Interview zum Schulverkauf in Dresden

Die Fragen stellte Ludwig Zahn.
Porträtfoto von Jérôme Bach
© privat
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Jérôme Bach ist ehemaliger Schulleiter der Semper Bildungsakademie Dresden; zurzeit ist er Fachlehrer 
Medizintechnologie für Funktionsdiagnostik der Medizinischen Berufsfachschule des Städtischen Klinikums Dresden. 
Er geht im Interview auf den Verkauf der MTF-Schule in Dresden an das Städtische Klinikum ein.

Herr Bach, warum wurde entschieden, die MTF-Schule zu verkaufen? Was waren die ausschlaggebenden Gründe?

Die Entscheidung, die MTF-Schule zu verkaufen, fiel nach sorgfältiger Abwägung zahlreicher Faktoren. Im Mittelpunkt standen dabei die langfristige Sicherung einer qualitativ hochwertigen Ausbildung im Bereich der medizinisch-technischen Fachberufe (MTF) sowie die Verantwortung gegenüber den Auszubildenden.

Gemäß § 76 Abs. 1 MTBG besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass Schulen in freier Trägerschaft ihre Ausbildungskosten über die Träger der praktischen Ausbildung refinanzieren können, sofern entsprechende Kooperationsvereinbarungen vorliegen. Um diese Option zu prüfen, hatten wir einen detaillierten Koopera­tionsvertrag ausgearbeitet und in einem Kick-off-Meeting mit den Krankenhäusern, mit denen wir langjährige Partnerschaften pflegen, die zukünftige Zusammenarbeit und Finanzierung diskutiert. Leider zeigte sich, dass nur wenige Träger bereit waren, verbindliche Zusagen zu machen. Dies führte zu einer un­sicheren finanziellen Perspektive, die die vollständige Deckung der Ausbildungskosten nicht gewährleisten konnte.

Vor diesem Hintergrund haben wir proaktiv das Städtische Klinikum Dresden kontaktiert, um eine mögliche Übernahme der Schule zu besprechen. Unser Ziel war es, das Ausbildungsspektrum nicht nur zu erhalten, sondern auch weiterzuentwickeln – als essenziellen Baustein für die zukünftige Patientenversorgung.

Besonders wichtig war uns dabei, den aktuell Lernenden eine verlässliche Perspektive zu bieten und sicherzustellen, dass auch künftige Generationen in einem stabilen und qualitätsgesicherten Umfeld ausgebildet werden können. Denn die Ausbildung von Fachkräften ist nicht nur eine Investition in die Zukunft der Gesundheitsversorgung, sondern auch in die Attraktivität und Nachhaltigkeit des Berufsstandes.

Wie beurteilen Sie die Herausforderungen der Finanzierung und die Entwicklungen im Bereich der medizinisch-technischen Ausbildung?

Der Gesundheitsmarkt befindet sich in einem dynamischen Wandel, geprägt von gesetzlichen Neuregelungen, sich verändernden Versorgungsanforderungen und einem wachsenden Bedarf an qualifizierten Fachkräften. Vor diesem Hintergrund ist die gesetzliche Regelung der Ausbildungsfinanzierung auf Bundesebene im MTBG ein wichtiger Schritt, um die Rahmenbedingungen für die Ausbildung in diesen Berufen zu verbessern.

Für Schulen in freier Trägerschaft bleibt die Situation jedoch herausfordernd. Die Refinanzierung der Ausbildungskosten setzt verlässliche und langfristige Kooperationen mit den Trägern der praktischen Ausbildung voraus. Diese Verbindlichkeit sicherzustellen, gestaltet sich zunehmend schwierig, was viele Privatschulen in eine unsichere Lage bringt. Ich teile daher die Einschätzung, dass die Zahl ­privater Schulen in diesem Bereich in den kommenden Jahren deutlich zurückgehen könnte. Gleichzeitig erwarte ich, dass Krankenhausschulen zunehmend Verantwortung übernehmen und ihr Ausbildungsangebot ausweiten werden.

