Xylol

Wie gut kennen Sie den Stammgast im histologischen Labor?
Sabrina Rader
Xylol im Labor
Abb. 1: Schrankkonstruktion mit Abzug um Entwässerungsautomaten | Abb. 2: TA beim Umfüllen von Xylol mit filtrierender Halbmaske | Abb. 3: Filter nach drei Monaten | Abb. 4: Neuer Filter (typische Lilafarbe des Kaliumpermanganats) Für alle: © Sabrina Rader
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Einer der täglichen Routineprozesse in einem histologischen Labor ist unter anderem die Entwässerung von Gewebe mittels Xylol, einer klaren Flüssigkeit mit auffälligem Geruch, die neben Formalin aus der Pathologie nicht wegzudenken ist.

Haben Sie auch schon mal ein Xylol-Biomonitoring durchführen lassen? Falls Sie zu den TAs gehören, die schon einige Berufsjahre neben Mikrotomen, Zuschneideplätzen und Färbereihen hinter sich gebracht haben und dennoch zum ersten Mal davon hören, geht es Ihnen wie mir Anfang des Jahres 2016.

Xylol-Biomonitoring ist der Nachweis von Xylol beziehungsweise dessen Abbauprodukt im Blut und/oder im Urin. Der Referenzbereich liegt bei < 1,4 µg/L Blut (was natürlich den Normalsterblichen betrifft und gewiss nicht die TA, die fünf Tage in der Woche im Labor steht), und Sie können sich vielleicht vorstellen, dass meine Werte außerhalb des Referenzbereiches lagen (mein erstes Ergebnis lag bei knapp 50 µg/L Blut). Der BAT (= biologischer Arbeitsstoff Toleranzwert, Grenzwert für die Konzentration eines Stoffes, seines Metaboliten oder eines Beanspruchungsindikators im biologischen Material eines Beschäftigten, heute sogenannter biologischer Grenzwert, BGW) liegt bei 1.500 µg/L Blut, also bei einem Wert von 50 µg/L Blut. Kein Grund zur Panik, oder?

Es kam dennoch etwas Unsicherheit aufgrund von Unwissenheit sowie fehlender Aufklärung und Fachwissen in mir auf. Fragen wie „Kann ich meinen Job weiter ausüben?“ über „Wie baut mein Körper eigentlich Xylol ab?“ bis hin zu „Wie senke ich meine Werte, wie optimiere ich das Labor?“ standen im Raum und gab es zu klären.

Meine bis heute in Erfahrung gebrachten Kenntnisse aus diversen Recherchen in Fachliteratur und Internetseiten sowie Gesprächen mit verschiedenen Ärzten (Toxikologen, Arbeitsmediziner, Pathologen, Transfusionsmediziner bis hin zu meinem Hausarzt) und TAs stelle ich Ihnen hier zur Verfügung, und hoffe damit etwas Aufklärung beziehungsweise Raum für Diskussion und Erfahrungsaustausch zu schaffen.

Man könnte zunächst auf die Idee kommen, auf Xylolersatz umzustellen. Davon ist aber abzuraten, und ich würde Sie bitten, die Sicherheitsdatenblätter (SDB) gründlich durchzulesen. Sind diese Ersatzstoffe wirklich weniger gesundheitsschädlich, und können wir deren Stoffe beispielsweise mithilfe des Xylol-Biomonitoring kontrollieren? Es gibt die Möglichkeit, Lösungsmittelanalysen auch für Toluol und Benzol durchzuführen, die allerdings ähnlich gesundheitsschädlich sind. Benzol ist sogar noch um einiges gefährlicher als Xylol.

