Die Kernthemen der Messe spiegelten die zentralen Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung im Gesundheitswesen wider: künstliche Intelligenz (KI), elektronische Patientenakte (ePA), Interoperabilität, Gesundheitsdatennutzung und Datensicherheit.
Pre-Events am Montag
Seit einigen Jahren finden bereits am Montag vor der DMEA zahlreiche Vor-Events statt, firmenintern, öffentlich oder für geladene Experten. So gab es in diesem Jahr neben dem klassischen GMDS-Satellitensymposium mit Workshops etwa den Future-Health-Day der T-Healthcare Solutions (Telekom), den Recare-Summit und den European RWD Summit (by Honic); alle boten ein spannendes Programm und vielfältige Inhalte, viele mit einem Fokus auf KI und Gesetzgebung. Dass der Fachkräftemangel nicht nur das Gesundheitssystem in den kommenden Jahren vor große Herausforderungen stellt, ist allen bekannt, doch tragbare Lösungen fehlen. Digitalisierung und vermehrte Datennutzung sollen hier helfen. Dazu gehören die E-Anwendungen wie das bereits etablierte eRezept und die eAU, doch ebenso die noch in der Umsetzung befindliche ePA (elektronische Patientenakte) und ganz wichtig: die grenzüberschreitende medizinische Forschung in Europa mit einem sicheren Datenaustausch gemäß EHDS (European Health Data Space) – damit wir nicht nur in Deutschland versorgt werden können. Vernetzte Versorgung heißt das Zauberwort, das es zu erreichen gilt, und hier können wir von unseren Nachbarn – insbesondere den nordischen Ländern – noch viel lernen. So konnte man sich unter anderem auf Pavillons der „Nordics“ oder der Niederländer über deren Umsetzungen informieren. Sie setzen seit vielen Jahren auf elektronische IDs, digitale Patientenakten oder Biobanking. Ex-Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach sprach bei seinem Messerundgang unter anderem mit Verantwortlichen des Nordics-Gemeinschaftsstandes.
Messe und Ausstellung
In den Messehallen fand man neben den klassischen Anbietern von Krankenhausinformationssystemen auch Radiologie- und Laborsoftware (etwa Sectra, Visus, Dorner, Lablions, Medavis, Philips, CGM, Daedalus, GE, Siemens Healthineers et cetera) aus Deutschland, Europa und mittlerweile auch den USA – beispielsweise Epic. Erste Kliniken in der Schweiz nutzen dieses System bereits, mit begeisterten Patientinnen und Patienten, die sich „mitgenommen fühlen, wenn sie ihre Patientenreise aktiv verfolgen können“, so Prof. Dr. Martin Fiedler, Ärztlicher Direktor Inselspital Bern. Angeboten wurden zudem vermehrt Telecare-Lösungen, digitale Pathologiesysteme oder auch Hygiene-ManagementLösungen. Digitale Pathologiesysteme halten zahlreiche Anbieter vor, sie werden meist aus der Laborsoftware heraus aufgerufen. Für die Labor-Technologinnen und -Technologen sind die variablen Möglichkeiten mit den Arbeitslisten spannend, zudem werden die Integration und die Kommunikation mit der Pathologie enger sowie die Qualitätskontrolle verbessert. Häufig arbeiten Mitarbeitende heute noch hybrid, doch die Vorteile des digitalen Arbeitens (besseres Teilen, frühzeitige Information …) werden sich in Zukunft sicher durchsetzen.
Die Resonanz der Aussteller war durchweg sehr positiv. Viele vorab gebuchte Termine und einige spontan entschlossene Besucher trugen zu den bestens gefüllten Messehallen bei. Sogar Glückskeksbotschaften vermittelten sinnvolle Gedanken: „In der Welt der medizinischen Innovationen ist eine fundierte Datengrundlage der Schlüssel, der Türen öffnet“ oder „Entfache das FHIR für interoperable Daten in dir“ zeigten, wohin die Reise geht. Das haben mittlerweile auch die Behörden verstanden, und so informierten sowohl das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als auch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und die gematik über ihre Strategien und Produkte.
Start und Umsetzung der ePA
Der zur DMEA noch geschäftsführende Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach erläuterte in seiner Keynote unter anderem den auch aus Sicherheitsgründen verschobenen bundesweiten Start der ePA. Er hält die digitale Akte, die in den Modellregionen wöchentlich etwa 290.000 Menschen zur Verfügung gestellt wird, für ein wichtiges, Gesundheitskompetenz förderndes Element, das allen Patientinnen und Patienten zugutekommt. Bisher haben nur rund fünf Prozent der Einführung widersprochen. Zudem sei die ePA das größte jemals durchgeführte Digitalisierungsprojekt Deutschlands, keine Branche habe bisher Ähnliches erreicht. Ferner nannte er drängende Herausforderungen wie den Klimawandel, die Demografie sowie die mangelnde Geschwindigkeit der Digitalisierung und er besuchte einige Messestände. Vielleicht zufällig wurde gleichzeitig am Mittwoch, dem zweiten Messetag, der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung abgeschlossen. Über die künftige Gesundheitsministerin/den künftigen Gesundheitsminister wurde spekuliert, sie oder er sollte aus den Reihen der CDU kommen (es wurde Nina Warken).
