9. Nationales Biobankensymposium

Biobanking nicht nur im Kontext der Corona-Pandemie
Mirjam Bauer
9. Nationales Biobankensymposium
© Biobank Dresden
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Zum ersten Mal seit seinem Bestehen wurde das Biobankensymposium im Dezember 2020 komplett digital – anstatt vor Ort in Berlin – ausgerichtet. Über drei Tage und zu verschiedenen Zeiten fand das abwechslungsreiche Programm mit rund 300 Teilnehmern statt, erstmals auch mit einer Session für technische Mitarbeiter.

Im Fokus des Kongresses stand dabei, wie Biobanken zur Eindämmung der SARS-CoV-2-Pandemie beitragen. Weitere Schwerpunkte nahmen die Themen Ethik, Datenschutz, IT und Qualitätssicherung ein. Gemeinsame Veranstalter waren die Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF e.V.) und der German Biobank Node (GBN). Biobanken sammeln, verarbeiten und lagern Proben von COVID-19-Patientinnen und -Patienten – seit Beginn der Pandemie. Dabei handelt es sich um Abstriche, Blut (Serum und Plasma), Urin, isolierte Zellen und Gewebe. Inklusive der zugehörigen Daten stellen Biobanken diese Materialien für die biomedizinische Forschung zur Verfügung. Die grundlegende Arbeit dafür bildet das Fundament des Nationalen Pandemie Kohorten Netzes (NAPKON). Das Netz ist ein von der Bundesregierung gefördertes Projekt zur Erforschung der Pandemie und zur optimalen Versorgung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten.

NAPKON und NUM

Jörg J. Vehreschild, Universitätsklinik Köln, stellte vor, wie NAPKON ein Netzwerk aus Infrastrukturen und Kohortenplattformen zur Bekämpfung von Pandemien aufbaut. Das neue Netz gehört zum Netzwerk Universitätsmedizin (NUM). Letzteres, so Ralf Heyder, Charité Berlin, bündelt die Kräfte der Universitätsmedizin und weiterer Akteure. Ziel sei es, nachhaltige Strukturen zu etablieren, die auch für die Bewältigung künftiger Krisen hinaus gelten. Das Zwischenfazit nach sieben Monaten fiel gut aus: mit einem hohen Maß an Interdisziplinarität, einer hohen Umsetzungsgeschwindigkeit und leistungsfähigen Infrastrukturen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor dabei war die enge Anbindung an Dekane und Universitätsvorstände. Alle 36 Universitätsklinika arbeiteten kooperativ zusammen. Eine enge Verbindung von Patientenversorgung, Pandemie- und Krisenmanagement sowie Forschung ist, insbesondere in der aktuellen Zeit, wichtig für eine schnelle Translation.

Am NAPKON-Netzwerk arbeiten seit März 2020 sieben AGs zusammen, um wesentliche Grundlagen für die Bekämpfung von Pandemien zu schaffen. Unterstützt durch die Qualitätsmanagementexpertise des GBN und durch den Einsatz der beteiligten Biobanken sorgt NAPKON für eine übergreifende, harmonisierte Sammlung und Nutzung der Bioproben und Daten. Anhand geeigneter Kohorten können Forschende so Langzeitfolgen infolge einer COVID-19-Erkrankung systematisch analysieren. Dies gelingt mit gemeinsamen Strukturen wie Governance, Datensätzen, Visitenschema et cetera. So gilt der von allen genutzte Minimaldatensatz Gecco unter der Bezeichnung Geccoplus als Schnittmenge der Kohorten, erklärte Vehreschild. Neben der internen Arbeit spielt die externe Kommunikation eine weitere wichtige Rolle. NAPKON ist über eine Webseite plus Blog erreichbar, im Bereich „Soziale Medien“ ergänzt ein Twitteraccount.

„Die Pandemie zeigt deutlich, welch eng verzahntes und schnell reaktionsfähiges Biobankennetzwerk entstanden ist, das der Coronaforschung exzellente Voraussetzungen bietet“, kommentierte Prof. Dr. Michael Hummel, Leiter des German Biobank Node (GBN). Zu Beginn waren lediglich zwei Studien an der Charité geplant, parallel dazu gab es einige COVID-19-Studien beim GBN. Nach den ersten Gesprächen zur Harmonisierung erfolgte dann zügig die Umsetzung zur erfolgreichen Zusammenarbeit. Zum Zeitpunkt der Veranstaltung am 8. Dezember waren bereits die ersten 50 NAPKON-Proben gesammelt. Da die Sammlung im November begann, wird die Probenmenge in kurzer Zeit sicher stark zunehmen.