Heute, ein Jahr später, liegen meine Werte bei 22 µg/L Blut. Die Möglichkeit, den Wert von knapp 50 µg/L Blut um etwa die Hälfte zu senken, schreibe ich folgenden Veränderungen zu:

  • In den Laborräumen den AGW (= Arbeitsplatzgrenzwert entspricht 440 mg/m3 beziehungsweise 100 ml/m3) messen lassen. Der AGW ersetzt den früheren MAK-Wert (= maximale Arbeitsplatzkonzentration, gibt die maximal zulässige Konzentration eines Stoffes als Gas, Dampf oder Schwebestoff in der [Atem-]Luft am Arbeitsplatz an, bei der kein Gesundheitsschaden zu erwarten ist, auch wenn man der Konzentration in der Regel acht Stunden täglich, maximal 40 [42] Stunden in der Woche ausgesetzt ist).
  • Abluft und Zuluft regeln, das geschieht über eine Abluftanlage, die nach außen führt. Wenn dies nicht möglich ist, benötigt man Kaliumpermanganatfilter, die in regelmäßigen Abständen ausgewechselt werden müssen (Abb. 3 und 4). Wir haben bei uns extra Schränke um die Entwässerungsautomaten bauen lassen (Abb. 1), welche auch an ein Abzugsystem angeschlossen sind. Bei den Arbeitsprozessen, bei denen die TA 5L oder mehr an Xylol umschütten muss und sich Aerosole bilden, gibt es spezielle Atemschutzmasken, die zu tragen sind (filtrierende Halbmasken EN 149: 2001 +A1: 2009, 4233 FFP2) (Abb. 2).
  • Umstellung von Latex auf Nitrilhandschuhe, da diese eine höhere Xylolbeständigkeit aufweisen.
  • Persönlich ist auf separate Arbeitskleidung zu achten, darauf dass die private Kleidung von der Laborkleidung getrennt aufbewahrt und gewaschen wird und dass im Labor weder gegessen noch getrunken wird (auch das Kaugummikauen fällt darunter). Eine konsequente Umstellung der persönlichen Lebensweise ist zwar nicht einfach, allerdings einen Versuch wert. Ich persönlich habe das Rauchen eingeschränkt, achte mehr auf meine Ernährung und treibe mehr Sport. ###more###

Das Xylol-Biomonitoring wurde 2016 mehrmals an verschiedenen TAs durchgeführt. Um einen Vergleich zu haben, ließ ich mich privat von einem anderen Arbeitsmediziner testen, der außerdem in einem anderen Labor die Analyse durchführen lässt. Hiermit möchte ich besondere Aufmerksamkeit auf die Präanalytik lenken. In einem Telefonat mit Dr. med. Köster (Facharzt für Laboratoriums-, Umweltmedizin, Medizinisches Labor Bremen, mlhb) wurde betont, dass die Präanalytik der Lösungsmittelanalyse das „A und O“ sei. Dr. Köster erläuterte mir sowohl die Vorgehensweise als auch den Grund dafür:

Zunächst ist es wichtig zu wissen, dass die Einstichstelle nicht mit alkoholhaltigem Desinfektionsmittel gereinigt werden darf, da dies das Ergebnis verfälscht (aufgrund der Verbindung von Xylol und Alkohol). Weiterhin ist bei der Entnahme sowie bei dem Transport darauf zu achten, dass spezielle Röhrchen benötigt werden, sogenannte Rollrandröhrchen, die aus Glas sind und als Durchstechampullen zu bedienen sind. Es dürfen keine Kunststoffröhrchen benutzt werden, da Kunststoff Xylol absorbiert. Sie benötigen zwei Rollrandröhrchen, die beide mit mindestens 2 ml Blut befüllt werden. Die Blutentnahme wird nach Beendigung der Schicht durchgeführt (nicht während der Schicht, bei einem Test zeigten sich deutliche Unterschiede im Ergebnis). Die Nachweisgrenze liegt bei 1 µg/L Blut.

