Deutsche Aidshilfe fordert das Abschaffen unzulässiger HIV-Tests

Kein Übertragungsrisiko im Arbeitsalltag
ab
Unzulässige HIV-Tests abschaffen
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Wo Zurückweisung und unzulässige HIV-Tests weiter praktiziert werden, müssen sie per Gesetz unterbunden werden. Das fordert die Deutsche Aidshilfe zum heutigen Welt-Aids-Tag.

Die Deutschen Aidshilfe beklagt schwerwiegende Diskriminierungen von Menschen mit HIV im Arbeitsleben, obwohl sie  in allen Berufen arbeiten könnten und dürften. So würden HIV-positive Bewerberinnen und Bewerber für den Polizeidienst  als untauglich zurückgewiesen. Auch die Berliner Feuerwehr habe 2018 einen HIV-positiven Bewerber abgelehnt. Und die Uni Marburg  habe einen HIV-positiven Zahnmedizinstudenten von den praktischen Kursen ausgeschlossen – und damit von der Fortsetzung seines Studiums. Dabei sei HIV im Arbeitsalltag nicht übertragbar und aufgrund der heute verfügbaren Medikamente schränke  die Infektion die Leistungsfähigkeit auch nicht mehr ein. 

Bundesregierung ist gefragt

„Noch immer glauben manche Arbeitgebende, sie dürften Menschen mit HIV einfach ausschließen und fügen ihnen damit schweren Schaden zu. Das ist nicht hinnehmbar. Wir brauchen ein ausdrückliches Verbot von HIV-Tests und der Frage nach einer HIV-Infektion im Arbeitsleben. HIV darf bei Einstellungsuntersuchungen schlicht keine Rolle mehr spielen“, fordert Sven Warminsky, Vorstand der Deutschen Aidshilfe.

Wissenschaft eindeutig

Der Ausschluss sei auch heute schon unzulässig, weil HIV für die Arbeit keine Rolle spiele; er stelle eine Benachteiligung im Sinne des Allgemeinen Gesetzes zur Gleichbehandlung (AGG) dar. Doch das werde immer wieder in Zweifel gezogen. Grund für diese Diskriminierung sei oft die Behauptung, dass es im Arbeitsalltag unter bestimmten Bedingungen doch zu einer Übertragung kommen könne. Faktisch fänden solche Infektionen aber nicht statt. Bei einer wirksamen HIV-Therapie – heute der Regelfall – sei HIV ohnehin nicht mehr übertragbar, heißt es in der Mitteilung der Deutschen Aidshilfe. 

Irrationale Ängste 

„Hinter uns liegen mehr als 40 Jahre HIV und 25 Jahre HIV-Therapie. Es wird Zeit, dass Menschen, die Personalverantwortung tragen, sich nicht mehr an irrationalen Ängsten und Vorbehalten orientieren, sondern an wissenschaftlichen Erkenntnissen“, so DAH-Vorstand Warminsky. HIV-Expertinnen und –Experten betonten immer wieder, dass im Arbeitsalltag kein Übertragungsrisiko besteht. Doch sie fänden oft kein Gehör. So habe die Deutsche Aidshilfe schon häufiger gefordert, dass die zuständige Arbeitsgruppe der deutschen Polizeiärzte ihre Haltung gemeinsam mit HIV-Spezialistinnen und –spezialisten überprüft. Dieser Austausch sei seit Jahren immer wieder zugesagt worden – habe aber nie stattgefunden. Derweil schließe die Polizei im Bund und verschiedenen Ländern Menschen mit HIV weiterhin aus.

Gerichtliche Korrekturen

Manchmal rückten dann Gerichte die Fehleinschätzungen gerade. Das Verwaltungsgericht Hannover habe 2019 die Ablehnung eines HIV-positiven Bewerbers für den niedersächsischen Polizeidienst für unzulässig erklärt. Das Berliner Verwaltungsgericht  habe im September 2022 festgestellt, die Berliner Feuerwehr habe einen HIV-positiven Bewerber diskriminiert, als sie ihn zurückwies. Der Rechtsstreit des HIV-positiven Zahnmedizin-Studenten aus Marburg ziehe sich hingegen seit 2020.

HIV-Test-Verbot

„Nur ein glasklares gesetzliches Verbot von HIV-Tests und HIV-bedingter Zurückweisung gibt Menschen mit HIV Rechtssicherheit. Mit ungewissem Ausgang den Rechtsweg beschreiten zu müssen, ist eine schwere psychische und finanzielle Belastung und kann Karrieren zerstören. Wer Recht bekommt, hat den Job meist trotzdem nicht“, betont DAH-Vorstand Warminsky.

HIV und Verbeamtung

Ausschlüsse finden laut Deutscher Aidshilfe auch nach Gesundheitsuntersuchungen im Zuge der Verbeamtung statt, etwa bei der Polizei. Hier müsse klar sein: Menschen mit HIV könnten genauso Beamte werden wie andere. Denn sie könnten heute bei guter Gesundheit das Rentenalter erreichen. „Auch bei der Verbeamtung braucht es ein klares Verbot der Benachteiligung – und ein wissenschaftliches Update in den Köpfen“, sagt Sven Warminsky.

Gesundheitsberufe – kein Sonderfall

Besonders häufig erführen potenzielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Diskriminierung in Gesundheitsberufen, so Warminsky weiter. Auch hier sei die Frage nach HIV nicht zulässig, da irrelevant für die angestrebte Tätigkeit. 

Ausnahme Chirurgie

Die einzige legitime Ausnahme sind für die Deutsche Aidshilfe Chirurginnen und Chirurgen, die bestimmte Eingriffe mit Verletzungsrisiko ausführten. Bei ihnen darf laut den Empfehlungen der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) und der Gesellschaft für Virologie (GfV) HIV im Blut nicht mehr nachweisbar sein. Das sei bei heutigen HIV-Therapien der Normalfall. Man spreche dann von einer „Viruslast unter der Nachweisgrenze“.

Viruslast nicht entscheidend

Abgesehen von den genannten chirurgischen Tätigkeiten spiele die „Viruslast“ im Arbeitsleben keine Rolle: Eine Übertragung im Arbeitsalltag sei in keinem Fall möglich, auch ohne Therapie nicht. Trotzdem werde oft Bezug darauf genommen. Das Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichts habe dem Bewerber bei der Feuerwehr zum Beispiel rechtgegeben, weil HIV bei ihm therapiebedingt nicht mehr nachweisbar war. Das führe auf die falsche Fährte. 

Diskriminierung überwinden

Die Studie positive stimmen 2.0 ergab 2020: Menschen mit HIV können heute gut mit ihrer Infektion erleben, leiden aber unter Diskriminierung. 95 Prozent hatten im Jahr vor der Befragung Diskriminierung erlebt, mehr als die Hälfte fühlte sich durch Vorurteile im Leben eingeschränkt. Diskriminierung kommt in allen Lebensbereichen vor, besonders häufig jedoch im Gesundheitswesen.

Arbeitgeberkönnen sich im Programm #positivarbeiten, das die Deutsche Aidshilfe unter anderem mit IBM und SAP ins Leben gerufen hat. 176 Arbeitgebende haben bereits unterschrieben, dass Menschen mit HIV bei ihnen willkommen sind und dass sie sich aktiv gegen Diskriminierung einsetzen, zuletzt unter anderem der ADAC, Randstad und die Stadt Stuttgart.

Quelle: Deutsche Aidshilfe

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