Einen aktuellen Status zur Integration und Nutzung der DZHK-Forschungsplattform für das Biobanking in NAPKON lieferte Prof. Dr. Matthias Nauck, Universitätsmedizin Greifswald. Die klinische Datenplattform des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung e.V. wurde von NUM ausgewählt, damit NAPKON zeitnah eine nutzbare zentrale Forschungsinfrastruktur als Übergangslösung nutzen kann. Die seit 2013 entwickelte Plattform ist am Bedarf von Wissenschaftlern orientiert und bietet eine Lösung mit nachgewiesener Leistungsfähigkeit für die Anforderungskategorien von NAPKON.

Sessions für technische Mitarbeiter/-innen

Die Session für technische Mitarbeiter (TA) drehte sich um die Validierung von Biobankprozessen, zum einen in der Theorie, zum anderen über Best-Practice-Beispiele. In die Thematik Qualitätsmanagement und Validierung führten Bettina Meinung, Universitätsklinikum Jena, und Christiane Hartfeldt, German Biobank Node, ein. Die neue Norm für Biobanken, DIN EN ISO 20387:2020, erfordert unter anderem eine Verifizierung, Validierung und Qualifizierung. Bei der am Anfang stehenden Verifizierung geht es um die Realisierung: Entsprechen die Prozesse und Produkte den vorgegebenen Spezifikationen? Die Verifizierung ist also ein Prüfungsverfahren mit objektiven Mitteln, das prüft, ob spezifizierte Produkteigenschaften erfüllt sind.

Die anschließende Validierung dreht sich um die Funktionalität – dabei stellt die Qualifizierung einen Teilbereich der Validierung dar. Validiert ist etwas, wenn die Bestätigung durch einen objektiven Nachweis erbracht ist, dass die Anforderungen für bestimmte Anwendungen (Prozesse, Verfahren, Methoden) erfüllt sind. Die Qualifizierung beinhaltet die Installation von Räumlichkeiten, Systemen und Ausrüstungsgegenständen.

Vorrangig sind in der Validierung Verfahren für kritische Tätigkeiten heranzuziehen, also eine risikobasierte Abwägung für die schwierigen Prozesse. Wesentliche Schritte beinhalten die Beschreibung des Verfahrens, die Definition der Anforderungen und Leistungskenndaten, die Ermittlung und die Dokumentation. Auch der Zeitraum für die Gültigkeit ist festzulegen.

„Erforderlich sind diese Prozesse, weil eine hohe Probenqualität zu Vertrauen der Nutzer führt und zudem die Nachhaltigkeit einer Biobank verstärkt“, erklärte Dr. Ronny Baber, Universitätsklinikum Leipzig. „Und weil die Verifizierung keine Fehler in der Spezifikation entdeckt, brauchen wir die Validierung“, ergänzte Dr. Michael Neumann, Universitätsklinikum Würzburg, in der Session Software-Validierung. Die Validierung kann man also als eine Art Feldversuch sehen, der kontrolliert, ob das Produkt in der Anwendung wirklich das leistet, was der Kunde erwartet.

Nanodrop

Dr. Baber stellte anhand des Geräts „Nanodrop“ dar, wie die Leipziger Biobank die neuen Anforderungen umgesetzt hat: Regelmäßige Wartungen und Kalibrierungen des Spektrophotometers waren nicht vorgesehen. Gemeinsam mit dem Hersteller führten die Verantwortlichen Qualitätskontrollen ein, kümmerten sich um die Stabilität der DNA vor der Messung, der Intra- und Interassay-Variabilität sowie der interpersonellen Variation. Daneben widmeten sie sich der Linearität, der Präzision und Richtigkeit, dem Einfluss der Blankmessung, der Vergleichsmessung und der Einfrier-Auftau-Zyklen. „Biobanken müssen sich Gedanken machen, welche Prozesse wichtig sind. Das unterscheidet uns von den x-beliebigen Probensammlern. Nur wir kennen unsere Prozesse“, betonte Dr. Baber. Deshalb erfolgt die Risikobewertung auch immer im Team.

Robotiksystem für die Isolation von Zellen aus Blut und Knochenmark

Dr. Heidi Altmann, Biobank Dresden am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Medizinische Fakultät/Technische Universität Dresden, Deutsches Krebsforschungszentrum/NCT Dresden, referierte über ein vollautomatisiertes Robotiksystem zur Isolation mononukleärer Zellen (MNCs: Lymphozyten und Monozyten) aus Blut und Knochenmark.