Xylol findet man nicht nur in der Pathologie, sondern vor allem in Lacken, Farben, Klebstoff, Kfz-Benzin und Pestiziden. Es wirkt neurotoxisch und wird über die Haut sowie über die Atemwege aufgenommen. In der Fachliteratur und im Internet findet man unterschiedliche Äußerungen zur kanzerogenen Wirkung von Xylol. Da besteht noch Klärungsbedarf, da eine fruchtschädigende Wirkung ebenfalls nicht auszuschließen ist. Es gibt jedoch einen Unterschied zwischen akuter und chronischer Intoxikation und deren Organismusschädigung.

Nach „Daunderer – Handbuch der Umweltgifte“, Ausgabe 6/2006, ist Xylol nur der kommerzielle Name und ein technisches Produkt, das aus verschiedenen Isomeren (es gibt drei verschiedene Xylol-Isomere) und einem Teil Ethylbenzol besteht. Folglich ist Xylol als Lösungsmittelmischung mit Benzol „verunreinigt“. Dies macht Xylol gefährlicher, und es erfordert mehr Aufklärung. In Anwesenheit von Ethanol wird der Abbau zur Methylhippursäure (nachgewiesen im Urin) um 50 Prozent herabgesetzt, was zur Folge hat, dass der Blutgehalt von Xylol um das 1,5- bis 2,0-fache ansteigt. Xylol zählt zu den aromatischen Kohlenwasserstoffen, die eine besonders ausgeprägte fettlösende Eigenschaft besitzen und somit leicht die lipoiden Membranen der Alveolarzellen passieren und schnell in den Blutkreislauf gelangen. Xylol wird sowohl in der Leber und Niere als auch in der Lunge metabolisiert. Hier stellt sich nun die Frage, ob das zusätzliche Messen der Leber- und Nierenwerte Sinn ergibt. Kann man davon ausgehen, dass, solange diese in der Norm liegen, der Organismus nicht geschädigt wird? In der Fachliteratur heißt es, dass der Körper nach ungefähr fünf Tagen Xylol abgebaut hat (wenn denn kein Kontakt mehr mit Xylol besteht).

Ich hoffe durch meinen Bericht mehr Aufmerksamkeit auf Xylol lenken zu können. Denn auch wenn ein gewisses Berufsrisiko bestehen bleiben wird, hoffe ich auf mehr Aufklärung, was Xylol betrifft. Ganz besonders auf die Langzeitstudien in Bezug auf die chronische Intoxikation, wie wir sie in der Pathologie erleben. Bedenkt man, wie lange Formalin schon in der Patho benutzt wird und neueste Forschungen dazu führten, dass im Jahr 2015 die Gefahrstoffklassen sogar geändert wurden, lohnt es sich, doch dies auch für Xylol zu tun.

Literatur

1.     http://www.toxcenter.org/klin-tox/allg/loesemittel-allg.pdf.
2.     www.haufe.de/arbeitsschutz/arbeitsschutz-office/xylol_idesk_PI957_HI870203.html.
3.     http://www.umweltanalytik.com/lexikon/ing33.htm.
4.     Marquardt H, Schäfer S, Barth H: Toxikologie. 3rd edition. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2014.
5.     Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): Begründung zu Formaldehyd in der TRGS 900. Ausgabe: Februar 2015: www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/TRGS/TRGS.html.
6.     MAK-Kollektion, Begründung der MAK und BAT Werte, Deutsche Forschungsgemeinschaft. Grenzwerte im biologischen Material: Xylol.

Zur Person

Sabrina Rader ist 34 Jahre alt und hat eine Ausbildung zur Arzthelferin absolviert, im Anschluss daran, an der Fachschule nach drei Jahren, das Examen als MTA bestanden und ist seit 2004 in der Pathologie tätig. Berufsbegleitend hat sie das Abitur nachgeholt sowie den Aufbau eines histologischen Labors koordiniert. Auf der Histologica hält Frau Rader am 10. Juni 2017 einen Vortrag zum Thema „Xylol – hilft uns Biomonitoring weiter?“

Wir würden uns freuen, wenn Sie uns Ihre Erfahrungen zum Thema mitteilen (redaktion@mta-dialog.de).

Entnommen aus MTA Dialog 3/2017

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