Risiko für Insulinresistenz nach Mahlzeiten erkennen

Erbgut von fast 55.000 Teilnehmern analysiert
lz
Diabetes
© vchalup/stock.adobe.com
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Genvarianten scheinen die Insulinresistenz von Zellen zu beeinflussen. Die Ergebnisse haben möglicherweise Bedeutung für die künftige Behandlung von Typ-2-Diabetes.

Laut Deutscher Diabetes Hilfe gibt es in Deutschland aktuell rund 11 Millionen Menschen mit Diabetes, darunter 8,7 Millionen mit einem diagnostizierten Typ-2-Diabetes und 372.000 mit Typ-1-Diabetes. Das Risiko für Typ-2-Diabetes steigt dabei mit dem Alter an, aber auch mit zunehmendem Übergewicht, zu wenig Bewegung oder aufgrund einer genetischen Veranlagung. Unbehandelt ruft die Stoffwechselerkrankung Probleme in Nerven und Blutgefäßen hervor, was unter anderem zu Komplikationen im Auge oder Fuß führen kann, und das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöht.

Zu wenig Insulin oder Insulinresistenz

Wichtigstes Molekül auf dem Weg zum Diabetes ist das Insulin. Menschen mit Typ-2-Diabetes können ihren Blutzuckerspiegel nicht korrekt einstellen. Das liegt entweder daran, dass ihre Bauchspeicheldrüse bei steigendem Blutzucker nicht ausreichend Insulin produziert, oder weil ihre Zellen weniger stark auf Insulin reagieren, in diesem Fall spricht man von Insulinresistenz. „Die meisten Studien zur Insulinresistenz haben nüchterne Probanden einige Stunden nach der letzten Mahlzeit untersucht“, sagt die Leiterin der vorliegenden Arbeit, Professorin Claudia Langenberg, die am BIH die AG Computational Medicine leitet und in London, UK, an der Queen Mary University Direktorin des neugegründeten Instituts für Präzisionsmedizin ist. „In dieser Zeit wirkt Insulin vor allem auf die Leber. Aber die meiste Zeit unseres Lebens sind wir nicht nüchtern, sondern befinden uns mehr oder weniger kurz nach einer Mahlzeit. Und da wirkt Insulin auf Muskeln und Fettgewebe.“ Ausgerechnet hierüber ist wenig bekannt, und gleichzeitig wird ausgerechnet hier die Ursache für die Insulinresistenz mit folgendem Typ 2 Diabetes vermutet.

Genanalyse bei 55.000 Probanden aus 28 Studien

Professor Sir Stephen O´Rahilly, Co-Direktor des Wellcome-MRC-Instituts für Stoffwechselwissenschaften an der Universität von Cambridge und ebenfalls an der Studie beteiligt, erklärt: „Wir wissen, dass es Menschen mit einer seltenen angeborenen Krankheit gibt, bei denen Insulin im nüchternen Zustand auf Leberzellen vollkommen normal funktioniert, nicht aber nach einer Mahlzeit, wenn es auf Muskel- und Fettgewebe agiert. Was wir nicht wussten, war, ob es dieses Problem auch in der breiteren Bevölkerung gibt und ob es mit der Entwicklung von Typ 2 Diabetes zusammenhängt.“ Um hier Klarheit zu erhalten, untersuchte das internationale Team die genetischen Daten aus 28 Studien mit insgesamt 55.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Sie suchten nach genetischen Varianten, die die Insulinspiegel zwei Stunden nach einem zuckerhaltigen Getränk beeinflussen.

GLUT4 in Muskelzellen weniger aktiv

Dabei entdeckten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zehn Regionen im Genom, die mit Insulinresistenz nach Zuckergetränk zusammenhingen. Acht dieser Regionen waren den Forscher/-innen bereits in früheren Studien aufgefallen: Sie hingen mit einem höheren Risiko für Typ 2 Diabetes zusammen. Eine dieser Regionen trat in einem Gen namens GLUT4 auf: Dabei handelt es sich um das Gen für ein Transporteiweiß in der Zellmembran von Fett- und Muskelzellen, das Blutzucker – Glucose – in die Zellen hineintransportiert. Die auffällige Variante hatte zur Folge, das GLUT4 in Muskelzellen weniger aktiv war.

Diabetes Typ 2 vorbeugen?

In weiteren Experimenten untersuchten die Wissenschaftler/-innen Fettzellen von Mäusen. Dort schalteten sie einzelne Gene aus den zehn gefundenen Regionen aus und beobachteten die Auswirkungen. „Wir haben 14 verschiedene Gene gefunden, die alle beim Glucosetransport eine Rolle spielen“, berichtet Langenberg. „Sie beeinflussen die Menge des Glucosetransporters GLUT4 auf der Oberfläche der Zellen. Je weniger GLUT4 auf der Zelloberfläche vorhanden ist, desto schlechter können die Zellen Glucose aus dem Blut aufnehmen.“ Langenberg hofft, dass diese Entdeckung auch zu neuen Möglichkeiten führen wird, dem Typ 2 Diabetes vorzubeugen. „Unsere Arbeit zeigt, wie die Kombination von dynamischen metabolischen Tests in sehr vielen Probanden, gemeinsam mit genetischen Informationen, Erkenntnisse zutage fördern, die für die Medizin von Bedeutung sind. Wir verstehen jetzt besser, wie der Blutzuckerspiegel nach einer Mahlzeit reguliert wird, und das eröffnet die Möglichkeit, hier zielgenau einzugreifen.“

Literatur:
Williamson A, Norris DM, Yin X, et al.: Genome-wide association study and functional characterisation identifies candidate genes for insulin-stimulated glucose uptake. Nat Gen; 8 June 2023; DOI: doi.org/10.1038/s41588-023-01408-9.

Quelle: BIH

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