Die Isolation von MNCs stellt eine zentrale Methode zur Beantwortung immunologischer und hämatologischer Fragen in multiplen Bereichen der experimentellen und klinischen biomedizinischen Forschung dar und ist daher relevant für das Biobanking. Traditionell erfolgt die Isolation von MNCs weitestgehend manuell und bringt neben der Heterogenität der Aufarbeitung auch einen hohen Zeit- und Personalaufwand mit sich, was den Durchsatz limitiert. Vor diesem Hintergrund wurde zusammen mit der Firma Hamilton ein komplexes Robotiksystem entwickelt, das den manuellen Isolationsprozess ersetzen soll. Das Validierungskonzept orientiert sich an den Vorgaben der ISO 20387 und umfasst drei Teilprozesse: die Aufarbeitung von Blut, die Aufarbeitung von Knochenmark und die IT-Validierung. Im Folgenden wurden die Daten der Validierung von Blut präsentiert. Verglichen wurde die manuelle Bearbeitung durch die TA parallel zum Robotiksystem. Anschließend wurden die isolierten MNCs untersucht. Das Analysespektrum umfasste dabei eine vollautomatisierte Zellzählung mittels der Sysmex-Technologie und der Multiparameter-Durchflusszytometrie. Am Ende war die absolute Anzahl an MNCs mittels Robotikisolation im Vergleich zur manuellen Aufarbeitung höher und die Aufreinigung standardisierter (= geringere Schwankung zwischen den Messungen). Zusätzlich wurden keine Zellsubgruppen (B-Zellen, dendritische Zellen, T-Zellen et cetera) an- oder abgereichert. Die Aufarbeitungsdauer unterschied sich zwischen beiden Methoden kaum und dauerte für zwölf Proben im Mittel 3,5 Stunden.

Ausstehend ist noch die Validierung von Knochenmark und die IT-Validierung inklusive des nachgelagerten Einfrier- und Lagerungsprozesses.

Weitere Informationen

Sowohl die TMF als auch der GBN halten Formulare, Konzepte und Verfahrensanweisungen für die Validation nach ISO 20387 bereit. Sie werden über das Biobanknetzwerk geteilt. So bietet die neue ILIAS-Plattform ein sinnvolles Forum zur Vernetzung der TA, seit dem 15. Dezember 2020 können sich Interessierte über germanbiobanknode@charite.de registrieren. Auch Webinare zu Konzepten sind in Planung. Ein künftiges Thema wird die Validierung von Temperaturüberwachungssystemen sein. Das Universitätsklinikum Leipzig hat damit schon begonnen.

Dem Thema Ethik und Datenschutz widmeten sich ebenfalls einige Vorträge. Ein spannendes Ergebnis zeigte eine Studie in Greifswald: Viele Befragten nahmen nach der Aufklärung in der Patientenaufnahme spontan und freiwillig an den Umfragen zum Broad Consent teil. Obwohl die Ethikkommission sehr hohe Ansprüche an die Erhebung von Forschungsdaten und Einwilligungen stellt, haben diese sich nicht ausschließlich bestätigt. Die Kommission hielt einen eigenen Raum für die Befragung für notwendig, allerdings hatten die Befragten keine Einwände, in den Räumlichkeiten der Patientenaufnahme zu bleiben. Ein eigener Raum war sogar schlechter frequentiert, weil die Menschen auf dem Weg dahin teilweise „verloren“ gingen, auch wenn sie der Befragung vorher zugestimmt hatten.

Insgesamt steht das Biobanking in Deutschland im internationalen Vergleich an einer sehr guten Position, fasste Peter Holub vom BBMRI-ERIC zusammen. Der im Jahr 2019 gestartete Sample Locator und der Negotiator, ein gemeinsames IT-Netzwerk der Biobanken, werden gut angenommen und stets weiterentwickelt.

Auch der GBN entwickelt sich weiter: Seit der Gründung im Jahr 2017 entstand unter seiner Schirmherrschaft ein leistungsfähiger Verbund aus 20 akademischen Partner-Biobanken: die German Biobank Alliance (GBA). Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) wird die Arbeiten des GBN für weitere drei Jahre fördern. Ab 2024 wird der German Biobank Node im Berlin Institute of Health (BIH) verstetigt.

Entnommen aus MTA Dialog 2/2021

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