Ethik im Laboralltag – leicht gemacht?

Grundlagen für MTA
Mirjam Bauer
Ethik im Laboralltag – leicht gemacht?
Prof. Dr. Stefan Heinemann, unter anderem Sprecher der Ethik-Ellipse Smart Hospital des Universitätsklinikums Essen: Die MTA-APrV muss auf der Höhe der Zeit stehen und künftige Perspektiven bieten. © Uniklinikum Essen
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Eben weil Ethik gerade im professionellen Kontext eine Herausforderung ist, bieten berufsständische Organisationen, Ethikgremien und auch Fachpublikationen Orientierungswissen und Schulung in Handlungskompetenzen an.  

Der griechische Begriff „ethos“ bedeutet zunächst einmal „Gewöhnung“, „Sitte“ oder „Brauch“ so wie der lateinische Begriff „mores“. Die Ethik selbst ist eine Teildisziplin der Philosophie und befasst sich mit rationalen Überlegungen zur Moral, also den konkreten Verhaltensnormen der Menschen im Miteinander. Ethik ist also die Theorie der Moral. Das klingt abstrakt, hat aber eine konkrete lebens- und berufspraktische Bedeutung – auch für MTA.

Für manche Assistenten/-innen ergeben sich so im Rahmen ihrer Tätigkeit grundsätzliche und auch speziellere Fragen zu Ethikanträgen in medizinischen Laboratorien. Doch diese sind selten simpel und allgemeingültig zu beantworten. Deshalb führen die nachfolgenden Erläuterungen in die Thematik ein, erklären die Grundprinzipien und ermöglichen mithilfe einiger Beispiele Rückschlüsse auf die Arbeit im Labor – und für die einzelne MTA.

Das Grundprinzip der Ethik spiegelt sich zum einen in Gesetzen, zum anderen in Gremien wider: So gehören Strafgesetzbücher ebenso zu Informationsquellen wie auch Institutionen insbesondere im christlichen Bereich, beispielsweise in Kirchen und in Krankenhäusern. Eine bedeutende Herausforderung bei vielen Fragen stellt die Abgrenzung von Ethik und Recht dar. Recht basiert auf Zwangsmitteln zur Durchsetzung, die in einer Rechtsordnung konkret sichtbar werden. Diese können je nach Ort und Zeit ziemlich unterschiedlich sein: So ist beispielsweise der gesetzliche Rahmen für viele medizinische Anwendungen national sehr differenziert. Ethik setzt dagegen auf Einsicht, Überzeugung und Freiwilligkeit. In der Praxis zeigen sich Recht und Ethik zumindest in einem Rechtsstaat wie Deutschland ziemlich ähnlich, aber eben nicht immer. Auch ist Ethik oft herausfordernd, da abgewogen werden muss und mit Argumenten Menschen von der eigenen moralischen Haltung erst überzeugt werden müssen. Im Beruf wird oft von der „Arbeitsethik“, dem „Arztethos“ oder Ähnlichem gesprochen, da sich mit dem Beruf selbst ethische Anforderungen verbinden, die zum Teil über das gesetzlich Erforderliche hinausgehen.

Ethik in der Medizin

Eben weil Ethik gerade im professionellen Kontext eine Herausforderung ist, bieten berufsständische Organisationen, Ethikgremien und auch Fachpublikationen Orientierungswissen und Schulung in Handlungskompetenzen an. Für die meisten Belange der Medizin hält beispielsweise die Zentrale Ethikkommission (ZEKO) in der Bundesärztekammer (BÄK) grundsätzliche Leitmotive und Antworten bereit. Die Einrichtung dieser unabhängigen und multidisziplinär zusammengesetzten Kommission wurde im Jahr 1994 beschlossen; sie startete ihre Arbeit im Juli 1995. Dabei ist sie der Werteordnung des Grundgesetzes und der ärztlichen Ethik verpflichtet. Neben der Ärzteschaft richtet sie sich auch an die interessierte Öffentlichkeit. Bis zu 16 Mitglieder werden von der BÄK für jeweils drei Jahre berufen. Bereits veröffentlichte Stellungnahmen findet man auf der zugehörigen Webseite (https://www.zentrale-ethikkommission.de/stellungnahmen/), die zudem Musterformulare, Broschüren und Arbeitspapiere bereithält.

