Wiederkehrende Hirntumoren: Lässt sich das Wachstum stoppen?

Projekt zur Kombinationstherapie gestartet
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Aus kleinsten Gewebeproben werden repräsentative, kugelförmige Minitumore (sogenannte Tumororganoide) hergestellt, an denen die Wirksamkeit verschiedener Medikamente individuell im Labor getestet werden kann. © Universitätsklinikum Heidelberg
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Können die zielgenaue Erhitzung über eine Lasersonde und Medikamententests an Minitumoren dazu beitragen, Glioblastome am Wachsen zu hindern? Das untersuchen Forschende aus Heidelberg.

Glioblastome sind höchst aggressive Hirntumoren, die trotz intensiver Therapie nach wenigen Monaten nachwachsen. Um die Überlebenszeit von Patienten mit einem solchen Rezidiv zu verlängern, prüfen Medizinerinnen, Mediziner und Forschende der Neurochirurgischen Klinik am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) nun im Rahmen einer klinischen Studie ein neuartiges Therapiekonzept: Der Erhitzung des Tumors mittels einer minimal-invasiv eingebrachten Lasersonde folgen personalisierte Medikamententests an Miniversionen des Patiententumors. An diesen sogenannten Tumororganoiden können mehrere Medikamente gleichzeitig getestet und die wirksamsten identifiziert werden. 

Minitumoren herstellen

Das Team um die Projektleiter Privatdozent Dr. Martin Jakobs und Prof.  Dr. Christel Herold-Mende entwickelte dazu eigens ein Verfahren, um die Minitumoren aus den geringen Gewebemengen, die im Rahmen der Laserbehandlung entnommen werden, herzustellen. Die Dietmar Hopp Stiftung fördert die nun gestartete Behandlungsstudie, in die bis zu 30 Patientinnen und Patienten eingeschlossen werden sollen, sowie die Medikamententests an den patientenindividuellen Tumororganoiden vier Jahre lang mit insgesamt 1,8 Millionen Euro.

Zwei innovative Verfahren kombiniert

„Die Prognose für Patientinnen und Patienten mit Glioblastom ist trotz stetig weiterentwickelter Therapiestrategien nach wie vor sehr schlecht: Sie überleben nach der Diagnose im Durchschnitt weniger als zwei Jahre. Einer der Gründe ist, dass es bei erneut herangewachsenem Tumor derzeit keine etablierten Behandlungsverfahren gibt“, erläutert Prof. Dr. Andreas Unterberg, Ärztlicher Direktor der Neurochirurgischen Klinik am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD). „Dank der Dietmar Hopp Stiftung können wir nun ein neues Therapiekonzept, das zwei innovative Verfahren kombiniert, am UKHD etablieren und im Rahmen einer Studie den ersten Patienten zugänglich machen.“ Von den Ergebnissen der Medikamententests an den Minitumoren profitieren die teilnehmenden Patienten aber zunächst nur dann, wenn mit den identifizierten Wirkstoffen bereits Therapiestudien angeboten werden.

Schonende Alternative zur wiederholten OP

An der Neurochirurgischen Klinik – in enger Kooperation mit der Abteilung Neurologie und Poliklinik, der Abteilung Neuroradiologie und der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie am UKHD sowie dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg – werden jährlich rund 500 Patientinnen und Patienten mit Glioblastom behandelt. Selbst mit Hightech-Operationsverfahren kann der netzartig ins Gehirn einwachsende Tumor nicht vollständig entfernt werden und kehrt trotz kombinierter Strahlen- und Chemotherapie innerhalb eines Jahres zurück. Eine erneute Entfernung des Tumors ist nicht bei jedem Patienten möglich.

Die nun startende Heidelberger Studie prüft die Wirksamkeit einer schonenderen Alternative zur wiederholten OP, der sogenannten minimalinvasiven laserinduzierten Thermaltherapie (LITT): Dabei bringen Neurochirurgen einen Laserkatheter durch ein wenige Millimeter kleines Bohrloch in der Schädeldecke zielgenau in den Tumor ein. 

Echtzeitkontrolle im MRT

Im Magnetresonanztomographen (MRT), der am UKHD in den neurochirurgischen Operationssaal integriert ist, werden Position der Sonde und Wärmeabgabe in Echtzeit kontrolliert. Durch das Laserlicht wird das Tumorgewebe um den Katheter herum erhitzt und zerstört. „Diese Methode gilt als risikoarm und eignet sich vor allem für Patientinnen und Patienten mit inoperablem Tumor“, erläutert Jakobs. Das noch relativ neue LITT-Verfahren kommt im Rahmen der Studie erstmals am UKHD zum Einsatz.

Individuell passende Wirkstoffe?

Das LITT-Verfahren bietet noch einen weiteren Vorteil: Die kurzzeitige Erhitzung des Gewebes über eine Temperatur von 43 Grad Celsius hinaus macht die Blut-Hirn-Schranke rund vier Wochen lang durchlässiger. Diese schützt das Gehirn zwar vor Krankheitserregern und Giftstoffen, erschwert aber auch den Übertritt von Medikamenten. „Die LITT eröffnet uns ein Zeitfenster, in dem wir mit passend ausgewählten Medikamenten die verbliebenen Tumorzellen maximal schädigen können“, hofft der Neurochirurg. An dieser Stelle kommen die Tumororganoide ins Spiel: Sie werden aus den bei der Laserbehandlung entnommenen Tumor-, Immun- und Stützgewebszellen des ursprünglichen Tumors zusammengesetzt und bilden daher dessen individuelle Eigenschaften ab. An diesen Miniversionen des Patiententumors können verschiedene Medikamente auf ihre Wirksamkeit beim jeweiligen Patienten getestet werden.

Pionierarbeit geleistet

Derzeit gibt es noch keine einheitlichen Standards zur Herstellung der Minitumoren. Das Team der Sektion Neurochirurgische Forschung unter Leitung von Prof. Dr. Christel Herold-Mende hat darin Pionierarbeit geleistet. Den Forschenden ist es gelungen, die Gewebeprobe hocheffizient in Einzelzellen aufzulösen und in einer definierten Zellzahl zu Tumororganoiden zusammenzuführen. Der komplette Prozess der Tumororganoid-Herstellung und Medikamententestung dauert rund sieben Tage. Die Ergebnisse der Medikamententests stehen daher rechtzeitig für die Therapieplanung während der durchlässigen Blut-Hirn-Schranke zur Verfügung.

Quelle: UKHD

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