Pflegepersonal-Stärkungsgesetz

Gesetzentwurf erntet Zustimmung, aber auch Kritik
Gisela Klinkhammer
Pflegepersonal-Stärkungsgesetz
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Das Bundeskabinett hat am 1. August den Entwurf des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes beschlossen. Mit dem Gesetz will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) „die Pflegekräfte in ihrem Berufsalltag unterstützen, neue Pflegekräfte hinzugewinnen und die pflegerische Versorgung der Patientinnen und Patienten weiter verbessern“.

Ab Januar 2019 könnten in stationären Pflegeeinrichtungen 13.000 Pflegekräfte neu eingestellt werden. Jede zusätzliche oder aufgestockte Stelle für Pflegekräfte in Krankenhäusern werde voll von der Krankenversicherung finanziert. Die Tarifsteigerungen in der Krankenhauspflege würden rückwirkend ab dem Jahr 2018 ebenfalls vollständig von den Kostenträgern übernommen.

„Das Sofortprogramm Pflege ist eine erste wichtige Etappe zur Verbesserung der Pflege. Wir greifen damit der Pflege unmittelbar und spürbar unter die Arme. Und weitere Schritte folgen bald“, sagte der Bundesgesundheitsminister. Die wesentlichen Regelungen im Überblick:

•    13.000 Stellen werden in der stationären Altenpflege neu geschaffen und von der gesetzlichen Krankenkasse ohne finanzielle Beteiligung der Pflegebedürftigen finanziert.

•    Um Pflegekräfte zu entlasten, wird die Digitalisierung gefördert. Die Pflegeversicherung stellt dafür einmalig pro Einrichtung (ambulant oder stationär) 12.000 Euro zur Verfügung.

•    Die Zusammenarbeit von niedergelassenen Ärzten und stationären Pflegeeinrichtungen wird weiter verbessert.

•    Jede zusätzliche oder aufgestockte Pflegestelle am Krankenhausbett wird künftig vollständig von den Kostenträgern refinanziert, um die Personalausstattung in der Pflege zu verbessern. Diese Regelung gilt bis zum Inkrafttreten einer grundsätzlichen Neuregelung zur Pflegepersonalkostenfinanzierung.

•    Bereits ab dem Jahr 2018 werden die Tarifsteigerungen für die Pflegekräfte im Krankenhaus vollständig von den Kostenträgern refinanziert. Die zusätzlichen Finanzmittel sind für Pflegepersonal einzusetzen.

•    Die Ausbildungsvergütungen von Auszubildenden in der Kinderkrankenpflege, Krankenpflege und Krankenpflegehilfe im ersten Ausbildungsjahr werden ab 2019 vollständig von den Kostenträgern refinanziert.

•    Der Krankenhausstrukturfonds wird ab 2019 für vier Jahre mit einem Volumen von einer Milliarde Euro jährlich fortgesetzt. Die Finanzierung erfolgt wie bisher je zur Hälfte aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds und aus Mitteln der Länder.

•    Die Finanzierung der Pflegepersonalkosten der Krankenhäuser wird ab dem Jahr 2020 auf eine neue, von den Fallpauschalen unabhängige, krankenhausindividuelle Vergütung umgestellt.

•    Ab 2020 soll eine Regelung zur Verbesserung der Pflegepersonalausstattung („Ganzhausansatz“) in den Krankenhäusern sowie der Gewährleistung von Patientensicherheit gelten, die Auskunft über das Verhältnis der Pflegekräfte in einem Krankenhaus zu dem zu leistenden Pflegeaufwand („Pflegequotient“) gibt. In einer Verordnung sollen zudem Sanktionen für die Krankenhäuser festgelegt werden, die danach eine bestimmte Mindestpersonalausstattung nicht erfüllen.

Keine Begrenzung der Maßnahmen auf die Pflege

Der Gesetzentwurf erntet Zustimmung, aber auch Kritik. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) begrüßt den Kabinettsbeschluss. „Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz zeigt viele richtige Ansätze und könnte endlich eine Trendwende einleiten, wenn seine Umsetzung rasch und gut gelingt“, sagte DBfK-Präsidentin Prof. Christel Bienstein. „Schon viel zu lange warten professionell Pflegende darauf, dass ihre immense Arbeitsbelastung endlich politisch wahrgenommen und nachhaltig verändert wird. Dieses Potenzial hat das Gesetz, immer vorausgesetzt, es wird mit aller Konsequenz und ohne aus bisherigen Pflegeförderprogrammen bekannte Schlupflöcher realisiert.“ Der Berufsverband sieht allerdings noch eine Reihe von Aspekten, die kritisch überprüft oder abgesichert werden müssten. So erfordere die Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus dem DRG-System der Krankenhäuser einen hohen bürokratischen Aufwand sowie engmaschige Kontrollen. Kosten für Verwaltungsaufgaben, Kodieren und weitere nicht pflegerische Aufgaben dürften nicht den auszugliedernden Pflegepersonalkosten zugeschlagen oder pflegefremde Tätigkeiten an die Pflegenden zurückverlagert werden. Außerdem führe kein Weg an einem Pflegepersonalbemessungsverfahren vorbei, das den tatsächlichen Pflegebedarf abbilde und verpflichtend zugrunde zu legen sei.

Die Bundesärztekammer (BÄK) bezeichnet die vorgesehene Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus der bisherigen Krankenhausfinanzierungssystematik als Paradigmenwechsel. Es böte sich die Chance, den Fokus von einem rein preisgetriebenen Wettbewerb hin zu einer deutlich stärker versorgungsorientierten Ausgestaltung zu setzen. Das werde allerdings nur gelingen, wenn mit dem geplanten Schritt alle in den Kliniken tätigen Gesundheitsberufe erfasst würden, so die BÄK. Die Bundesärztekammer begrüßt die geplante vollständige Refinanzierung von Tarifsteigerungen für das Pflegepersonal. Sie könnte ein probates Mittel gegen Arbeitsverdichtung und Fachkräftemangel sein. Eine nur auf die Pflege beschränkte Neuregelung helfe jedoch nicht bei dem grundsätzlichen Problem des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen.

Ähnlich sieht dies auch Rudolf Henke, der Erste Vorsitzende des Marburger Bundes: „Die Begrenzung der Maßnahmen allein auf die Pflege zementiert die Fehlanreize bei anderen Berufsgruppen.“ Es sei unsystematisch und widersprüchlich, bei der Herausnahme von Personalkosten aus dem Fallpauschalensystem (DRG) und bei der vollständigen Refinanzierung von Tariferhöhungen andere nichtärztliche Berufsgruppen sowie den ärztlichen Dienst außen vor zu lassen. „Wenn man die Finanzierung des Personals nach unterschiedlichen Regeln gestaltet, sind Fehlentwicklungen vorprogrammiert. Das Gesetz ist in dieser Hinsicht kontraproduktiv“, betonte Henke. Notwendig sei ein Gesamtkonzept, das sicherstellt, dass künftig sämtliche Personalkosten außerhalb der DRG-Systematik finanziert werden.

Nach Auffassung des GKV-Spitzenverbandes darf die nun gefundene Kombination aus Personaluntergrenzen für pflegesensitive Bereiche in Kliniken und einer Verhältniszahl, die die Personalausstattung und den Pflegeaufwand je Klinik erfasst, nur ein Zwischenschritt sein. Der Verband vermisst die im Koalitionsvertrag enthaltene Erweiterung der Personaluntergrenzen auf alle Krankenhausbereiche.

Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates. Es soll zum 1. Januar 2019 in Kraft treten.

Entnommen aus MTA Dialog 9/2018

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