Wie verhält sich das Gehirngewebe mechanisch?

Die Falten unserer grauen Zellen
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Dr. Silvia Budday beschäftigt sich mit der Mechanik des menschlichen Gehirns. Benjamin Söhngen
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Voller tiefer Furchen – mit dem Gehirn assoziieren die Menschen seine charakteristische Form. Doch wieso liegen unsere grauen Zellen in Falten? Und was verraten diese Furchen?

An diesen Fragen forscht Dr. Silvia Budday, Lehrstuhl für Technische Mechanik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat sie in das Emmy Noether-Programm aufgenommen und stellt ihr im ersten Förderabschnitt rund eine Millionen Euro für eine Nachwuchsforschungsgruppe zur Gehirnmechanik zur Verfügung.

Faltung bereits im Mutterbauch

Wenn Kräfte von außen, beispielsweise durch einen festen Stoß auf den Kopf, auf unser Gehirn einwirken, kann es verletzt oder seine Struktur verändert werden. Doch die Gehirnstruktur verändert sich nicht nur durch äußere Einflüsse. Das menschliche Gehirn faltet sich bereits von selbst im Mutterbauch: Die äußere Gehirnschicht wächst schneller als die innere, von der sie gehalten wird. Durch die so entstehenden Spannungen legt sich die Gehirnmasse in Falten. Dr. Silvia Budday will diesen Falten, also der Mechanik, des menschlichen Gehirns auf den Grund gehen.

Weicher als Wackelpudding

Wie reagiert Gehirnmasse, wenn an ihr gezogen oder sie gedrückt wird? Um herauszufinden, wie sich das Gehirngewebe mechanisch verhält, testet Dr. Silvia Budday totes Gehirngewebe – entweder Gehirnspenden von der Anatomie oder Schweinegehirne vom Schlachter. Die Gehirne untersucht sie dann stückchenweise, indem sie die einzelnen Stückchen einspannt und verformt.

Dabei muss Silvia Budday extrem vorsichtig vorgehen, denn das Gehirngewebe ist sehr weich, komplex und es verhält sich je nach Belastungsmodus anders. „Gehirnmasse ist weicher als Wackelpudding. Das kann man sich nicht vorstellen, bis man es selbst in der Hand hält“, sagt Dr. Budday.

Wie sich Krankheiten „entfalten“

Buddays Ziel ist es, 3D-Computer-Modelle des Gehirns zu erstellen. Diese Modelle setzen sich aus kleinen Würfeln zusammen, die die verschiedenen Gehirnareale repräsentieren. Es ist dann möglich, die Mechanik einzelner Würfel, also einzelner Gehirnareale, zu betrachten. Mithilfe dieser Modelle wird es idealerweise möglich sein, beispielsweise Operationen zu simulieren. „Wir können am PC quasi in die Zukunft schauen“, erklärt Dr. Budday. Sie drücken Würfel ein – das passiert zum Beispiel, wenn ein Arzt das Gehirn während der OP halten muss – und sagen so Verformungen und Spannungen im Gewebe voraus. Dadurch finden sie bereits vor der OP heraus, was die Zellen in unserem Gehirn aushalten müssen.

Diagnose von Krankheiten

Auch bei der Diagnose von Krankheiten könnten Dr. Buddays Gehirnmodelle Anwendung finden. Durch einige Erkrankungen wie Epilepsie oder Schizophrenie verändern sich die mechanischen Eigenschaften des Gehirns. Wenn sich die Struktur ändert, nimmt das auch Einfluss auf die Funktion. Bei vielen Erkrankungen zeigen sich die Symptome jedoch erst, wenn es zu spät ist. Mithilfe der Modelle könnten sie früher erkannt werden.

MRT-Bilder oft ungenau

Prof. Dr. Ingmar Blümcke, Direktor am Institut für Neuropathologie der FAU, beschäftigt sich mit der Krankheit Epilepsie. Eine Form dieser Erkrankung entsteht beispielsweise durch eine Fehlfaltung im Gehirn. Betroffenen wird der fehlerhafte Teil entnommen. Die MRT-Bilder, die die Ärzte nutzen, um solche Fehlfaltungen zu lokalisieren, sind jedoch oft ungenau. Dr. Buddays Modelle könnten die Ärzte dabei unterstützen, die Teile leichter und gezielter zu identifizieren.

Nutzung des geballten Know-hows

Doch mit der Erforschung der Mechanik ist es nicht getan. Sie dient zur Unterstützung der Ärzte, die an den Ergebnissen anknüpfen und Methoden zur Heilung entwickeln. Die Zusammenarbeit mit Medizinern ist daher wichtig. „Ich habe mich unter anderem für die FAU entschieden, weil sie eine Volluniversität ist. Technische Fakultät, Naturwissenschaftliche Fakultät, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum – hier ist alles gebündelt“, sagt Silvia Budday.

Über die Wissenschaftlerin: Mit der Achterbahn zum Gehirn

Dr. Silvia Budday studierte Maschinenbau am Karlsruher Institut für Technologie. Maschinenbau – damit verbinden viele eher Metall und Maschinen, eben ganz was der Name verspricht. Wie kam die Ingenieurin Dr. Silvia Budday also zur Mechanik des Gehirns? Über Umwege: Ihre Bachelorarbeit hat sie bei einem Achterbahnkonstrukteur geschrieben. „Hinter Achterbahnen steckt ein spannendes mechanisches System“, erzählt Silvia Budday. Dafür musste sie sich auch damit beschäftigen, wie sich eine Achterbahnfahrt auf den Menschen auswirkt. Zwar sollen die Achterbahnfahrer gut durchgeschüttelt werden, sich verletzen sollen sie sich aber nicht. Deswegen müssen Konstrukteure genau berechnen, was bei der Fahrt geschieht und wie sich die Stöße auf den Körper auswirken. Auf diese Weise kam sie zum ersten Mal mit der menschlichen Mechanik in Kontakt. In ihrem Master hat sie sich dann zunehmend der Biomechanik gewidmet, also der Mechanik, die auf den Körper bezogen wird. Das brachte sie wiederum zur Gehirnmechanik.

Quelle: idw/Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

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