Erlebnisse einer MTL

Zeitfresser Telefon
red
Scherenschnittartige Abbildung einer schreibenden Person im Profil, umgeben von medizinischen Symbolen
© MC Creative/stock.adobe.com
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Weil wir zu wenig Personal haben, muss ich überlegen, welche Arbeiten die meiste Zeit beanspruchen und wie wir diese Zeit verringern können. Mir ist schnell klar, dass das Telefon uns am meisten beansprucht. Es geht nicht einmal darum, dass wir jeden pathologischen Wert telefonisch durchgeben. Der größte Zeitfresser ist die Häufigkeit der Anrufe.

Gerade wenn der Anrufer den Satz beginnt mit: „Ich habe mal eine kurze Frage.“, kann man sich sicher sein, dass gerade diese Frage unendlich lang und kompliziert wird. Es kommen Anrufe, bei denen wir per Telefon versuchen sollen, Computerprogramme der Station zu erklären, obwohl dort vor Ort sicher Kollegen dafür ansprechbar wären. Auch alle Auswärtsgespräche werden erst einmal zu unserem Labor durchgestellt. Im Labor geht immer jemand ans Telefon und kümmert sich erst einmal.

Wir werden um Rat gefragt, wenn die Rohrpost nicht klappt (wäre eher eine Sache der Betriebstechnik), Programme nicht funktionieren (IT) und einmal erreichte mich ein Hilferuf per Telefon, weil der Wäscheautomat im Keller streikte.

Oft wird kaum verständlich gesprochen oder lang und breit um das Thema herumgeredet, ohne dass zu erkennen wäre, was genau man eigentlich wissen möchte.

Heute Mittag bekomme ich einen Anruf, als ich gerade in mein Brot beißen möchte. „Christel Post, Labor, hallo“, sage ich und schaue sehnsüchtig auf mein Brot.

„Hallo, Frau Dr. Müller hier, ich hab mal eben eine kurze Frage.“

Klar, denke ich, ich bin gespannt, was „kurz“ ist.

„Ja, bitte“, sage ich.

„Also, am Montag haben wir vier Liquorröhrchen von einem Patienten geschickt, aber da hat ihre Kollegin Meyer gesagt, da wäre ein Auftrag von dem Tag davor drauf, da haben wir einen neuen Auftrag erstellt, ihre Kollegin hat die Serologie aus den Röhrchen verschickt, aber das ging dann zu spät und dann sagte sie, dass es im Hauptlabor nicht mehr mit der Nummer aufgenommen werden konnte, deshalb muss man das unter einer anderen Nummer suchen, ich habe dann in dem Hauptlabor angerufen.“

Sie kommen gedanklich nicht mehr mit? Keine Sorge, ich auch nicht. Deshalb sage ich nur:

„Hm.“

Ich schaue hungrig auf mein Brot.

„Die haben gesagt, das Material ist auch da, und die wollten das machen und.“

„Hm.“

„… dann fehlte nur noch eine Sache, ich sollte dann noch mal in den Befund gucken und deshalb hab ich das gesucht, aber sie hatte versichert, es wäre im Hauptlabor angekommen.“

„Hm.“

Langsam trocknen die Ränder meiner Käsescheibe auf dem Brot aus.

„Ihre Kollegin Meyer hat mir auch gesagt, dass es dort wäre, nur mit einer anderen Nummer, da sollten wir mal drauf achten.“

„Öh, hm.“

„Und jetzt sind zwei Tage vergangen und ich muss den Arztbrief fertig machen, weil der Patient jetzt entlassen wird.“

„Hm.“

Ich frage mich, ob ich noch eine Chance habe, heute Mittag etwas zu essen. Oder zumindest die Chance zu erfahren, was die Frage sein wird.

„Da guck’ ich ins System und da ist auf einmal nichts mehr. Gar nichts! Nicht mal die normalen Blutabnahmen, die Befunde, der letzte Eintrag ist von vor vier Tagen, sonst nichts mehr. Ich muss das haben für den Arztbrief.“

„Ich werde mal alles überprüfen und rufe Sie gleich zurück. Geben Sie mir mal den Namen des Patienten.“

„Also das muss doch da drin sein, auch das Blutbild von gestern, das fehlt auch und ...“

„Bitte geben Sie mir mal den Namen des Patienten und ich melde mich gleich.“

Endlich stoppt der Redeschwall, ich bekomme die Patientendaten und lege auf. Bei meiner Recherche sehe ich alle Werte der Blutabnahmen der letzten Tage und, ganz wichtig, alle des Liquors. Alles ist ­fertig, nichts verloren gegangen, nichts läuft über eine andere Auftragsnummer, alles richtig. Auch die Werte des Hauptlabors sind übertragen worden. Ich logge mich über einen anderen Weg in das System ein, um zu überprüfen, ob man die Werte auch sieht, wenn man von einem Stationsrechner ins System geht. Alles richtig. So rufe ich die Ärztin zurück, um herauszufinden, warum sie die Befunde nicht hat.

„Christel Post, Labor, ich habe alle Befunde im System gesehen.“

Ganz vorwurfsvoll antwortet sie: „Jaaaa, DAS sehe ich auch!“

Aber – jetzt verstehe ich gar nichts mehr.

„Ich kann die Befunde aber nicht an den Arztbrief anhängen!“

Was!!!!???? Warum!!! sagt sie mir das nicht einfach!?

„Entschuldigen Sie, aber das ist Sache der IT! Klären Sie das doch bitte da!“

„Ah, ach so.“

Pause zu Ende. Ich packe mein Brot wieder ein. Eine Kollegin kommt.

„Isst du nichts?“

„Hatte keine Zeit, Frau Dr. Müller kriegt die Befunde nicht in den Arztbrief.“

Meine Kollegin schaut mich verständnislos an. „Ja und? Das ist doch Sache von der IT, oder?“

Ich sage nichts mehr dazu. Es hat mir aber wieder einmal gezeigt, dass Telefonate die Zeitfresser sind. Vor allem, wenn jemand nur mal eben eine kurze Frage stellen möchte.

 

Die Namen wurden aus Datenschutzgründen geändert.

 

Entnommen aus MT im Dialog 12/2025

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