Nach Informationen von Dr. med. Sonja Weinreich, Referentin für Gesundheit beim Evangelischen Entwicklungsdienst, und Prof. Dr. theol. Dr. phil. Alexander Lohner, Leiter des Grundsatzreferats beim Hilfswerk Misereor und Honorarprofessor für Ethik an der Universität Kassel, sterben in Entwicklungsländern rund 18 Millionen Menschen an heilbaren Krankheiten wie Durchfall, Malaria und Tuberkulose. „Ein Kind, das in Afghanistan geboren wird, hat eine Lebenserwartung von 42 Jahren, bei einem in Deutschland geborenen beträgt sie mehr als 80 Jahre. Das Risiko einer Frau, während Schwangerschaft und Geburt zu sterben, beträgt in Deutschland eins zu 30.000, in den ärmsten Ländern der Erde eins zu sechs.“
Ernährung
Die Ernährung spielt eine zentrale Rolle für die Gesundheit. Nach Angaben von Weinreich und Lohner hungern mehr als eine Milliarde Menschen. „Wenn Menschen nicht genug zu essen haben, ist ihr Immunsystem schwach, und sie sind anfällig für Krankheiten. Viele Kinder sterben, weil sie mangelernährt sind und harmlose Krankheiten für sie lebensbedrohlich werden.“
Gendergerechtigkeit
Weil Mädchen und Frauen aufgrund ihres Geschlechts in vielen Gesellschaften benachteiligt werden, sind sie, so Weinreich und Lohner, häufig schlechter ernährt als Männer und Jungen. Das mache sie anfälliger für Krankheiten. Oft verhinderten auch traditionelle Vorschriften, dass sie medizinisch versorgt werden, selbst wenn das möglich sei. „Das ist nicht nur für die betroffenen Frauen fatal. Schließlich sind sie hauptverantwortlich für die Gesundheit in den Familien und Gemeinden.“
Aus dem Gender Gap Report des World Economic Forum geht hervor, dass es bis zur völligen Gleichstellung von Mann und Frau noch 170 Jahre dauern könne. Im Bereich Gesundheit ist die Gleichstellung laut Bericht in den 144 untersuchten Ländern allerdings inzwischen zu 96 Prozent verwirklicht, im Bereich Bildung zu 95 Prozent. Hier gehen die Autoren davon aus, dass die weltweite Gleichstellung bereits in zehn Jahren erreicht sein kann.
Die große Lücke liegt, so der Bericht, zum einen daran, dass Frauen weltweit nur gut halb so viel wie Männer verdienen, obwohl sie länger arbeiten. Die unbezahlte Haus- und Pflegearbeit ist dabei eingerechnet. Außerdem seien weltweit nur 54 Prozent aller Frauen berufstätig, dagegen jedoch 81 Prozent der Männer. Und obwohl 95 der untersuchten 144 Länder inzwischen gleich viele Männer und Frauen an Universitäten ausbilden, sind Frauen in Führungspositionen deutlich weniger vertreten. ###more###
Krankheiten
Besonders schwerwiegend sind, so Weinreich und Lohner, die Auswirkungen von Infektionskrankheiten. Allein Tuberkulose, Malaria und Aids forderten jährlich mehr als drei Millionen Menschenleben. Statistisch gesehen stirbt in Afrika alle 30 Sekunden ein Kind an Malaria. Durch die globale Erwärmung breitete sich der bisher in den Tropen heimische Malariaerreger weiter aus.
Aber auch Wohlstand ist kein Garant für Gesundheit. „Wir sehen Länder, deren Gesundheit sich weiter verbessert hat, als dies durch Einkommen, Bildung und Bevölkerungswachstum erwartet werden kann. Und wir sehen Länder, die weit weniger gesund sind, als sie es gemessen an ihren Ressourcen sein sollten“, sagt Christopher Murray, Koordinator der Studie Global Burden of Disease. So sei die Sterberate bei Suchterkrankungen um 11,5 Prozent gestiegen. Besonders Amphetamine, Kokain und Opioide führten zu einem frühzeitigen Tod. Vor allem viele europäische Länder wie Dänemark und Finnland verzeichneten überdurchschnittlich viele vorzeitige Todesfälle aufgrund von Alkoholmissbrauch. In den USA sind insbesondere Drogensucht und Diabetes eine große Belastung. Aber auch die armen Länder sind Weinreich und Lohner zufolge zunehmend von den sogenannten Wohlstandserkrankungen betroffen. „Bis zum Jahr 2020 werden sie für schätzungsweise 80 Prozent der globalen Belastung durch Krankheit verantwortlich sein.“
Mangel an Gesundheitsfachkräften
Überall auf der Welt mangelt es an qualifiziertem Gesundheitspersonal. Nach Berechnungen der Weltgesundheitsorganisation fehlen derzeit mehr als 17 Millionen Gesundheitsfachkräfte, davon 2,6 Millionen Ärztinnen und Ärzte sowie neun Millionen Krankenpfleger und -pflegerinnen sowie Hebammen. Im bevölkerungsreichen Asien fehlen mit 6,9 Millionen zahlenmäßig die meisten Fachkräfte, aber relativ gesehen liefern die fehlenden 4,2 Millionen Fachkräfte in Afrika den größten Anlass zur Sorge. In 83 Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika, das ist fast jeder zweite Staat, stehen nicht einmal 22,8 Gesundheitsfachkräfte pro 10.000 Menschen zur Verfügung. In diesen Fällen spricht die WHO von einer Gesundheitssystemkrise, in der nicht einmal eine elementare Gesundheitsversorgung zu gewährleisten ist. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass sich an dieser Situation bis 2030 auch nichts ändern werde, mit Ausnahme von Afrika, wo sich die Situation sogar noch verschärfen könnte.
