ESCO – Grundlagen, Systematik und 
Nutzen für die MTR-Berufsgruppe

Benoit Billebaut
Abbildung, die ein Tortendiagramm zeigt, das die prozentuale Verteilung der sechs ESCO-Kompetenzbereiche für den Beruf Diagnostic Radiographer aufzeigt.
Abb. 1: Die Grafik zeigt die prozentuale Verteilung der sechs ESCO-Kompetenzbereiche für den Beruf Diagnostic Radiographer (Version 1.1.0). © Europäische Kommission/ESCO
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Internationale Mobilität, interprofessionelle Zusammenarbeit und der rasch fortschreitende technologische Wandel machen es unerlässlich, Kompetenzen von Medizinischen Technologinnen und Technologen für Radiologie (MTR) transparent und vergleichbar darzustellen.

Einleitung

ESCO (European Skills, Competences, Qualifications and Occupa­tions) – die mehrsprachige Kompetenzklassifikation der Europäischen Kommission – schafft seit 2017 genau diese Transparenz, indem sie Ausbildungsstandards, Berufsprofile und Lerninhalte europaweit in einer gemeinsamen Taxonomie abbildet [1]. ESCO liefert laut EU-Kommission Beschreibungen von 3.039 Berufen und 13.939 mit diesen Berufen verbundenen Fähigkeiten, übersetzt in 28 Sprachen.

Das ESCO-Modell im Detail

ESCO bildet ein dreidimensionales Vokabular, das – bildlich gesprochen – wie ein gut beschriftetes Regal funktioniert: „Occupations“ sind die Regalbretter, auf denen ganze Berufsbilder abgelegt sind; „Skills/Competences“ entsprechen den einzelnen Büchern, in denen konkrete Handlungsbefähigungen beschrieben werden; „Qualifica­tions“ fungieren als Prüfsiegel, die belegen, dass eine Person bestimmte Regalbretter und Bücher tatsächlich „besitzt“. Innerhalb jeder Dimension sind die Begriffe hierarchisch mit Broader/Narrower-Beziehungen angeordnet, sodass sogenannte Bots (automatische Suchprogramme) vom Allgemeineren ins Spezifische navigieren ­können. Gleichzeitig verknüpfen semantische Relationen – etwa ­hasEssentialSkill oder isOptionalFor – die drei Dimensionen mit­einander. Ein Matching-Algorithmus kann dadurch zum Beispiel eine Stellenanzeige, die den ESCO-Code Radiographer enthält, mit Lebensläufen abgleichen und nur jene Kandidatinnen und Kandidaten auswählen, die die zwingend verknüpften Kernkompetenzen wie apply radiation protection procedures oder position patient for medical imaging nachweisen. Ebenso lässt sich ein Curriculum maschinell analysieren, um festzustellen, ob alle für einen Beruf notwendigen Skills (Fähigkeiten) tatsächlich gelehrt werden/wurden [1].

Für den MTR-Bereich illustrieren die Einträge Radiographer (2269–8) und Diagnostic Radiographer (2269–8–1) diesen Mechanismus besonders anschaulich (siehe Abbildung 1). Unter Knowledge (Wissen) finden sich dort etwa „Radiobiologie und Strahlenschutz“, „Schnittbildanatomie“ und „Qualitätssicherungsverfahren“; die korrespondierenden Skills reichen von operate computed tomography equipment über analyse medical radiographic images bis zu manage patient data confidentially. Beim Diagnostic Radiographer kommen zusätzlich Skills wie perform diagnostic imaging procedures und evaluate image quality for diagnostic purposes hinzu. Wer diese Skills in seinem Portfolio hinterlegt, wird von elektronischen Jobbörsen exakt dort vorgeschlagen, wo entsprechende Anforderungsprofile hinterlegt sind [2, 3].

Von besonderem Wert ist die Verknüpfung der ESCO-Einträge mit der International Standard Classification of Occupations (ISCO-08) sowie mit nationalen Berufsklassifikationen. ISCO klassifiziert Berufe anhand von Tätigkeiten (skill level) und beruflichen Anforderungen (skill specialization). Das Ergebnis der Verknüpfung ist eine seman­tische Interoperabilität über Sprach- und Landesgrenzen hinweg: Anerkennungsverfahren werden schneller, internationale Forschungsprojekte finden einfacher geeignete Kompetenzprofile und Arbeitsmarktanalysen greifen auf vergleichbare Datensätze zurück [1]. In der Praxis ist es nach wie vor eine Herausforderung, alles immer korrekt und aktuell zu verlinken.