Die Träger der MTF-Schule haben stets großen Wert darauf gelegt, die Ausbildung nicht nur fachlich exzellent, sondern auch zukunftsorientiert zu gestalten. Die Herausforderungen der Refinanzierung haben jedoch gezeigt, wie wichtig stabile Partnerschaften und nachhaltige Finanzierungsmodelle sind. Um die Qualität und Kontinuität der Ausbildung zu gewährleisten, haben wir daher den Schulverkauf angestoßen und mit dem Städtischen Klinikum Dresden eine Lösung gesucht, die sowohl den aktuellen Auszubildenden als auch der Zukunft der Fachkräfteentwicklung Rechnung trägt.

In einer Zeit, in der der Gesundheitsmarkt sich rasant wandelt, muss die Ausbildung in medizinisch-technischen Berufen ein gemeinsames Anliegen aller Akteure sein – sei es durch die Förderung von Privatschulen oder durch die Stärkung von Krankenhausschulen. Nur durch ein breites und stabiles Ausbildungsspektrum können wir den Anforderungen einer modernen Gesundheitsversorgung gerecht werden.

Gab es im Zuge des Verkaufes Auswirkungen auf den Lehrkörper? Welche Anpassungen mussten nach dem Verkauf vorgenommen werden? Welche spezifischen Maßnahmen mussten ergriffen werden, um den Anforderungen des ­neuen MTBG/MTAPrV gerecht zu werden?

Im Zuge des Verkaufs der MT-Schule wurden vier Lehrkräfte, die ausschließlich an dieser Schule tätig waren, vom neuen Träger übernommen. Dabei blieb ihre rechtliche, soziale und wirtschaftliche Situa­tion vollständig unberührt. Die Übernahme wurde so gestaltet, dass für die Lehrkräfte Kontinuität und Sicherheit gewährleistet waren, sodass sie ihre wichtige Rolle in der Ausbildung nahtlos fortführen konnten.

Was die notwendigen Anpassungen betrifft, konnten viele bestehende Strukturen und Ressourcen übernommen werden, was den Übergang erleichtert hat. Beispielsweise wurden die Schullabore sowie das gesamte Equipment mit umgezogen, sodass an dieser Stelle kaum Anpassungsbedarf bestand. Auch das bereits entwickelte Curriculum, das den Vorgaben des Gesetzes über die Berufe in der medizinischen Technologie (MTBG) sowie der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Medizinische Technologinnen und Medizinische Techno­logen (MTAPrV) entspricht, wurde durch den neuen Träger übernommen. Bereits unter dem vorherigen Träger war begonnen worden, nach diesen Standards zu unterrichten, was die Umstellung weiter vereinfachte.

Die größten Herausforderungen lagen jedoch im Übergang der Schule von einem privaten zu einem öffentlichen Schulträger. Dieser Wechsel bedeutete, dass zahlreiche rechtliche und organisatorische Aspekte neu abgestimmt werden mussten, insbesondere in der Zusammenarbeit mit der Schulaufsichtsbehörde. Diese musste sicherstellen, dass die Schule alle Anforderungen des neuen rechtlichen Rahmens erfüllt, was einen umfangreichen Abstimmungsprozess erforderte.

Zusammenfassend war der Übergang von einem privaten zu einem öffentlichen Träger in vielerlei Hinsicht anspruchsvoll, doch durch die Übernahme des bestehenden Curriculums, der Infrastruktur und der Lehrkräfte konnten die Veränderungen mit einem hohen Maß an Stabilität umgesetzt werden. Der neue Träger hat somit die Grundlage geschaffen, um den hohen Anforderungen der Ausbildung in medizinisch-technischen Berufen auch künftig gerecht zu werden.

Wie sieht es mit den Ausbildungsstellen aus? Gibt es genügend potenzielle geeignete (externe) Träger? Wie fällt dort die Reaktion aus? Haben die Neuregelungen zu einem Engpass geführt? Denken Sie, dass das neue MTBG den ohnehin schon vorhandenen Fachkräftemangel noch verschärfen könnte?

Das Städtische Klinikum Dresden bildet eigenständig medizinisch-technische Fachkräfte aus und kooperiert darüber hinaus mit verschiedenen stationären Einrichtungen in der Region. Dieses Netzwerk wird kontinuierlich erweitert, um den Auszubildenden eine breite praktische Ausbildung zu ermöglichen. Dennoch zeigt sich, dass die neuen Anforderungen gemäß der MTAPrV sowohl an die Schule als auch an die Träger der praktischen Ausbildung zu einem strukturellen Wandel geführt haben. Infolgedessen bleibt die Zahl der Ausbildungsplätze dauerhaft unter dem Niveau der alten Regelungen.

