Gesundheitsbildungspolitik aus Sicht der Radiologie

Ein Beruf im Wandel
Anke Ohmstede
Computer- und Magnetresonanztomograf
MTRA haben längst eine Schlüsselposition in der bildgebenden medizinischen Versorgung. © Eisele/DVTA
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Die wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Medizin und die technischen Entwicklungen im Berufsfeld der Radiologie haben zu einer Aufgabenverschiebung zwischen dem ärztlichen Beruf und dem der MTRA geführt.

Das Berufsbild der medizinisch-technischen Radiologieassistenten/-innen (MTRA) hat in den vergangenen 20 Jahren eine wesentliche Wandlung durchgemacht. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Medizin und die technischen Entwicklungen im Berufsfeld der Radiologie haben zu einer Aufgabenverschiebung zwischen dem ärztlichen Beruf und dem der MTRA geführt. Längst nehmen MTRA keine reinen Assistenzaufgaben mehr wahr, sondern haben eine Schlüsselposition in der bildgebenden medizinischen Versorgung. Darüber hinaus hat sich der radiologische Arbeitsmarkt verändert.

Die Anzahl der Computer- und Magnetresonanztomographen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, ebenso hat sich die Zahl der niedergelassenen Strahlentherapien erhöht. Im Mammographie-Screening sind circa 2.000 MTRA beschäftigt, die interventionelle Radiologie hat ihr Leistungsspektrum deutlich ausgeweitet. Die Teleradiologie ermöglicht auch kleinen Krankenhäusern die lokale Versorgung der Patientinnen und Patienten. Das heißt, wir haben eine deutliche Zunahme an erforderlichem Fachwissen und Arbeitsplätzen. Dem steht ein mittlerweile eklatanter MTRA-Fachkräftemangel und eine veraltete Ausbildungs- und Prüfungsverordnung von 1994 gegenüber.

MTRA-Fachkräftemangel

Die im Juli 2015 vom Institut der deutschen Wirtschaft erschienene Studie zum Fachkräfteengpass hat auch die Situation des Berufsfeldes „Gesundheit, Soziales und Bildung“ untersucht, das besonders stark von Engpässen betroffen ist. So wurden 20 der insgesamt 98 Berufsgattungen mit einem besonderen Engpass identifiziert. Von diesen 20 Berufen gehören 15 zu den frauentypischen Berufen, so auch der MTRA-Beruf. Im Juni 2014 gab es laut einer Erhebung der Bundesagentur für Arbeit 19.109 sozialversicherungsbeschäftigte MTRA, davon 86,7 Prozent weiblich. Das Gutachten des Deutschen Krankenhaus Instituts (DKI) zur Weiterentwicklung der medizinisch-technischen Assistenzberufe hatte bereits 2009 festgestellt, das circa 20 Prozent der Vollzeitstellen in deutschen Krankenhäusern nicht besetzt sind, die niedergelassenen radiologischen Institute nicht mitgezählt. Eine nahezu konstante Anzahl an MTRA-Schulen und Ausbildungsplätzen, zusätzlich noch ein Rückgang an Bewerbern, fangen den Bedarf an MTRA nicht auf. Hinzu kommen geburtenschwache Jahrgänge und damit weniger Jugendliche, die für die Ausbildung zur Verfügung stehen. Das verstärkt das Problem.

Es sind keine spezifischen Probleme des Gesundheitswesens, sondern sie betreffen den Arbeitsmarkt insgesamt. Aber Wirtschaft und Handwerk bieten Jugendlichen attraktive Ausbildungsgänge an, wie zum Beispiel ein duales Studium mit Ausbildungsvergütung. Seit einiger Zeit werben die Hochschulen um Frauen in MINT-Berufen verstärkt. Die MTA-Berufe – mit einem Frauenanteil von mehr als 90 Prozent – dürften zu den ältesten MINT-Berufen gehören. Aber anstatt attraktivere Bedingungen zu schaffen, wird an einer veralteten Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (APrV) festgehalten. Übrigens empfehlen die Autoren der idw-Studie zur Verringerung des Engpasses unter anderem auch die Überwindung von geschlechterspezifischen Stereotypen.

Wie ist es um die Zukunft einer qualitativ hochwertigen radiologischen Versorgung der Patientinnen und Patienten bestellt bei anhaltendem MTRA-Fachkräftemangel, mangelnden Möglichkeiten beruflicher Weiterentwicklung und fehlender vertikaler Durchlässigkeit (MTRA-Schule, Bachelor, Master, PhD)? Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) als Hüter des MTA-G und der APrV ist dringend gefordert, hier für Anpassung an das 21. Jahrhundert zu sorgen, sowohl strukturell als auch inhaltlich. Teilzeitausbildung, Legalisierung des Homburger Modells (Fernstudium), Ausbildungsvergütung (analog zur Gesundheits- und Krankenpflege sowie Notfallsanitäter im Rahmen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes) und die Öffnung in eine hochschulische Ausbildung sind viele Möglichkeiten, das jetzige Ausbildungssystem zu öffnen.