Was ist zu tun?
Der World Health Summit, die Konferenz zur globalen Gesundheitsversorgung, sieht in ihrer im Okober in Berlin beschlossenen M8-Deklaration antibiotikaresistente Keime „als eine der größten globalen Gesundheitsgefahren unserer Zeit. Um möglichst schnell wirksame Lösungen zu finden, muss die Zusammenarbeit verbessert werden – auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene“.
Die Bundesregierung fördert mit der sektorübergreifenden Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie Maßnahmen, die den rationalen Einsatz von Antibiotika und die Beachtung von Hygieneregeln zum Ziel haben, um den Ursachen der Resistenzentwicklung entgegenzuwirken. „Die Bundesregierung unterstützt besonders betroffene Partnerländer beim Kampf gegen Antibiotikaresistenzen, indem wir den Aufbau leistungsfähiger Laborkapazitäten zur Diagnostik von multiresistenten Erregern vor Ort fördern“, teilte das Bundesgesundheitsministerium mit.
Die Stiftung Weltbevölkerung fordert die Pharmaunternehmen dazu auf, neue, wirksame Medikamente für die Menschen in Entwicklungsländern verfügbar zu machen. „Impfstoffe und Medikamente können die Gesundheitssituation in Entwicklungsländern entscheidend verbessern. Sie stehen jedoch vielerorts nicht zur Verfügung – weil sie nicht erhältlich sind oder gar nicht erst existieren.“
Der World Health Summit vertritt die Ansicht, dass es in der globalen Gesundheitsversorgung keinen Fortschritt ohne die Stärkung der Rechte von Frauen geben werde. „Die Politik muss deshalb die Rechte der Frauen auf Unversehrtheit, Gesundheit und Bildung unterstützen. Frauen müssen weltweit ihr Leben und die Familienplanung selbst bestimmen können.“
Eine weitere zentrale Forderung in der M8-Deklaration ist nicht zuletzt eine Verbesserung der Flüchtlingshilfe. „Rund 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, 130 Millionen brauchen humanitäre Hilfe. Für ihre Gesundheitsversorgung müssen dringend wirksame und nachhaltige Strategien entwickelt werden.“
Weinreich und Lohner sehen die globale Gesundheit als Gemeinschaftsaufgabe: „Die Eindämmung von Krankheiten und Epidemien, die Entwicklung hemmen und ungezähltes Leid hervorbringen, und die Förderung der Gesundheit auch der Armen bedarf der Anstrengung aller. Regierungen, Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft, Kirchen und andere religiöse Gemeinschaften wie auch die betroffenen Menschen selbst sind aufgerufen, ihren Beitrag zu leisten. Die Bekämpfung von Aids konnte nur gelingen, weil Betroffene aufgestanden sind und nichtstaatliche Organisationen ihre Stimme erhoben haben.“ ###more###
Antibiotika-Resistenz-Projekt
Die zunehmende Antibiotikaresistenz stellt das Gesundheitswesen weltweit, aber auch in Deutschland, vor ernstzunehmende Herausforderungen. Ab dem Jahr 2017 startet ein neues Projekt unter dem Namen ARENA (Antibiotika-Resistenz-Entwicklung nachhaltig abwenden), das sich dieser Problematik annehmen wird. Das Ziel des Projekts besteht im Wesentlichen darin, den Einsatz von Antibiotika auf ein sinnvolles Maß zurückzufahren und ein Problembewusstsein in der Ärzteschaft sowie bei Patienten und der Öffentlichkeit zu schaffen. Das Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (AQUA-Institut) koordiniert und organisiert das ARENA-Projekt und organisiert die wissenschaftliche Begleitung. Als weitere Partner sind mit an Bord: die AOK Bayern, die AOK Rheinland/Hamburg, die KV Bayerns, die Agentur deutscher Arztnetze sowie mehr als 400 Arztpraxen aus 14 Arztnetzen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen mit circa 74.000 eingeschriebenen AOK-Versicherten. Im Rahmen des Projekts werden bei vorab festgelegten Diagnosen zu häufigen Infekten der Atemwege und der Harnwege, bei denen in der Regel kein Antibiotikum notwendig ist, Patienteninformationen und Öffentlichkeitskampagnen durchgeführt. Diese sollen insbesondere den Patienten verdeutlichen, dass eine nicht erfolgte Antibiotikagabe keine schlechtere, sondern die richtige Behandlung ist. Hierzu erhalten sowohl Ärzte als auch Praxispersonal ein darauf zugeschnittenes Informations- und Kommunikationstraining. Parallel dazu werden datengestützte Qualitätszirkel mit den beteiligten Netzärzten, mit medizinischen Fachangestellten sowie sektorenübergreifend auch in Zusammenarbeit mit anderen Leistungserbringern durchgeführt.
