Sinnvolle und praxisnahe Weiterbildung

Ein Lösungsansatz bei drohender innerer Kündigung
Blanka Karasiewiecz
Sinnvolle und praxisnahe Weiterbildung
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Fachkräftesicherung ist eines der zentralen Themen der Arbeitswelt. Fachkräfte finden, binden und halten – was sich nach profaner Personalarbeit anhört, ist ein komplexer, zeit- und kostenaufwendiger Vorgang, der Arbeitgeber/-innen und Arbeitnehmer/-innen gleichermaßen vor große Herausforderungen stellt.

Arbeitgeber/-innen, die sich langfristig auf dem Markt behaupten und wettbewerbsfähig bleiben wollen, benötigen motivierte und gut qualifizierte Arbeitnehmer/-innen. Doch was bedeutet gut qualifiziert und motiviert? Die Frage nach einer guten Qualifikation kann zunächst recht einfach beantwortet werden, denn sie ergibt sich meist aus dem Berufsbild beziehungsweise aus konkreten Aufgaben, die für die Praxis notwendig sind. Bei der Frage nach der Motivation wird es schon etwas komplexer. Was ist Motivation und wie kann sie erzeugt und aufrechterhalten werden? Was führt dazu, dass Mitarbeitende ihr Engagement sowie ihre Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber verlieren und sich schließlich nicht mehr mit dem Unternehmen identifizieren können – sprich, innerlich kündigen? Untersuchungen des Beratungsunternehmens Gallup [1] sowie eine Studie der von Krankenkassen und Unfallversicherungen getragenen Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) [2] haben ergeben, dass circa 15 Prozent der Mitarbeitenden in deutschen Unternehmen keine emotionale Bindung zum Unternehmen haben und dass bereits jeder fünfte Mitarbeitende innerlich gekündigt hat. Die Kosten innerer Kündigung für Unternehmen wurden laut „Welt“ 2014 auf mehr als 100 Milliarden Euro geschätzt [3]. Vier Jahre später, 2018, lagen diese ähnlich hoch [4]. Eine stolze Summe, die man sinnvoll in Weiterbildung investieren könnte.

Innere Kündigung ist ein schleichender Prozess. Die Gründe dafür sind individuell und vielschichtig. Als wichtige Auslöser für innere Kündigung gelten ungelöste Konflikte am Arbeitsplatz, eine als sinnlos empfundene Arbeitstätigkeit, unangemessener Führungsstil von Vorgesetzten, mangelnde Wertschätzung für die Arbeitsleistung der Mitarbeitenden und mangelnde Mitbestimmung bei Entscheidungsprozessen. Das wiederum erzeugt bei den Arbeitnehmer/-innen ein Gefühl, ungerecht behandelt zu werden. Die Korrelationen zwischen den Auslösern und dem Endzustand innere Kündigung sind wissenschaftlich belegt [5] und sollten deshalb dringend ernst genommen werden, bevor die Qualität der Arbeit leidet, die Fehlerquote steigt, Mehrbelastung für Teams durch Fehlzeiten oder gar Arbeitsverweigerung steigt – ein schlechtes Betriebsklima ist „vorprogrammiert“. Eine innere Kündigung ist nicht nur für Arbeitgeber/-innen ein (finanzieller) Verlust, auch der/die Arbeitnehmer/-in leidet darunter und büßt Lebensqualität ein. An dieser Stelle ist die Initiative der Vorgesetzten gefragt, den Prozess der Abwärtsspirale zu durchbrechen und die Motivation der Mitarbeitenden wieder anzuregen. Aber wie?

Ein kleiner Ausflug in die psychoanalytische Welt eröffnet an dieser Stelle einen interessanten Zugang: Schon im Mutterleib hat der Mensch zwei starke Antriebe: 1) den Drang, sich zu entwickeln und zu wachsen, mit dem Ziel, ein möglichst hohes Maß an Autonomie und Eigenständigkeit zu erreichen. Und 2) den Wunsch, mit etwas Großem (der Mutter) verbunden zu sein und zu bleiben. Übertragen wir diese Metapher in die Arbeitswelt, so ergibt sich folgendes Bild: Menschen möchten sich mit und durch ihre Arbeit entwickeln und wachsen. Sie brauchen einen Aufgabenbereich, der ihrem Wachstumsdrang und ihren Bedürfnissen entspricht. Arbeitnehmer/-innen möchten auf eine sinnvolle Weise mit dem großen Ganzen (dem Unternehmen) verbunden sein. Sinnvoll bedeutet, so verbunden sein, dass Autonomie, Entwicklung und Veränderung möglich sind ohne die Bindung (Arbeitsverhältnis) lösen zu müssen (Kündigung).

