Die Bcl-2-Proteine sind schwer zu untersuchen, da sie sich zwischen der wässrigen Zellflüssigkeit und der ölähnlichen Membran hin- und her bewegen. Nur wenige Methoden können diese Proteininteraktionen in beiden Umgebungen analysieren. Eine besondere Form der Spektroskopie, die Fluoreszenz-Kreuzkorrelations-Spektroskopie, kann die Interaktionen sowohl in der Zellflüssigkeit als auch in der ölähnlichen Membran sichtbar machen. Damit entschlüsselte ein Team, bestehend aus Forschern der Universität Tübingen, der Ruhr-Universität Bochum, des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart, des Deutschen Krebsforschungszentrums und der Universität Konstanz, das komplexe Zusammenspiel von insgesamt drei Komponenten des Netzwerks. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in der Zeitschrift „Nature Communications“.
„Unsere Gesundheit ist davon abhängig, dass Zellteilung und Zelltod streng reguliert werden“, sagt Dr. Stephanie Bleicken von der Bochumer Arbeitsgruppe für Elektronenspinresonanz-Spektroskopie und dem Exzellenzcluster Resolv. Bei einer Fehlfunktion dieser Mechanismen können neurodegenerative Krankheiten oder Krebs entstehen. „Die Apoptose, eine Art Selbstmordprogramm der Zellen, ist ein wichtiger Schutzmechanismus des Körpers, um beschädigte, überalterte oder nicht mehr benötigte Zellen zu entsorgen“, so Bleicken.
Manche Mitglieder der Bcl-2-Proteinfamilie lösen die Prozesse aus, die zum Zelltod führen, wie das Öffnen der Poren in der Membran der Mitochondrien. Bestimmte Stoffe können durch die geöffneten Poren die Mitochondrien verlassen, wodurch der Zelltod nicht mehr aufzuhalten ist. Wiederum andere Mitglieder der Proteinfamilie verhindern dies und wirken dem Zelltod entgegen. Die Interaktionen in dieser Proteinfamilie sind daher entscheidend für die Apoptose.
Untersuchung in zellähnlicher Umgebung
Mithilfe der Fluoreszenz-Kreuzkorrelations-Spektroskopie beleuchteten die Wissenschaftler einen Ausschnitt des Bcl-2-Netzwerks. Sie stellten drei Hauptkomponenten des Proteinnetzwerks her und untersuchten sie in einer Umgebung, die die Zelle in groben Zügen nachbildet - ähnlich der Zellflüssigkeit oder der Mitochondrienmembran. „Um einzelne Komponenten in diesem komplexen Netzwerk zu verstehen, hilft es, sie zunächst in stark vereinfachten Umgebungen zu betrachten, zu der dann immer neue Komponenten hinzugegeben werden können“, erläutert Prof. Dr. Ana García-Sáez von der Universität Tübingen.
Die Umgebung spielte eine entscheidende Rolle beim Zusammenspiel der drei Proteine. In Membranen verhielten sie sich anders als in der Zellflüssigkeit. „Das war eine wichtige Erkenntnis, weil die Interaktionen in der Membran im Wesentlichen darüber entscheiden, ob der Zelltod eingeleitet wird“, erklärt García-Sáez. „Diese Umgebung ist technisch aber viel schwieriger zu erforschen als die Zellflüssigkeit.“ Durch den Vergleich in beiden Umgebungen konnten frühere Befunde, die widersprüchliche Ergebnisse darstellten, in Einklang gebracht werden. „Die Bcl-2-Proteine regulieren die Apoptose, die wiederum eng mit Krankheiten wie etwa Krebs verbunden ist. Wenn wir die Funktion der Proteine genauer verstehen, bilden sie günstige Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer Medikamente“, sagen die Forscherinnen. (RUB, red)
Stephanie Bleicken, Annika Hantusch, Kushal Kumar Das, Tancred Frickey, Ana J. Garcia-Saez: Quantitative interactome of a membrane Bcl-2 network identifies a hierarchy of complexes for apoptosis regulation. Nature Communications, 2017, DOI: 10.1038/s41467-017-00086-6.
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