Organspende: Bekannter Wille fördert Zustimmung

Multizentrische Analyse in NRW-Universitätskliniken/aktuelle BZgA-Umfrage
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Organspende: Hohe Zustimmungsrate bei schriftlicher Willensbekunung
© Matthias Stolt, stock.adobe.com
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Entscheiden sich Menschen bereits zu Lebzeiten für eine Organspende, liegt die Zustimmungsrate mit 70 Prozent deutlich höher, als wenn Angehörige allein nach eigener Wertvorstellung darüber befinden. Das zeigt eine multizentrische Analyse in NRW-Universitätskliniken.

Laut Repräsentativbefragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im Jahr 2020 würden 71 Prozent der Befragten, die bereits eine Entscheidung getroffen haben, einer Organspende zustimmen. „Eine derart hohe Zustimmungsrate fanden wir bei den von uns analysierten Patienten nur dann, wenn sie sich schriftlich zum Thema Organspende, zum Beispiel mittels eines Organspendeausweises, geäußert hatten“, berichtet Prof. Dr. Martin Söhle, Transplantationsbeauftragter am Universitätsklinikum Bonn (UKB). „Insgesamt war die Zustimmungsrate zu einer Organspende an den NRW-Uniklinika mit 38 Prozent nur etwa halb so hoch wie in den Umfragen berichtet.“

289 Todesfälle mit Hirnschädigung analysiert

Um der Ursache dafür auf den Grund zu gehen, wurden in der Studie 289 Todesfälle mit Hirnschädigung genauer angeschaut, die zwischen dem 1. Juni 2020 und 30. Juni 2021 in den Universitätskliniken Aachen, Bielefeld, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster identifiziert wurden. Dabei interessierten sich die sieben Transplantationsbeauftragten für die Zustimmungsrate zur Organspende und den Einfluss der Entscheidungsgrundlage darauf. Dazu erfragten sie Willensbekundungen der potenziellen Organspender bei Angehörigen, Betreuenden und Hausärzten und sichteten alle verfügbaren Dokumente. Eine Zustimmung zur Organspende gab es in 110 Fällen, davon 30 in schriftlicher Form.

Schriftliche Willensbekundung hilft

Bei einer vorhandenen schriftlichen Willensbekundung ergab die NRW-Studie eine hohe Zustimmungsrate von 70 Prozent, ähnlich wie in damaligen Umfragen der BZgA. Die Zustimmungsrate sank auf 49 Prozent, wenn alle Personen mit schriftlicher oder mündlicher Willensbekundung berücksichtigt wurden. Ist der Willen eines möglichen Organspenders aber unbekannt, so müssen die Angehörigen allein entscheiden.

Angehörige entlasten

„Den Entschluss für oder gegen eine Organspende sollte ein jeder für sich selbst treffen und auf einem Organspende-Ausweis dokumentieren. Hierdurch entlastet man seine Angehörigen, die ansonsten in dieser schweren Zeit des Abschiednehmens und Trauerns die Entscheidung für oder gegen eine Organspende treffen müssen“, konstatiert Söhle. In der NRW-Studie hatten jedoch nur 14 Prozent der potenziellen Spender einen Organspendeausweis. Gemäß der damaligen BZgA-Umfrage wäre dies jedoch bei 44 Prozent der Bevölkerung zu erwarten gewesen.

BZgA-Umfrage 2022

BZgA hat inzwischen Studienergebnisse ihrer bundesweiten Repräsentativbefragung „Einstellung, Wissen und Verhalten der Allgemeinbevölkerung zur Organ- und Gewebespende in Deutschland 2022“ veröffentlicht.  Zentrales Ergebnis diese neuen Studienberichts ist die allgemein positive Einstellung zum Thema Organ- und Gewebespende: 84 Prozent der Befragten stehen einer Organ- und Gewebespende aktuell eher positiv gegenüber, im Jahr 2010 waren es 79 Prozent. 61 Prozent der Befragten haben eine Entscheidung zur Organ- und Gewebespende getroffen. 2018 lag dieser Wert noch bei 56 Prozent. 

44 Prozent mit schriftlicher Entscheidung

Von allen Befragten haben 44 Prozent ihre Entscheidung zur Organ- und Gewebespende schriftlich festgehalten, sei es im Organspendeausweis und/oder in einer Patientenverfügung. Weitere 17 Prozent haben eine Entscheidung getroffen, diese aber nicht schriftlich dokumentiert. Und 60 Prozent aller Befragten haben mit Familienangehörigen oder Freunden bereits über das Thema Organ- und Gewebespende gesprochen.

Mehr als ein Drittel unentschlossen

Prof. Dr. Martin Dietrich, Kommissarischer Direktor der BZgA: „Wir beobachten eine überwiegend positive Einstellung zur Organspende. Doch mehr als ein Drittel der Befragten hat noch keine persönliche Entscheidung für oder gegen eine Organ- und Gewebespende getroffen. Auch haben zu wenige Menschen über das Thema mit der Familie und Freunden gesprochen. Beides ist jedoch wichtig, damit Ihr Wille bekannt ist und umgesetzt werden kann. 94 Prozent der Befragten wissen, dass sie ihre Entscheidung im Organspendeausweis dokumentieren können. Dass dies auch in einer Patientenverfügung möglich ist, wissen 65 Prozent. Die Möglichkeit, in einem Organspendeausweis festzulegen, dass man sich auch gegen eine Organ- und Gewebespende entscheiden kann, kennen 53 Prozent der Befragten. 2012 lag dieser Wert noch bei 35 Prozent.

Als Spender ungeeignet?

Die BZgA-Studie belegt als Gründe für die fehlende Entscheidung: 41 Prozent der Befragten, die noch keine Entscheidung getroffen haben, haben sich noch gar nicht oder zu wenig mit der Organ- und Gewebespende beschäftigt, 22 Prozent vermeiden die bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema und 13 Prozent halten sich, oft fälschlicherweise, alsSpenderin oder Spender für ungeeignet – beispielsweise aufgrund des Alters oder aus gesundheitlichen Gründen.

Mehr als 4000 Befragte

Für die BZgA-Repräsentativbefragung „Einstellung, Wissen und Verhalten der Allgemeinbevölkerung zur Organ- und Gewebespende in Deutschland 2022“ wurden von Januar bis Februar 2022 bundesweit 4.004 Bürgerinnen und Bürger im Alter von 14 bis 75 Jahren befragt. Der BZgA-Forschungsberichtsteht online.

Publikation:
Englbrecht, Jan Sönke; Schrader, Daniel; Kraus, Holger; Schäfer, Melanie; Schedler, Dirk; Bach, Friedhelm; Söhle, Martin: Willensbekundungen und Zustimmungen zur Organspende in sieben NRW-Universitätskliniken; Dtsch Arztebl Int 2023; DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0367

Quelle: Universitätsklinikum Bonn, BZgA, 

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