Pandemien und Ethik

Entwicklung – Probleme – Lösungen
Hardy-Thorsten Panknin
Buchbesprechung zu: Pandemien und Ethik: Entwicklung – Probleme – Lösungen
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Aktuell ist ein weiteres Buch über Pandemien im Springer-Verlag erschienen. Bedingt durch die gegenwärtige COVID-19-Pandemie haben inzwischen fast alle Buchverlage in ihrem Sachbuchsortiment „Pandemien“ als Verkaufsschlager entdeckt.

So auch bei diesem neuen Werk mit dem Titel: Pandemien und Ethik – Entwicklung, Probleme und Lösungen von drei Herausgebern: PD Dr. Andreas Reis, M.Sc., ist Medical Officer im Department of Ethics and Social Determinants of Health der Weltgesundheitsorganisation in Genf, Univ.-Prof. Dr. Martina Schmidhuber ist Professorin für Health Care Ethics an der Universität Graz und Prof. Dr. med. Andreas Frewer, M.A., ist Professor für Ethik in der Medizin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Die Coronakrise bringt über die gesundheitlichen Sorgen und Ängste hinaus viele Unsicherheiten mit sich: weit in den privaten Bereich eingreifende Einschränkungen, Existenzängste, die für viele aufgrund der wirtschaftlichen Lage entstehen – sowohl für Privatpersonen als auch für (kleinere und größere) Unternehmen –, fehlende persönliche Kontakte, junge Menschen, die sich fragen, ob sie nach ihrer Berufsausbildung Arbeit finden werden. Und die eine offene Frage, die niemand beantworten kann: Wann wird das Leben endlich wieder „wie früher“ sein? Das zeigt, wie vulnerabel das Mensch-Sein per se ist. Freilich sind manche stärker als andere betroffen. Hier geht eine Schere auf zwischen sozioökonomisch besser und schlechter Gestellten. Soziale Ungleichheiten, die bereits bestanden, wurden im Zuge der Pandemie noch deutlicher. Dennoch scheint die Pandemie alle auf irgendeine Weise zu betreffen und jedem Einzelnen seine Vulnerabilität vor Augen zu führen; so prägnant und einführend beschreiben die Herausgeber die aktuelle Situation. Das vorliegende Werk von fast 400 Seiten, unterschiedlicher Couleur aus Justiz, Geschichte, Ethik, Hygiene, Infektiologie, Politologie und der Gesundheitsvorsorge, möchte auf Basis neuester wissenschaftlicher Forschung und fachlicher Expertise Wege für angemessene medizinische und moralische Maßnahmen weisen. In summa: Verschiedene Perspektiven auf Pandemien und wichtige Wege zu einer Bewältigung der Probleme werden in dem Buch in extenso thematisiert. Für Interessierte in Politik, Ärzteschaft und aller medizinischen Fachberufe gibt die Monografie wertvolle Hinweise für den Umgang mit den schwierigen ethischen Fragen bei Pandemien; auch der Laie kann sich angesprochen fühlen. Ein Kritikpunkt stellt sich: Der Preis von 119 Euro ist für dieses Sachbuch viel zu hoch und wird sicherlich viele interessierte Leser eher abschrecken.

Bei aller Dramatik – ja gar apokalyptischer Stimmung – sind die westlichen Länder, trotz aller Probleme, in einer günstigeren Situation als viele Schwellen- und Entwicklungsländer. Es sei auch angemerkt, dass seit den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts bereits vor solch einer Bedrohung im Vorfeld eindringlich gewarnt worden ist: „Dass in der ‚Erlebnis- und Spaßgesellschaft‘ der reichen Industrienationen auf der Nordhalbkugel unseres Planeten solche Botschaften keineswegs gerne gehört werden, ist mir vollkommen klar“, so Till Bastian, ein deutscher Mediziner, Publizist, Politiker und Autor in seiner Monografie „Die lautlosen Gegner – Seuchen gefährden unsere Zukunft“. „Immer mehr Menschen interessieren sich nur noch für die unmittelbare Zerstreuung und ein Höchstmaß an Spaß, all das nach dem Motto: ‚Genieße jetzt — bezahlt wird später!‘ Sie meinen, ein Anrecht darauf zu haben, dass ihr eigenes Dasein jenem Leben ähnelt, das das Werbefernsehen inszeniert, in dem immer nur von sportlichen, eleganten und leistungsfähigen jungen Menschen berichtet wird und niemals von Tod, Schmerz und Krankheit. Wer darauf verweist, dass für jede Feier irgendwann eine Rechnung präsentiert wird, gilt bestenfalls als Spielverderber, meist wird er darüber hinaus noch der Panikmache beschuldigt. Aber es bleibt dennoch wahr: Bis heute weigert sich die Wirklichkeit hartnäckig, die Züge der von den Massenmedien inszenierten Narrenpossen anzunehmen. Im Gegenteil, immer wieder weist sie uns darauf hin, dass alles seinen Preis hat. Und es ist durchaus möglich, dass eine fatale Kombination alter und neuer Risiken für Leben und Gesundheit uns schon bald deutlich macht, wie hoch der Preis ist, der für die Globalisierung der Wirtschaft, für die weltweite Mobilität und für den Luxus eines weitschweifigen Ferntourismus bezahlt werden muss, der überall nach ,letzten Paradiesen‘ sucht, um sie durch eben diese Suche dauerhaft zu zerstören.“ Wir sind nun alle Zeugen dieser Botschaft geworden.

Pandemien und Ethik: Entwicklung – Probleme – Lösungen.
Von: Reis A, Schmidhuber M, Frewer A (Herausgeber), Springer, 2021, ISBN: 978–3662635292, Preis: 119,00 Euro

Entnommen aus MTA Dialog 2/2022

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