Abgleich mit EFRS-Benchmarking (EQF 6 und 7)

Die European Federation of Radiographer Societies (EFRS) hat für das Bachelor- (European Qualification Framework – EQF 6) und Master-Niveau (EQF 7) detaillierte Benchmarking-Dokumente veröffentlicht, in denen Lernziele nach Knowledge, Skills, Competence gegliedert sind [4, 5]. Ein Mapping zeigt, dass die ESCO-Kernkompetenzen nahezu deckungsgleich mit den EFRS-Learning-Outcomes sind. Die ESCO-Skill apply radiation protection procedures korrespondiert beispielsweise mit dem EQF-7-Outcome „Implement and monitor radiation protection strategies in complex clinical settings“. Ausbildungsstätten können ihre Modulbeschreibungen daher direkt mit ESCO-Begriffen taggen und so internationale Vergleichbarkeit herstellen. Darüber hinaus bietet ESCO pro Tätigkeit (occupation) einen preferred term (bevorzugten Begriff) und mehrere alternative Labels (Kennzeichnungen wie zum Beispiel medical radiation technologist, clinical radiographer), was die automatische Zuordnung heterogener Berufsbezeichnungen zu einem einheitlichen Kompetenzprofil erleichtert [2].

Nutzen für die MTR-Praxis

Die Personalgewinnung und -entwicklung profitieren davon, wenn Personalabteilungen in Stellenausschreibungen gezielt ESCO-Codes angeben und Bewerberinnen und Bewerber ihre Profile automatisiert abgleichen lassen. Die curriculare Planung und Akkreditierung werden erleichtert, indem Lernziele systematisch mit ESCO-Skills abgeglichen werden.

Die berufspolitische Argumentation gewinnt an Präzision, da eine einheitliche Kompetenzsprache evidenzbasiert darlegt, welche Tätigkeiten zum Berufsbild gehören. Nicht zuletzt beschleunigt die Verknüpfung von ESCO mit der „Regulated Professions Database“ die Anerkennung in- und ausländischer Abschlüsse [1–3]. So viel zur Theorie. In der Praxis kann es jedoch anders laufen, wenn die Abgleiche nicht mehr aktuell sind, nach zum Beispiel nationalen Gesetzesänderungen.

Perspektiven und Ausblick

Alle Akteurinnen und Akteure des MTR-Sektors – von Berufs- und Fachverbänden über Hochschulen bis hin zu Gesundheitseinrichtungen – können die ESCO-Systematik nutzen, um deutsche Übersetzungen kontinuierlich zu evaluieren und bei Bedarf anzupassen, neue Spezialisierungsprofile wie Radiation Protection Officer oder Magnetic Resonance Safety Officer [6, 7] in die Taxonomie einzupflegen und praxistaugliche Leitfäden zu entwickeln, mit denen ESCO-Codes in Qualitätsmanagement-Systeme, elektronische Stellenportale oder Lernmanagement-Plattformen integriert werden können. Eine solche konsequente ESCO-Integration sorgt nicht nur für mehr Trans­parenz, sondern eröffnet auch die Möglichkeit, Kompetenzbedarfe datengetrieben zu analysieren.

 


Literatur

1.    De Smedt J, le Vrang M, Papantoniou A: ESCO: Towards a Semantic Web for the European Labour Market. 2015.
2.    European Commission: ESCO Occupation. Radiographer. Version 1.1.0; 2025.
3.    European Commission: ESCO Occupation. Diagnostic Radiographer. Version 1.1.0; 2025.
4.    European Federation of Radiographer Societies: European Qualifications Framework (EQF) Level 6 Benchmarking Document: Radiographers. 2nd ed., Utrecht, 2018.
5.    European Federation of Radiographer Societies: European Qualifications Framework (EQF) Level 7 Benchmarking Document: Radiographers. Utrecht, 2017.
6.    European Federation of Radiographer Societies: Radiation Protection Officer (RPO) Role Descriptor. Utrecht, 2020.
7.    European Federation of Radiographer Societies: Magnetic Resonance Safety Officer (MRSO) Role Descriptor. Utrecht, 2021.

 

Entnommen aus MT im Dialog 8/2025

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