Ferner informiert der Deutsche Ethikrat über relevante Themen des Lebens in der Gesellschaft und Politik, unter anderem mit Stellungnahmen zu medizinischen Fragen im Bereich der Präimplantationsdiagnostik, der Gendiagnostik, zum Patientenwohl, der Intersexualität oder dem großen Feld „Big Data“. Der Ethikrat spricht sich aktuell dagegen aus, einen Immunitätspass zu etablieren. Offen ist die Frage, ob es künftig sinnvoll sei, wenn mehr Evidenz vorliege zum Zusammenhang zwischen durchgemachter COVID-19-Erkrankung und einer Immunität. Die Mitglieder des Rats werden vom Bundestagspräsidenten ernannt, Publikationen kann man über die Webseite herunterladen (https://www.ethikrat.org/).

Weitere einschlägige Informationen, die den Empfehlungen der BÄK gerecht werden, enthält das Buch „Ethikberatung in der Medizin“ (https://www.springer.com/de/book/9783642255960). Die Autoren führen systematisch und anhand von Fallbeispielen durch das Gebiet der Ethikberatung, daneben stellen sie praktische Anwendungsfelder und künftige Herausforderungen vor. Die steigende Dynamik in der Entwicklung zahlreicher Ethikkomitees zieht ein wachsendes Netz an Gremien zur Ethikberatung nach sich. So existieren unterschiedliche Modelle – vom Konsil einzelner Berater bis hin zu großen Ethikkomitees. Die anwendungsbezogene, klinische Ethik berücksichtigen die Herausgeber des Buches, indem sie Modelle für Krankenhäuser und Besonderheiten für niedergelassene Ärzte, Altenpflegeeinrichtungen und Hospize vorstellen.

Ethik im medizinischen Labor

Jegliche Tätigkeit in der Laboratoriumsmedizin unterliegt den Richtlinien der BÄK, der einschlägig bekannten „RiliBÄK“ (https://tinyurl.com/RILIBAEK). Darin ist zwar der Begriff „Ethik“ nicht direkt enthalten, man kann ihn jedoch im Sinne einer Professionsethik verstehen: Die Maßstäbe an Qualität und Verantwortung im Labor sind dabei hochgesteckt. Nicht nur der Umgang mit Probanden und Patienten – in der regulären Labordiagnostik genau wie im Bereich der Humangenetik – auch der Umgang mit Testergebnissen und Befunden setzt ein hohes Verständnis in Richtung Datenschutz und Datensicherheit, aber eben auch Datenethik und allgemeine Ethik inklusive korrekter Anwendung voraus.

Die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für technische Assistenten in der Medizin (MTA-APrV) nimmt zudem in Anlage 1 direkt am Anfang auf das Thema Ethik Bezug (https://www.gesetze-im-internet.de/mta-aprv/BJNR092200994.html zu § 1 Abs. 1 Nr. 1, Pkt. 1.1). Analog dazu gilt dies auch für Assistenten in der Radiologie, Funktionsassistenten und VMTA (im Anhang 2–4, jeweils Pkt. 1.1). Die vorrangige Positionierung spricht für einen hohen Stellenwert der Ethik in diesem Beruf. Das ergibt zudem Sinn, da MTA mit ihrer Arbeit wesentlich zu einer sachgerechten und medizinisch wesentlichen Diagnostik beitragen, in der Versorgung beziehungsweise in der Forschung in entsprechenden Vorhaben.

Auch an anderen Stellen findet man Hinweise zum Berufsverständnis für die Ausbildung von MTLA. Einen Bezug zu ethischen Aspekten nimmt beispielsweise das Bundesland Niedersachsen in seinen Rahmenrichtlinien, erwähnt wird dies in Kapitel 5.3.1 „MTLA berücksichtigen ethische Aspekte auf beruflicher und persönlicher Ebene“ (https://nibis.de/nli1/bbs/archiv/rahmenrichtlinien/rrl_mta.pdf).

