Die idiopathische Skoliose ist eine sich während des Wachstums entwickelnde Wirbelsäulenverkrümmung. Dabei ist die Wirbelsäule in sich verdreht und vermehrt seitwärts gebogen. Ab einem bestimmten Krümmungswinkel wird sie behandelt. Als technische Hilfsmittel für die häufigen Untersuchungen des Rückens gibt es neben dem Röntgen auch eine strahlungsfreie Methode: die Videorasterstereografie. Im Auftrag des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) haben Wissenschaftlerinnen der Universität Duisburg-Essen nun in einer Gesundheitstechnologiebewertung (Health Technology Assessment, HTA) untersucht, ob die Videorasterstereografie geeignet ist, das Röntgen in der Verlaufskontrolle zu ersetzen.
Der HTA-Bericht im Rahmen des IQWiG-Verfahrens „ThemenCheck Medizin“ kommt zu dem Ergebnis, dass sich auf Basis der vorliegenden Studien nicht bewerten lässt, ob die Videorasterstereografie ein gleichwertiger Ersatz für das Röntgen ist. Für Patientinnen und Patienten mit idiopathischer Skoliose wäre eine strahlungsfreie Untersuchung aber ein großer Vorteil. Deshalb sollten die offenen Fragen zum medizinischen Nutzen der Untersuchung durch geeignete Studien beantwortet werden.
Zeitaufwendige Therapie
Von einer idiopathischen Skoliose sind ein bis zwei von 100 Kindern und Jugendlichen betroffen, Mädchen häufiger als Jungen. Erwachsene sind je nach Lokalisation und Grad der Krümmung beispielsweise durch Rückenschmerzen oder eine reduzierte Lungenfunktion beeinträchtigt. Bereits im Kindes- und Jugendalter kann das besondere Körperbild psychosoziale Probleme bedingen. Zur Therapie gibt es verschiedene Möglichkeiten, die sich nach dem Grad der Verkrümmung und dem Stadium des Knochenwachstums richten. Sie reichen von einer Physiotherapie über ein Korsett bis hin zu einer Operation, bei der die Wirbelsäule mit Metallstäben oder Schrauben aufgerichtet und versteift wird. Insbesondere für Kinder und Jugendliche kann die zeitaufwendige Therapie und gegebenenfalls das Tragen eines Korsetts eine große psychische und soziale Belastung sein. Da häufiges Röntgen Krebs verursachen kann, ist es wichtig, nach nebenwirkungsärmeren diagnostischen Alternativen in der Verlaufskontrolle zu suchen.
Die Wissenschaftlerinnen konnten keine Studie identifizieren, die in einem direkten Vergleich untersuchte, welches der beiden bildgebenden Verfahren – Röntgen oder Videorasterstereografie – zu einer zuverlässigeren Verlaufskontrolle und anschließend auch zu besseren Behandlungsergebnissen führt. Die Recherchen führten lediglich zu 4 Studien, die zeigen, dass die Messwerte zur Verkrümmung der Wirbelsäule zwischen Videorasterstereografie und Röntgen nicht gut übereinstimmen. Offen bleibt aber, ob die Abweichungen so groß sind, dass sie zu falschen Entscheidungen führen, also zum Beispiel eine Behandlung zu spät beginnt.
Weitere Studien erforderlich
Es wurden auch keine Studien gefunden, in denen das Verhältnis der Kosten zum Nutzen untersucht wurde. Die Gesamtkosten für die Videorasterstereografie liegen bei rund 150 bis 200 Euro, von denen zwischen 105 bis 146 Euro von der Patientin oder dem Patienten selbst bezahlt werden müssen. Die Gesamtkosten des Röntgens in Höhe von knapp 70 Euro werden komplett von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Auf Basis der vorliegenden Studien lässt sich nicht sagen, ob die Videorasterstereografie in der Verlaufskontrolle ein gleichwertiger Ersatz für Röntgenuntersuchungen ist. Für Patientinnen und Patienten mit idiopathischer Skoliose wäre es aber von Vorteil, wenn das Röntgen durch die strahlungsfreie Alternative ersetzt werden könnte. Deshalb sollten die offenen Fragen zum medizinischen Nutzen der Untersuchung durch geeignete Studien beantwortet werden.
Quelle: IQWiG, 22.11.2019
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