Weltraum-Bärtierchen: Zäh über Generationen

Nutzung für biomedizinische Fragestellungen?
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Bärtierchen
Bärtierchen sind nicht nur äußerst robust, sondern vererben ihre Überlebenskünste auch weiter. Universität Stuttgart
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Tardigraden, besser bekannt als Bärtierchen, können bei tiefsten Minusgraden überleben und sind auch gegen starke Hitze und Strahlung gefeit. Wie sie mit den lebensfeindlichen Bedingungen des Weltalls klarkommen, untersuchen Wissenschaftler im Rahmen des Weltraumprojekt TARDIS.

Bärtierchen überdauern höchst unwirtliche Bedingungen meist in einem tönnchenförmigen Ruhestadium, in dem sie den Stoffwechsel einstellen und keine Zeichen des Lebens mehr nachweisbar sind. Sobald die Umweltbedingungen besser werden, kehren die Tiere binnen einer halben Stunde zum aktiven Leben zurück. Um die Mechanismen hinter den beachtenswerten Fähigkeiten dieser kleinen Tiere zu untersuchen, starteten die Bärtierchen des Zoologen Dr. Ralph O. Schill von der Universität Stuttgart im September 2007 im Rahmen der FOTON-M3-Mission von Baikonur (Kasachstan) aus mit einer Rakete für zehn Tage in den Weltraum. Das Projekt TARDIS (Tardigrades in Space Project) wurde zusammen mit Wissenschaftlern der schwedischen Kristianstad Universität, der Universität Stockholm und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) durchgeführt.

Der Satellit drehte sich mit dem Experiment in 270 Kilometern Höhe 189 Mal um die Erde, wobei die Bärtierchen im getrockneten Zustand, der so genannten Kryptobiose, direkt dem Vakuum und je nach Experiment verschiedenen Strahlungen ausgesetzt waren.

Vakuum ohne große Verluste überlebt

Das Vakuum steckten die Stuttgarter „Bären“ damals ohne bedeutsame Verluste weg. Die lebensfeindliche Gesamtstrahlung im Weltraum, die sich aus dem kompletten UV-Spektrum, ionisierender Strahlung und kosmischer Strahlung zusammensetzt, überlebten immerhin zwei Prozent. Und wenn die Bärtierchen im Vakuum nur der UV-A und UV-B Strahlung ausgesetzt waren, überlebte weit über die Hälfte aller Tiere das Weltraumabenteuer unbeschadet. Zurück auf der Erde und mit Wasser versorgt, gingen die meisten sofort der Nahrungsaufnahme nach und legten Eier.

Nachkommen der Weltraumtiere untersucht

Um diese Nachkommen der Weltraumtiere geht es in einer jetzt neu erschienen Arbeit. Dabei zeigte sich, dass auch mehrere Generationen später keine offensichtliche Schädigungen der Tiere, ein verändertes Verhalten oder zeitliche Veränderungen in der Entwicklung festgestellt werden konnten. Die Bärtierchen scheinen in der Lage zu sein, der „make or break“-Regel zu folgen. Diese besagt, dass die zellulären Schäden durch den Weltraumausflug entweder auf effiziente Weise repariert wurden und sich dann alle Nachkommen normal entwickeln können. Oder die Schäden sind tödlich, so dass erst gar keine Fortpflanzung mehr stattfinden kann. Schädigende Mutationen werden nicht weitervererbt.

Nutzung für biomedizinische Fragestellungen?

Die Wissenschaftler wollen diese Reparaturmechanismen nun weiter erforschen und besser verstehen. Eines Tages, so die Hoffnung, sollen sie auf biomedizinische Fragestellungen, etwa im Bereich von Biobanken, übertragen werden.

Ralph Schill erforscht das Leben der Moos- und Wasserbewohner schon seit fast 15 Jahren. Im Rahmen vieler nationaler und internationaler Forschungsprojekte beschäftigt er sich mit den dynamischen Prozessen, die den zähen Winzlingen das Überleben ermöglicht. „Von den im Lauf der Jahrmillionen optimal an ihren Lebensraum angepassten Bärtierchen und ihren Fähigkeiten können wir viel über die Natur des Lebens lernen“, so Schill, „und wir erwarten auch in Zukunft spannende Erkenntnisse darüber, wie die Tiere ihre Zellen und Zellbestandteile schützen und auch reparieren.“ (idw, red)

Literatur:

K. Ingemar Jönsson, Ralph O. SCHill, Elke Rabbow, Petra Rettberg und Mats Harms-Ringdahl (2016): The fate of the TARDIS offspring: no intergenerational effects of space exposure. Zoological Journal of the Linnean Society, Volume 178, Issue 4, 178: 924-930, DOI: 10.1111/zoj.12499

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