Quelle: www.aqua-institut.de/de/aktuelles/antibiotika-resistenz-projekt-durch-innovationsfonds-gefoerdert.html (letzter Zugriff am 06.11.2016)
Globale Gesundheit – Statements der Verbände
DVTA
MTA spielen eine wesentliche Rolle in der globalen Gesundheitsversorgung. Die Diagnostik ist ohne die technische Durchführung der bildgebenden Verfahren und Blutanalysen nicht möglich. Die selbstständige und eigenverantwortliche technische Durchführung dieser Verfahren ist allein den MTA vorbehalten und sollte zum Schutz des Patienten, nur durch diese durchgeführt werden. Ohne MTA keine Diagnostik – ohne Diagnostik keine Therapie!
VDD – Verband der Diätassistenten
Die Berufsgruppe der Diätassistenten blickt national und international auf eine über 100-jährige Tradition zurück. Diätassistenten haben speziell die Verbesserung und den Erhalt der Gesundheit durch bessere Nahrung und Ernährung im Fokus.
In Deutschland und Europa haben sich Diätassistenten verpflichtet, Verantwortung für eine bessere Gesundheit durch Ernährung in allen sozialen Schichten zu übernehmen, dies ist im Europäischen Aktionsplan für Diätetik (European Dietetic Action Plan, www.efad.org/eudap) festgeschrieben, der bereits 2015 von allen nationalen Diätassistentenverbänden, die im europäischen Dachverband EFAD mitarbeiten, verabschiedet wurde. Die dort verankerten Maßnahmen sollen unter anderem
- dafür sorgen, dass attraktive, nachhaltige und erschwingliche Nahrungsmittel für eine gesunde Ernährung zur Verfügung stehen
- präventive Maßnahmen mit dem Ziel einer gesunden Ernährung während des gesamten Lebens durchgeführt werden. Dies gilt vor allem für stark gefährdete Bevölkerungsgruppen sowie im klinischen Umfeld
- Investitionen in die kosteneffektive Erbringung von Leistungen durch Diätassistenten zur Verbesserung der Gesundheit durch Ernährung unterstützen
- Allianzen und Netzwerke für die Umsetzung eines Health-in-all-Policies Ansatzes stärken
Ernährungsbezogene Ziele sind dabei untrennbar mit gesundheitsbezogenen Zielen verbunden, was die Bedeutung der Zusammenarbeit aller Gesundheitsberufe unterstreicht.
Wir stimmen vollumfänglich mit der Autorin darin überein, dass die gobale Gesundheit aber nur als Gemeinschaftsaufgabe von Regierungen, Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft, religiösen Gemeinschaften und den Betroffenen gelingen kann. Diätassistenten stehen bereit, benötigen jedoch auch die geeigneten Rahmenbedingungen, um tätig werden zu können.
Bundesverband der Pharmazeutisch-technischen AssistentInnen
Der Bundesverband der Pharmazeutisch-technischen AssistentInnen (BVpta) unterstützt die vom World Health Summit verabschiedete M8-Deklaration in vollem Umfang. Die Bekämpfung von Infektionskrankheiten – insbesondere die von antibiotikaresistenten Keimen – ist eine Aufgabe, der sich die Weltgemeinschaft stellen muss. Das ist nicht nur zur Förderung der Gesundheit in Entwicklungsländern notwendig. Angesichts der durch die Globalisierung stark gewachsenen Reisetätigkeit dient dies auch dem Gesundheitsschutz in den Industrieländern. Einige pharmazeutische Unternehmen stellen sich bereits dieser Aufgabe. Staatliche Förderung des Engagements könnte weitere zum Umdenken bewegen.
Entnommen aus MTA Dialog 1/2017
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