Fortschreiten einer Alzheimer-Demenz verlangsamen

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Sport wirkt günstig auf die kognitive Funktion, das ist bereits seit längerem bekannt. Sport kann auch einer Demenz vorbeugen. Körperliche Inaktivität hingegen ist ein bedeutsamer Risikofaktor für die Alzheimer-Erkrankung.

Eine aktuelle Studie deckt einen Mechanismus auf, der erklären könnte, wie regelmäßiger Sport dem kognitiven Abbau bei Alzheimer-Patienten entgegenwirkt. Deutschlandweit leiden etwa 1,6 Mio. Menschen an einer Demenz. Bei der Mehrzahl der Betroffenen handelt es sich um eine Demenz in Folge einer Alzheimer-Erkrankung. Der Anteil der Bevölkerung, der im Alter zwischen 56 und 70 Jahren an Alzheimer erkrankt (= Prävalenz), wird mit 1-5% angegeben. Die Prävalenz verdoppelt sich dann mit jedem weiteren 5-Jahresschritt [1], liegt also bei den 70-75-Jährigen bei bis zu 10%, bei den 75-80-Jahrigen bereits bei bis zu 20% usw. Die Demenz ist ein Syndrom, das die Lebensqualität stark beeinträchtigt: Es kommt zu Gedächtnisstörungen und zusätzlich auch zum Abbau anderer Hirnleistungen (z.B. Bewegungsstörungen, Sprachstörungen oder Sinneswahrnehmungsstörungen). Für viele Betroffene ist eine selbstständige Lebensführung nicht mehr möglich.

1/3 geht auf das Konto beeinflussbarer Faktoren

Als Risikofaktoren der Alzheimer-Erkrankung gelten neben dem Alter Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Fettleibigkeit, erhöhte Blutfettwerte (Hyperlipidämie) und Bewegungsmangel. Aber auch Faktoren wie Depression oder soziale Isolation (Einsamkeit) spielen eine wichtige Rolle [2]. Allein ein Drittel aller Erkrankungsfälle geht auf das Konto dieser beeinflussbaren Faktoren [2, 3]. Eine deutsche Untersuchung aus dem Jahr 2016 [4] zeigte, dass eine mangelnde körperliche Aktivität der bedeutsamste Risikofaktor ist und mit 21 % den höchsten Einfluss auf die Alzheimer-Prävalenz hat.

Doch wie kann Sport einer Alzheimer–Erkrankung entgegenwirken und möglicherweise auch die Progression der Demenz verlangsamen? Eine Forschergruppe, die Anfang des Jahres im renommierten Journal „Nature Medicine“ [5] ihre Daten publiziert hat, deckte einen Mechanismus auf, der eine plausible Erklärung bieten könnte: Bei körperlicher Aktivität wird ein bestimmter Botenstoff, Irisin, durch die Spaltung des Transmembranproteins FNDC5 aus dem Muskel freigesetzt und gelangt über den Blutkreislauf in das Gehirn. Die Forschergruppe konnte zeigen, dass Alzheimer-Patienten erniedrigte FNDC5/Irisin-Spiegel im Hippocampus, unserer „Gedächtniszentrale“ im Gehirn, und in der Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) aufweisen. Eine Steigerung der FNDC5/Irisin-Konzentration führte in den tierexperimentellen Arbeiten der Forschungsgruppe zu einer Verbesserung der sogenannten synaptischen Plastizität. Darunter versteht man bestimmte Umbauprozesse, die zu Vernetzung von Hirnarealen und Nervenzellen führen und u.a. wichtig für das Lernen und Erinnern sind. „Noch fehlt der Nachweis durch klinische Studien, aber der FNDC5/Irisin-Spiegel könnte ein physiologischer Link zwischen Muskeln und Gehirn sein“, erklärt Professor Dr. Richard Dodel, Essen. Viele Studien haben bereits gezeigt, dass Sport die Gedächtnisleistung positiv beeinflusst und körperliche Aktivität wird daher zur Alzheimer-Prävention empfohlen. Der dahinterliegende Mechanismus war bislang aber unbekannt.

Ende Januar publizierte Interventionsstudie

Dass Sport die kognitive Leistung bei älteren Menschen verbessert, zeigte erneut eine Ende Januar publizierte Interventionsstudie [5] an 18 Menschen ohne kognitive Einschränkung und an 17 Menschen mit milder kognitiver Einschränkung (alle waren im Alter zwischen 61 und 88 Jahren). Die Studienteilnehmer trainierten über zwölf Wochen regelmäßig im aeroben Bereich. Zu Beginn und am Ende der Studie wurden u.a. neuropsychologische Untersuchungen durchgeführt. Das Ergebnis: Der Sport hatte Gedächtnisleistung und Sprachkompetenz verbessert. In einer EU-geförderten Studie wurden bislang ca. 250 zuvor nicht aktive ältere Menschen, die sich im Frühstadium der Erkrankung befanden, für einen Zeitraum von 12 Monaten einem definierten moderaten Bewegungsprogramm unterzogen. Erste Ergebnisse belegen auch hier, dass regelmäßige sportliche Aktivitäten das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen können – aber nicht nur das: innerhalb eines Jahres verbesserten sich auch hier die kognitiven Leistungen der Teilnehmenden. In Deutschland fördert u.a. das Bundesministerium für Bildung und Forschung das Projekt DENKSPORT, das Teil dieses internationalen Forschungsverbund NEUROEXERCIS ist [7].

„Diese und andere Ergebnisse belegen, dass eine beginnende Demenz durch körperliche Aktivität positiv beeinflusst werden kann“, so Professor Dodel. „Ob die Beeinflussung tatsächlich durch den FNDC5/Irisin-Mechanismus erfolgt oder welche anderen Botenstoffe und Signalwege beteiligt sind, lässt sich derzeit nicht abschließend beurteilen. Die positiven Effekte von Sport auf die kognitive Performanz sind aber insgesamt gut belegt, sodass wir jedem empfehlen, körperlich aktiv zu sein.“

Literatur:

[1] Werner Hacke (Hrsg.) Neurologie. Springer-Berlag 2016. S. 649 ff.

[2] Livingston G, Sommerlad A, Orgeta V, et al.: Dementia prevention, intervention, and care. Lancet. 2017 Dec 16;390(10113):2673-2734. DOI: 10.1016/S0140-6736(17)31363-6

[3] Norton S, Matthews FE, Barnes DE, et al.: Potential for primary prevention of Alzheimer's disease: an analysis of population-based data. Lancet Neurol. 2014 Aug;13 (8): 788-94. DOI: 10.1016/S1474-4422(14)70136-X.

[4] Luck T, Riedel-Heller SG. [Prevention of Alzheimer's dementia in Germany: A projection of the possible potential of reducing selected risk factors]. [Article in German]. Nervenarzt. 2016 Nov; 87 (11): 1194-1200.

[5] Lourenco MV, Frozza RL, de Freitas GB, et al.: Exercise-linked FNDC5/irisin rescues synaptic plasticity and memory defects in Alzheimer’s models. Nature Medicine 2019; 25, 165–175.

[6] Alfini AJ, Weiss LR, Nielson K, et al.: Resting Cerebral Blood Flow After Exercise Training in Mild Cognitive Impairment. Journal of Alzheimer's Disease 2019; 67 (2): 671-684.

[7] Projekt DENKSPORT: www.bmbf.de/de/demenz---aktiv-gegen-das-vergessen-5858.html


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.

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