Ein molekularer Lautstärkeregler

Lathrophilin/CIRL
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Latrophilin/CIRL
Das larvale Drosophila-Chordotonalorgan. In dieser sensorischen Funktionseinheit wird die Verarbeitung von mechanischen Reizen durch den Latrophilin-Rezeptor moduliert. Maßstab: 10 µm © Scholz et al., 2017
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Er funktioniert ein wenig wie der Lautstärkeregler an der Stereoanlage. Er verstärkt das Signal, das von außen kommt, oder schwächt es ab: der Rezeptor, den Wissenschaftler der Universitäten Würzburg und Leipzig in den vergangenen Jahren unter die Lupe genommen haben. Sein Name: Latrophilin/CIRL.

Vor etwas mehr als 2 Jahren hatten die Forscher zur großen Überraschung nachgewiesen, dass bestimmte Rezeptoren, zu denen auch Latrophilin gehört, auf mechanische Reize aus der Umwelt reagieren, etwa auf Vibrationen, Schallwellen oder auf eine Dehnung. Damit tragen sie beispielsweise dazu bei, dass Lebewesen hören, Bewegungen wahrnehmen und die eigenen Bewegungen steuern können.

Wie Informationen in die Zelle gelangen

Wie dieser Beitrag jedoch genau aussieht, sprich: auf molekularer Ebene abläuft, war zu dem Zeitpunkt noch unklar. Inzwischen haben die Forscher wichtige Details hierzu aufklären können. „Damit Zellen Informationen von außen wahrnehmen und darauf reagieren können, müssen diese Informationen irgendwie ins Zellinnere gelangen“, erklärt Dr. Robert Kittel, Arbeitsgruppenleiter am Physiologischen Institut/Schwerpunkt Neurophysiologie der Universität Würzburg, die Basis der Studie. Das kann zum einen über Ionenkanäle geschehen, in denen ein mechanischer Reiz in eine elektrische Antwort mündet, die sehr direkt und schnell abläuft. Anders im Fall des Latophilin-Rezeptors: „Er bildet keinen Kanal und leitet den Reiz nicht elektrisch weiter“, sagt Kittel. Stattdessen aktiviert er intrazelluläre Botenstoffe und setzt damit spezielle Signalkaskaden im Zellinneren in Gang, die am Ende allerdings auch Einfluss auf die Ionenkanäle nehmen. Damit wirke er modulatorisch – wie eine Art Lautstärkeregler – auf den Prozess der Reizwahrnehmung ein, so Kittel. Die Studie ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit Spezialisten aus den unterschiedlichsten Bereichen an der Universität Würzburg – ein Aspekt, den Robert Kittel persönlich besonders schätzt.

Eine Molekülfamilie mit großer Bedeutung

Latrophilin/CIRL gehört zu einer bestimmten Molekülfamilie, die mehr als 30 Mitglieder beim Menschen hat: den sogenannten Adhäsions-GPCRs – eine Untergruppe der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCRs). Diese werden zu Hunderten im menschlichen Erbgut kodiert; für ihre Bedeutung spricht unter anderem die Tatsache, dass rund die Hälfte aller verschreibungspflichtigen Medikamente auf diese Rezeptoren wirken – und so bei der Behandlung weit verbreiteter Krankheiten helfen, wie beispielsweise Bluthochdruck, Asthma oder Morbus Parkinson.

Dementsprechend wichtig sind die Forschungsergebnisse der Würzburger und Leipziger Wissenschaftler. Schließlich sei das Wissen über die Vorgänge in den Zellen Voraussetzung für ein besseres Verständnis krankhafter Prozesse und die Entwicklung neuer Therapien. „Die zellbiologischen Prozesse sind evolutionär gut konserviert“, sagt Robert Kittel. Die Experimente erfolgten an den Larven der Taufliege Drosophila. Doch ähnliche Mechanismen laufen auch in menschlichen Zellen ab.

(Universität Würzburg)

Literatur

Scholz N, Guan C, Nieberler M, et al.: Mechano-dependent signaling by Latrophilin/CIRL quenches cAMP in proprioceptive neurons. eLife 2017; 6: e28360. DOI: 10.7554/eLife.28360.

Entnommen aus MTA Dialog 9/2017

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