

Beispiel 2: Es sei EI = 158, EIT = 250 (d.h. gegenüber der angestrebten Detektordosis EIT lag der Aufnahme eine um Faktor 1,6 zu niedrige Detektordosis zugrunde):

Die Aufnahme war also mit 2 BP unterexponiert.

Mit dem Konzept des Abweichungsindikators und seinem direkten Bezug zum BPS wurde also für eine hohe Praktikabilität des „einheitlichen“ Dosisindikators gesorgt (vgl. Abb. 5).

Abb. 6 zeigt Aufnahmen eines Handphantoms. Sie wurden unter sonst gleichen Aufnahmebedingungen mit unterschiedlichen Expositionswerten angefertigt. Neben jeder Aufnahme findet sich ein Auszug aus den dazugehörigen DICOM Header-Daten. Der Zielwert EIT(target exposure index) liegt für dieses Organ bei dem Wert ‚398‘. Zunächst lässt sich die automatische Berechnung des DI nachvollziehen, z.B. in Beispiel a:

d.h. diese Aufnahme war um 1,8 BP überexponiert.

Eine Korrektur der Expositionsparameter um –2 BP von 2,3 mAs auf 1,4 mAs ergab einen DI von –0,2 (Bsp. b).

Die Aufnahme in Beispiel c war um 1,1 BP überexponiert. Eine Veränderung der Röhrenspannung um –1 BP schlug sich entsprechend im DI nieder (Bsp. d).

Ich danke den Kolleginnen und Kollegen der Röntgenabteilung des AGAPLESION EKH Mittelhessen in Gießen sowie Sina Gietmann und Adriane Schmiedhofer, TN des 79. Lehrgangs der MTRA-Schule des UKGM Standort Gießen, zurzeit in der Praktischen Ausbildung. Sie fertigten die notwendigen Aufnahmen für die Abb. 5 und 6 an.

Literatur

1. AGFA GEVAERT: Belichtungspunktesystem. Technikum 1981.

2. Buchmann, F.: Handbuch Radiographie. Anmerkungen und Beispiele zur Aufnahmetechnik und Einstelltechnik Philips Medizin Systeme Hamburg 1996. Download möglich unter download.sstmed.com/Tools/Aufnahmehelfer.pdf Internetzugriff am 17.04.15

3. Bundesärztekammer: Leitlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung in der Röntgendiagnostik. Deutschland 2007. Download möglich unter www.bundesaerztekammer.de/downloads/LeitRoentgen2008Korr2.pdf Internetzugriff am 07.04.2015

4. DIN EN 62494-1. Beuth Verlag Berlin 2010.

5. Frommhold, W., Gajewski, H.; Schoen, H. D.: Medizinische Röntgentechnik. Physikalische und technische Grundlagen. Stuttgart 1979.

6. universal_lexikon.deacademic.com/279072/Normzahl. Internetzugriff am 07.04 2015

7. Nagel, H. D.: Strahlenexposition in der Computertomographie. ZVEI 1999.

8. Scheid, H.; Kindinger, D.: Schülerduden Mathematik I. Mannheim 2004.

9. Szeifert, K.-H.: Normzahlenreihe für kV- und mAs-Belichtungstabellen. www.mta-r.de/geraetegruppen/rontgen/2011/11/normzahlenreihe-fuer-kv-und-mas-belichtungstabellen/ Internetzugriff am 07.04.2015

10. van der Plaats, G. J.: Leitfaden der Medizinischen Röntgentechnik. PHILIPS Technische Bibliothek 1961.

Die Autorin:

Heidrun Hölzemann
MTRA und Studium der Förderpädagogik
Studienschwerpunkte: Mathematik, Lerntheorien,
pädagogisch-psychologische Diagnostik,
klientenzentrierte Gesprächsführung
Dienstadresse:
MTRA-Schule am UKGM, Standort Gießen
Friedrichstraße 16
35392 Gießen
E-Mail: Heidrun.Hoelzemann@schule.med.uni-giessen.de

BPS – It’s so easy

■ Bei freier Belichtung dient das BPS primär der Einschätzung von Expositionsparametern, die einem Objekt unter bestimmten Aufnahmebedingungen angemessen sind.

■ Die Stufung der mAs- und kV-Skalen erfolgt in 1-BP- (R‘10-Skala) bzw. ½-BP-Schritten (R’20-Skala).

■ ±3 BP führen zu einer Verdoppelung bzw. Halbierung der Detektordosis.

■ Als Faustregel gilt: Eine Veränderung des FDA um ±10 cm bedarf einer Anpassung des Belichtungsprofils um ±1 BP.

■ Ein Unterschied in der Patientendicke um ±1 cm kann mit ±1 BP kompensiert werden.

■ Sind zur Adaption eines Belichtungsprofils mehrere BP notwendig, so können diese auf mAs- und kV-Skala aufgeteilt werden.

■ Zur Erzeugung einer bestimmten Detektordosis können Belichtungsprofile mit verschiedenen Wertepaaren (kV, mAs) geeignet sein.

■ Durch gegenläufige Anwahl von kV und mAs um die gleiche Anzahl von BP können gleiche Detektordosen erzeugt werden.

■ Mithilfe der Aufnahmekorrekturtaste werden Anwender in die Lage versetzt, die Abschaltdosis in den Messkammern der Belichtungsautomatik zu verändern.

■ Digitale Detektorsysteme, welche den Dosisindikatorwert nach DIN EN 62494-1 angeben, zeigen zusätzlich einen sogenannten Abweichungsindikator DI an. Dieser gibt Abweichungen der tatsächlichen von der angestrebten Detektordosis in Form von BP an.

Entnommen aus MTA Dialog 11/2015

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