Konkreter wird das Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen in seiner empfehlenden Richtlinie auf den Seiten 12 und 13 (https://tinyurl.com/empfehlende-Richtlinie): International besteht seit 1992 ein „Code of Ethics“, der sich im Rahmen des Berufsverständnisses zur Orientierung anbietet. Demnach sollte sich die Ausbildung zur/zum MTLA nach folgenden neun Punkten richten: Sie widme sich dem Einsatz der klinischen Laborwissenschaft zum Nutzen der Menschheit, diene der Bereitstellung von Fachwissen zur Beratung und Betreuung anderer Gesundheitsfachleute und wahre die strikte Vertraulichkeit von Patienteninformationen und Testergebnissen. Sie schütze die Würde und Privatsphäre der Patienten. Für den logischen Ablauf von der Beschaffung der Probe bis zur Erstellung der Daten und des Abschlussberichts über die Prüfergebnisse ist der/die MTA ebenso verantwortlich wie für die Qualität und Integrität der klinischen Labordienstleistungen. Dabei müssen professionelles Urteilsvermögen, Geschicklichkeit und Sorgfalt ausgeübt und etablierte Standards eingehalten werden. Jeder Einzelne wahre die Würde und den Respekt des Berufsstandes und arbeite ehrlich, aufrecht, integer und zuverlässig. Dabei sollte jede/r danach streben, berufliche Fähigkeiten und Kenntnisse stets zu verbessern und sich wissenschaftliche Fortschritte anzueignen, die dem Patienten zugutekommen und die Durchführung und Qualität der Testergebnisse verbessern.

Dazu nimmt Prof. Dr. Stefan Heinemann, Sprecher der Ethik-Ellipse Smart Hospital des Universitätsklinikums Essen und Mitglied des Innovationskreises Blutspendewesen des DRK-Blutspendedienstes West, Stellung: „Die Ansprüche aus dem Ethikkodex für MTLA spiegeln ein professionelles Berufsverständnis wider, das über die eigentlichen fachlichen Aspekte hinaus eine weitreichende Verantwortungsübernahme für die eigene Arbeit und die eigene fachliche Weiterentwicklung in das Zentrum stellt. Denn es geht um Proben von realen Patienten beziehungsweise Patientinnen und ihre Gesundheit.“

„Die Kompetenzen zur ethischen Einordnung sind für MTLA und ihrer, sich genau wie in den meisten anderen Fachbezügen im Wege der digitalen Transformation weiterentwickelnden, Profession meines Erachtens zentral. Die MTA-APrV muss auf der Höhe der Zeit stehen und Perspektiven für diejenigen Personen bieten, die die neuen Technologien verantwortlich nutzen. Nur so kann die Patientensicherheit und allgemein der Patientennutzen auch im Laborbereich positiv mitwachsen“, ergänzt der Experte für Ethik in der Medizin.

Beispiele im Laboralltag finden sich in der Diagnostik ebenso wie in der Forschung: Ethische Fragen stellen sich bei Themen wie der Einführung eines Immunitätsausweises, bei der Durchführung von Tierversuchen, der Bekanntmachung beziehungsweise dem Umgang mit positiven Corona-Testergebnissen, allgemein in der Gendermedizin oder auch bei der Blutspende. Kürzlich wurde vom gemeinnützigen DRK-Blutspendedienst West ein Papier herausgegeben, das eine breit angelegte Antikörpertestung von Blutspendern vorschlägt: Eine flächendeckende Testung von Blutspendern biete mit geringem Aufwand die Möglichkeit einer umfassenden und kontinuierlichen Bestimmung der SARS-​CoV-2-Seroprävalenz in Deutschland – also nicht weniger als von der Blut- zur Datenspende (Quelle: www.blutspendedienst-west.de/presse/mit-blut-zur-datenspende).

Entnommen aus MTA Dialog 11/2020

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