Wie eine aktuelle Befragung der Stiftung Gesundheit nach dem Start der ePA-Testphase in rund 230 Praxen aus Hamburg, Franken und Teilen von Nordrhein-Westfalen zeigt, sind die Ärzte noch alles andere als überzeugt. So berichteten 71,8 Prozent der teilnehmenden Ärzte, dass die Arbeit mit der ePA bislang schlechter als erwartet funktioniert habe. 12,8 Prozent sehen sich in ihren Erwartungen bestätigt, und 15,4 Prozent wurden positiv überrascht (Quelle: https://archiv.stiftung-gesundheit.de/studien/im-fokus/epa-testphase/).

Trendthema KI
Viele KI-Sessions in mehreren Formaten, um den mehr als 70 Einreichungen gerecht zu werden, zeigten ein vielfältiges Bild auf die Zukunft der Medizin. Die Erkenntnisse ihrer Forschungsarbeit aus der RWTH Aachen zur KI stellten Florian Jovy-Klein und Thomas Reibel vor: Frühzeitige Förderung digitaler Kompetenzen ist entscheidend, systematische Risikobewertung und Gouvernance-Strukturen sind unerlässlich, die KI-Readiness ist ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess. Dabei müssen die technische und organisatorische Transformation Hand in Hand gehen, gutes Management und realistische Zeitplanung sind erfolgskritisch, auch aufgrund neuer regulatorischer Anforderungen. Der Qualifizierungsbedarf für klinisches Personal beinhaltet Datenkompetenz, digitale Gesundheitskompetenz, Präsenz in digitalen Räumen, Interdisziplinarität und -professionalität sowie weitere neue Fertigkeiten.
Prof. Dr. Felix Nensa, Universitätsmedizin Essen, empfahl, den Blick auf administrative Prozesse zu lenken. In Bildgebung und Labor sei schon viel erreicht; KI verspreche jedoch vor allem eine maßgebende Entlastung der Mitarbeitenden in Alltagsprozessen. MT in Labor und Radiologie sollten sich mit diesen neuen Technologien auseinandersetzen und sie mitprägen. Für MT im Dialog haben wir in Berlin ein spannendes Interview mit ihm geführt (Link zum Interview per QR-Code).
Start-up-Vielfalt
Zahlreiche Start-ups in einer eigens dafür vorgesehenen Fläche auf der Messe, aber auch als Teilnehmende allein oder in Länderpavillons, stellten ihre innovativen Lösungen vor. Hier eine Auswahl:
Accensors aus NRW entwickelt folienbasierte innovative Sensorlösungen, die neben physikalischen Werten auch pH-Wert, Natrium, Kreatinin, Laktat und weitere biochemische Messwerte erfassen können. Diese können in der medizinischen Diagnostik, Medizintechnik und Biotechnologie angewandt werden, etwa für Wearables oder als Smart Patches zur Patientenüberwachung. Die Sensoren sind sehr dünn und flexibel und können in zahlreichen Bereichen, auch individuell angefertigt, genutzt werden.
Meal & heal aus Münster bietet eine Ernährungsberatung per App, um verschiedenste ernährungsbedingte Beschwerden oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten zu erkennen. So sollen individuelle Auslöser identifiziert werden, um eine verträgliche Ernährung ohne Schmerzen im Alltag zu ermöglichen. Die DAK-Krankenkasse bietet ihren Versicherten diesen Service kostenfrei an.
Ähnlich arbeitet das zertifizierte Medizinprodukt Viatolea: Über eine App hilft es, Nahrungsunverträglichkeiten systematisch zu erkennen und die Ernährung gezielt anzupassen. Versicherte der Bergischen Krankenkasse erhalten das Angebot kostenfrei.
Innerbuddies aus Venlo analysiert die 35 häufigsten Bakterien des Darmmikrobioms über ein Heimtestkit. Die anschließende Bestimmung im Labor übernehmen unter anderem deutsche Laboranbieter wie Limbach. Die Kunden erhalten ein personalisiertes Ernährungsprofil mit Empfehlungen für eine gesündere Ernährung, um künftig Darmerkrankungen, Adipositas et cetera zu verhindern.
Paicon, eine Ausgründung aus dem DKFZ Heidelberg, hat den DMEA nova Award gewonnen. Das Unternehmen entwickelt personalisierte, KI-gestützte Lösungen für die Onkologie. Ihre datengesteuerte Plattform unterstützt Ärzte bei Diagnostik und Therapie. So haben sie beispielsweise einen Algorithmus entwickelt, der verschiedene Tumoren auf Basis histologischer Bilddaten unterscheidet.
Das Fazit der Messe: Mit knapp 900 nationalen und internationalen Ausstellern aus fast 30 Ländern zeigt die digitale Medizin neue Möglichkeiten auf, wie die Versorgung in Zukunft gelingen kann, wenn wir die technischen Möglichkeiten und Daten endlich nutzen.
Entnommen aus MT im Dialog 6/2025
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