Wege aus der Antibiotikaresistenz

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Antibiotikaresistenzen
Angemahnt wurde, Impfungen verstärkt in den Blick zu nehmen, um den Antibiotikaverbrauch zu reduzieren. Fotolia/harryfoto
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Antibiotikaresistenz führt in Europa zu geschätzten 25.000 Todesfällen pro Jahr und nimmt derzeit weltweit rasch zu. Der Deutsche Ethikrat diskutierte unter anderem über die Ursachen und Folgen.

Hygienemängel, Über- oder Fehltherapie mit Antibiotika, zu hohe Patientennachfrage, der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung und nicht zuletzt auch die zunehmenden globalen Menschen- und Warenströme zählen zu den Ursachen von Antibiotikaresistenzen.

Die Politik hat bereits reagiert: Seit 2008 verfolgt die Bundesregierung eine nationale Antibiotikaresistenzstrategie; seit 2011 gibt es einen EU-Aktionsplan zur Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen; die Weltgesundheitsorganisation hat 2015 einen Globalen Aktionsplan zu Antibiotikaresistenzen verabschiedet. Sogar die Vereinten Nationen haben vor kurzem dieses Thema auf die Agenda ihrer Generalversammlung gesetzt.

Vor diesem Hintergrund sieht es der Deutsche Ethikrat nicht als seine Aufgabe an, so Peter Dabrock, der Vorsitzende des Gremiums, in seiner Einführung, „den vielen Maßnahmen eine moralische Weihe zu geben oder moralisch empört weitere Maßnahmen zu fordern, sondern die getroffenen oder zu treffenden Entscheidungen auf ihre jeweilige Verantwortbarkeit, jetzt und für zukünftige Generationen, hier und für andere Regionen dieser Welt, für Menschen und für die nichtmenschliche Mitwelt zu überprüfen.“

Das Problem der Antibiotikaresistenz werde vermutlich nicht rein technisch zu lösen sein, so Lothar H. Wieler, der Präsident des Robert Koch-Instituts, weil Bakterien zu vielfältig und anpassungsfähig seien. Neben der Entwicklung neuer Antibiotika und neuer diagnostischer Tests müssten Ärzte und Patienten besser über die Risiken von Antibiotikaresistenz informiert werden; die epidemiologische Überwachung müsse verbessert werden, um das Ausmaß des Problems und seine Entwicklung präzise analysieren zu können.

Außerdem seien Hygiene- und Präventionsmaßnahmen zu stärken, mit deren Hilfe sich das Risiko einer Infektion reduzieren lasse. „Zuletzt müssen wir uns außerdem fragen“, so Wieler, „wie wir den Einsatz von Antibiotika so effektiv und evidenzbasiert wie möglich gestalten können, um überflüssigen Gebrauch zu vermeiden.“

Stephan Rixen von der Universität Bayreuth sieht den Gesetzgeber stärker in der Pflicht. Dieser dürfe angesichts der verhaltensbeeinflussenden Wirkungen, die die genannten „Strategien“ und „Pläne“ auf die relevanten Grundrechte hätten – insbesondere auf das Recht auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit, auf das gesundheitliche Existenzminimum, auf Therapie- und Wissenschaftsfreiheit –, die Verantwortung nicht auf die Gesundheitsversorgungsexekutive abwälzen.

Häufig unkritischer Einsatz von Antibiotika

In der anschließenden von Ethikratsmitglied Alena Buyx moderierten Podiumsrunde diskutierten Jasper Littmann vom Robert Koch-Institut, Petra Gastmeier von der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Wolf-Dieter Ludwig von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft über Möglichkeiten und Folgen konsequenter Lösungsstrategien.
Antibiotika seien ein kostbares Gut, so Littmann, und es sei auch mit Blick auf künftige Generationen eine gesellschaftliche Aufgabe, ihre Effektivität zu bewahren und zu schützen. Gleichzeitig mangele es in vielen Ländern nach wie vor an einer zuverlässigen Versorgung mit Antibiotika. „Deswegen müssen wir uns der zusätzlichen Herausforderung stellen, den Zugang zu Antibiotika zu verbessern und gleichzeitig ihren exzessiven Einsatz zu bekämpfen“, so Littmann.

Petra Gastmeier plädierte für Präventionsmaßnahmen, die im Umgang mit allen Patienten gleichermaßen angewendet werden sollten. So ließen sich Infektionen durch konsequente Krankenhaushygiene wie die Händedesinfektion vermeiden. Gastmeier sprach sich dafür aus, die Ärzte verstärkt für ihr Verschreibungsverhalten zu sensibilisieren und „Infozepte statt Rezepte“ auszustellen sowie stärker in eine gezielte Informations- und Kommunikation mit der Öffentlichkeit zu investieren.

Wolf-Dieter Ludwig kritisierte, dass der Einsatz von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin oft unkritisch erfolge. Neben der Infektionsprävention seien daher AntiBiotic-Stewardship-Programme von großer Bedeutung, um einen rationalen Umgang mit Antibiotika zu fördern und optimale Behandlungsergebnisse zu erzielen.

Bessere Information der Öffentlichkeit

Wolle man zum Beispiel eine restriktive Antibiotikaverschreibung erzielen, müsste die Öffentlichkeit stärker über den sinnvollen Einsatz von Antibiotika informiert werden. Darüber hinaus, so Ludwig, bedürfe es „gezielter Anreize für pharmazeutische Unternehmer, durch die Entwicklung von neuen Antibiotika das Innovationsdefizit auf diesem Gebiet zu überwinden – vor allem zur Behandlung von resistenten Krankheitserregern.“

Im Ergebnis der Diskussion zeigte sich die hohe ethische Relevanz des Themas in den adressierten Gerechtigkeitsfragen – von der notwendigen öffentlichen Ermöglichung von Forschung, der potenziellen Konkurrenz verschieden betroffener Patientengruppen um Ressourcen, über die wirksame Aufklärung der Öffentlichkeit und des Fachpersonals, bis hin zum Ausbau von Einzelzimmern in Krankenhäusern. Übereinstimmung gab es insbesondere dahingehend, nicht primär negative Sanktionen im Umgang mit der Antibiotikaresistenz zu forcieren, sondern stattdessen ein Bündel von positiven Anreizen zu ihrer Vermeidung zu schaffen.

Aus dem Publikum, das sich intensiv in diese Diskussion einschaltete, wurden Forderungen laut, nicht nur in jene Bereiche der Pharmaforschung zu investieren, die rasche Erfolge versprächen. Angemahnt wurde auch, Impfungen verstärkt in den Blick zu nehmen, um den Antibiotikaverbrauch zu reduzieren. Außerdem sollte der Blick nicht nur auf die Humanmedizin beschränkt bleiben, sondern auch der Antibiotikaverbrauch in der industriellen Tierhaltung drastisch reduziert werden.

Das Programm der Veranstaltung sowie in Kürze auch die Vorträge und Diskussionsbeiträge der Teilnehmer online abgerufen werden.

Quelle: Deutscher Ethikrat, 24.11.2016

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