Die Ausbildungsinhalte müssen an die medizinisch-technische Entwicklung angepasst werden. Die Festlegung von Inhalten in Fächern ist nicht mehr zeitgemäß und berücksichtigt zudem nicht den Stand von Wissenschaft und Technik. Zusätzlich zu den Inhalten sind neue didaktisch-methodische Konzepte gefragt, auch im Hinblick auf die berufliche Handlungskompetenz. Neben der Entwicklung der Fachkompetenz spielen Methoden-, soziale und personale Kompetenz eine wichtige Rolle, dazu bedarf es entsprechender Unterrichtskonzepte. Die Kultusministerkonferenz hat bereits 1996 in ihrer Handreichung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen in der beruflichen Bildung den Fokus auf die berufliche Handlungskompetenz gelegt.

Durch die Schaffung von spezifischen Studiengängen wird berufserfahrenen MTRA ein hochschulischer Weg auf Grundlage ihrer Berufserfahrung angeboten. Karriereoptionen bis hin zum Master und PhD sind möglich, die Abwanderung und damit der Verlust von Wissensressourcen würden unterbleiben, aber auch die grundständige hochschulische Ausbildung – siehe auch Bildungsplan des DVTA – muss angestrebt werden. Hier können wir von unseren europäischen Nachbarn lernen, die über eine langjährige Erfahrung mit der hochschulischen Ausbildung verfügen.

Das DKI-Gutachten von 2009 weist ebenfalls neben der Überarbeitung der Ausbildungsinhalte auf einen Akademisierungsbedarf hin. Das DKI stellt in seinem Gutachten den Bedarf an akademischer Ausbildung für die Bereiche Lehre, Management und spezialisierter bildgebender Verfahren wie der molekularen Bildgebung fest. Das geht auch aus dem jüngsten Gutachten des Wissenschaftsrates hervor. „Der Wissenschaftsrat ist sich der Tatsache bewusst, dass weitere Berufe existieren (Anmerk. d. Verf.: Gesundheitsfachberufe ohne Modellklausel), für die eine Modellklausel sinnvoll sein kann. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die medizinisch-technischen Assistentinnen und Assistenten zu nennen, die in vielen Fällen hochkomplexe Aufgaben wahrnehmen.“ Für die Gesundheitsfachberufe wird eine Akademisierungsquote von zehn bis 20 Prozent empfohlen.

Insofern ist es wünschenswert, dass von den Hochschulen entsprechende Impulse ausgehen, um Studiengänge für den medizinisch-technischen Bereich/Radiologie zu entwickeln, zum Beispiel auch als duales Studium, wie es im Rahmen der Modellklausel für die therapeutischen und Pflegeberufe teilweise erprobt wird. Mit diesen Maßnahmen werden auch Abiturienten, die sich möglicherweise gegen eine berufsfachschulische Ausbildung entscheiden, angesprochen. Neben der eher praktisch orientierten Ausbildung können die fachwissenschaftlichen Inhalte angeboten werden. Die Akademisierung in dieser Form ermöglicht die bisher fehlende Verbindung von Wissenschaft und Praxis.

Nach Jahren bestehender MTA-G APrV ist es an der Zeit, dass der Gesetzgeber endlich die Initiative ergreift und eine Reform der bestehenden Ausbildung einleitet. Radiologie in ihrer heutigen Form hat sehr erfolgreich Trends und technische Entwicklungen der modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft aufgenommen. Die Anpassung der MTRA-Ausbildung muss diesen gesellschaftlichen Trends folgen, sie ist überfällig und wird von jungen Menschen, die ihren Platz in einem spezialisierten Bereich der Arbeitswelt erst suchen, erwartet. Das Notfallsanitätergesetz von 2014 zeigt, dass es geht. Das Bundesgesundheitsministerium steht auch in der gesellschaftlichen Verantwortung, die Zukunft einer qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung zu gewährleisten.

Wir danken dem DIW-MTA für die Erlaubnis zum Nachdruck.

Literatur
1.     Gesetz über technische Assistenten in der Medizin (MTA-Gesetz – MTAG) vom 2.8.1993 (BGBl. I, 1402).
2.     Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für technische Assistenten in der Medizin (MTA-APrV) vom 26.4.1994 (BGBl. I 922).
3.     Röntgenverordnung und Strahlenschutzverordnung 4.10.2011 (BGBl. I 2000).
4.     Änderung der Berufsgesetze der Hebammen, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten. 2009. Mit den Änderungen werden Modellklauseln eingeführt, die es den Ländern erlauben, für diese vier genannten Ausbildungsberufe eine Hochschulausbildung probeweise einzuführen. www.aerzteblatt.de/archiv/80136.
5.     Weiterentwicklung der nicht-ärztlichen Heilberufe am Beispiel der technischen Assistenzberufe. Forschungsgutachten des Deutschen Krankenhausinstituts e.V. im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit, Dezember 2009.
6.     Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen, Wissenschaftsrat Drs. 2411–12, 13.7.2012, 14, 96.
7.     Fernlehrgang MTA-Schule Homburg/Saarland, MFA (Medizinische Fachangestellte, ehemals Arzthelferinnen) konnten berufsbegleitend zur MTRA ausgebildet zu werden.
8.     Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz- KHG) 21.7.2012, § 17 a.
9.     Dachverband der Technologen/-innen und Analytiker/-innen in der Medizin Deutschland e.V. www.dvta.de.
10.     Fachkräfteengpässe in Unternehmen: Geschlechterunterschiede in Engpassberufen, herausgegeben vom Institut der deutschen Wirtschaft e.V., gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. www.iwkoeln.de.
11.     Handreichungen für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz (KMK) für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule, 1996.

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