Die Gallenblase speichert die Gallenflüssigkeit zwischen den Mahlzeiten und entleert sich bei Bedarf in den Zwölffingerdarm; sie ist somit den Mikroben des Darms ausgesetzt. „Dieser Umstand erhöht den Bedarf an antibakteriellen Faktoren“, erklärt Wolfgang Kummer von der Justus-Liebig-Universität Gießen, einer der Leitautoren der aktuellen Studie. „Welche Funktion hierbei den Bürstenzellen der Gallenblase zukommt, war bislang unbekannt“, ergänzt Mitverfasser Burkhard Schütz von der Philipps-Universität Marburg.
Zellbiologische Charakterisierung
Die beiden Forscher nutzten die Kooperationsmöglichkeiten des Forschungscampus Mittelhessen, um die Bürstenzellen der Maus zellbiologisch zu charakterisieren. Wodurch werden die Zellen angeregt? Wie reagieren sie darauf? Um dies herauszufinden, stimulierte das Team in einem ersten Schritt die Zellen mit blauem Licht im Mausmodell und studierte, welche Auswirkung dies hat. Im zweiten Schritt ermittelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, was die Aktivität der Bürstenzellen hervorruft.
Bedeutung der Fettsäure Propionat
„Wir haben die kurzkettige Fettsäure Propionat als diejenige Substanz ausgemacht, die Bürstenzellen aktiviert“, berichtet Dr. Maryam Keshavarz aus Kummers Labor, die Erstautorin des Fachaufsatzes. Bei Propionat handelt es sich um eines der häufigsten, natürlich vorkommenden Stoffwechselprodukte von Darmbakterien.
„Unsere Daten zeigen, dass durch die Anregung der Zellen der Botenstoff Acetylcholin ausgeschüttet wird, was sich positiv auf die Schleimausscheidung der Gallenblase auswirkt“, führt Schütz aus. Erhöhte Schleimproduktion kennt man seit langem als Verteidigungsmechanismus einer infizierten Gallenblase.
Ergebnisse auf den Menschen übertragbar?
Die Bürstenzellen sondern außerdem Leukotriene ab; diese Botenstoffe wirken kontrahierend auf die Muskulatur der Gallenblase. „Dies führt dazu, dass sie sich entleert und gegenüber dem Dünndarm verschließt“, erläutert Kummer. In der Zusammenschau zeigen die Daten, dass Bürstenzellen als Sensoren für Stoffwechselprodukte dienen, die von Bakterien im Darm stammen. Die Zellen setzen bei Gefahr einen Abwehrmechanismus in Gang, um das ungewollte Aufsteigen von Mikroorganismen zu verhindern. „Inwieweit diese Forschungsergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, muss nun in weiteren Untersuchungen geklärt werden“, sagt Schütz.
Professor Dr. Wolfgang Kummer ist Leiter der Arbeitsgruppe „Kardiopulmonale Neurobiologie“ am Institut für Anatomie und Zellbiologie der Justus-Liebig-Universität Gießen. Professor Dr. Burkhard Schütz leitet einen Projektbereich am Institut für Anatomie und Zellbiologie der Philipps-Universität Marburg. Neben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universitäten Gießen und Marburg beteiligten sich Arbeitsgruppen aus Bad Nauheim, Frankfurt und München an der Studie. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte das zugrundeliegende wissenschaftliche Projekt finanziell, das aus dem LOEWE-Schwerpunkt „Non-Neuronale Cholinerge Systeme“ hervorgegangen ist.
Quelle: idw/Philipps-Universität Marburg
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