Motivation entsteht also, wenn Menschen eine sinnvolle Tätigkeit ausüben, die zu ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen passt, die ihnen Entwicklungsspielräume eröffnet und durch die sie sinnvoll zu dem großen Ganzen beitragen können und damit ein Teil dessen werden und bleiben (wollen). Ausgehend von dieser Perspektive ergeben sich konkrete Überlegungen für die Praxis, wie Mitarbeitende gewonnen und gehalten werden können, nämlich indem ihre Motivation geweckt und aufrechterhalten wird. Bei der Findung von Lösungsansätzen ist das A und O eine rechtzeitige und gemeinsame Entscheidungsfindung zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten. Letztere sind schließlich dafür verantwortlich, die Handlungs- und Partizipationsräume der Mitarbeitenden angemessen einzuschätzen und zu gestalten, damit sich diese sinnvoll im Unternehmen einbringen können.

Arbeitgeber/-innen, welche ernsthaft daran interessiert sind, die Mitarbeitenden zu binden, sind meist auch offen für Austausch und dankbar für die Eigeninitiative und Offenheit dieser. Und Arbeitnehmer/-innen, die ernsthaft daran interessiert sind, sich im Unternehmen einzubringen und mitzuwirken, sollten den Mut aufbringen, mit ihren Vorgesetzten offen und ehrlich über eigene Erwartungen, Bedürfnisse und Probleme im Arbeitsalltag konstruktiv zu sprechen. Nur wenn auf beiden Seiten eine Motivation für eine Lösungsfindung vorhanden ist, kann es zu fruchtbaren Entscheidungen kommen. Dann ist eine Weiterbildung eine sinnvolle Lösung. Überlegungen wie „Passt die Arbeitstätigkeit zu den Erwartungen, Bedürfnissen und Fähigkeiten des Mitarbeitenden?“ oder „Sind notwendige Qualifikationen für die Stelle vorhanden?“ sind die Grundlage für einen gemeinsamen Start bei einer Weiterbildungsplanung. Aspekte wie Entwicklungspfade aufzeigen, Ziele festlegen, gemeinsam anpeilen und anpassen, sinnvolle und machbare Finanzierungsmöglichkeiten von Weiterbildung finden, Einsatz des erworbenen Wissens in Praxis begleiten und sinnvolles Wissensmanagement erarbeiten sind weitere wichtige Schritte in dem Prozess des gemeinsamen Agierens. Die strategische Bedeutung von Weiterbildung wird künftig eine immer wichtigere Rolle in der Arbeitswelt spielen und eröffnet sowohl Arbeitgeber/-innen als auch Arbeitnehmer/-innen Spielräume für eine konstruktive und zukunftsgewandte gemeinsame Arbeitspraxis.

Literatur

  1. Nink M: Engagement Index. www.gallup.de/183104/engagement-index-deutschland.aspx (last accessed on 4 February 2020).
  2. Scheibner N, et al.: iga. Report 33. Engagement erhalten – innere Kündigung vermeiden. www.iga-info.de/fileadmin/redakteur/Veroeffentlichungen/iga_Reporte/Dokumente/iga-Report_33_Engagement_erhalten_innere_Kuendigung_vermeiden.pdf (last accessed on 5 February 2020).
  3. Wisdorff F: Innere Kündigung kostet deutsche Wirtschaft 118 Milliarden. Welt. www.welt.de/wirtschaft/article126409764/Innere-Kuendigung-kostet-Wirtschaft-118-Milliarden.html (last accessed on 1 February 2020).
  4. Bund Verlag: Fünf Millionen Arbeitnehmer haben innerlich gekündigt. www.bund-verlag.de/aktuelles~F%C3%BCnf-Millionen-Arbeitnehmer-haben-innerlich-gek%C3%BCndigt~ (last accessed on 31 January 2020).
  5. Edgar Schmitz, Bärbel Gayler, Peter Jehle: Gütekriterien und Strukturanalyse zur Inneren Kündigung. Zeitschrift für Personalforschung 2002; 16 (1), 2002

Entnommen aus MTA Dialog 3/2020

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