Die Neuregelungen haben jedoch auch positive Effekte gezeigt: So ist die Abbruchquote an der MT-Schule deutlich gesunken. Dies ist unter anderem auf umfassende Auswahlverfahren zurückzuführen, die viele Träger der praktischen Ausbildung eingeführt haben. Gleichzeitig profitieren die Auszubildenden von der neuen Struktur, die ihnen Arbeitsverträge mit Ausbildungsvergütung bietet und so eine größere Verbindlichkeit schafft.

Dennoch bleibt die Situation differenziert zu betrachten. Während stationäre Einrichtungen ihre Ausbildungsstellen durch finanzielle Refinanzierung absichern und Absolventen oft durch Vertragsklauseln binden können, profitiert der ambulante Sektor kaum von der neuen Gesetzgebung. Da die Kosten für die praktische Ausbildung in diesem Bereich nicht refinanziert werden, ist hier mit einem deut­lichen Rückgang der Ausbildungsaktivitäten zu rechnen. Dies wird den bereits bestehenden Fachkräftemangel im ambulanten Bereich voraussichtlich weiter verschärfen.

Ob das neue MTBG den Fachkräftemangel insgesamt verstärkt, lässt sich aktuell noch nicht abschließend beurteilen, da belastbare Absolventenzahlen aus der neuen Ausbildungsstruktur noch ausstehen. Klar ist jedoch, dass die höheren Anforderungen an Träger und Schulen das Angebot an Ausbildungsplätzen vor allem in strukturell schwächeren Regionen weiter reduzieren könnten.

Um dem entgegenzuwirken, braucht es gezielte Maßnahmen: ein verbessertes Refinanzierungsmodell, das auch ambulante Anbieter einbezieht, und ein übergreifendes Engagement aller Akteure im Gesundheitswesen, um Ausbildungsstellen zu sichern und attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen. Denn nur durch eine starke und nachhaltige Ausbildung gelingt es, dem Fachkräftemangel langfristig entgegenzuwirken und eine hochwertige Patientenversorgung zu gewährleisten.

Was bedeuten die neuen Anforderungen für die Praxis­anleiter und welche Herausforderungen ergeben sich für Bildungseinrichtungen im Kontext des neuen MTBG und der geänderten MTAPrV?

Die neuen Anforderungen gemäß MTBG und MTAPrV stellen insbesondere die Träger der praktischen Ausbildung vor erhebliche Herausforderungen. Während die Finanzierung vorrangig ein Problem der Schulen in freier Trägerschaft ist, bleibt die Praxisanleitung eine zentrale Aufgabe und zugleich eine der größten Hürden für die Träger der praktischen Ausbildung.

Ein besonders kritisches Feld ist die Funktionsdiagnostik, in der bisher häufig fachfremdes Personal eingesetzt wurde, das jedoch nicht zur Praxisanleitung befugt ist. Dies zwingt die Träger dazu, verstärkt darauf zu achten, bei Nachbesetzungen qualifiziertes Personal mit entsprechender Grundausbildung einzustellen. Solche strukturellen Anpassungen erfordern Zeit, weshalb in der Übergangsphase oftmals kreative Lösungen notwendig sind.

Für Bildungseinrichtungen ergeben sich weitere, nicht minder bedeutsame Herausforderungen. Die wohl größte ist die Gewinnung von Lehrkräften, die sowohl über einen Abschluss im jeweiligen Grundberuf als auch über einen pädagogischen Hochschulabschluss verfügen. Diese Kombination ist entscheidend, um die gestiegenen Anforderungen an den theoretischen Unterricht und die praktische Anleitung zu erfüllen. Die Rekrutierung solchen Fachpersonals gestaltet sich jedoch angesichts des ohnehin bestehenden Fachkräftemangels als zunehmend schwierig.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die neuen Anforderungen zwar einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung der Ausbildung leisten, gleichzeitig aber auch hohe Anforderungen an alle beteiligten Akteure stellen. Sowohl die Praxisanleitung bei den Trägern als auch die Fachkräftegewinnung bei den Bildungseinrichtungen erfordern kreative und nachhaltige Lösungen, um die Ausbildung auf einem hohen Niveau zu gewährleisten.

Welche Vorteile sehen Sie bei den neuen Vorgaben?

Die neuen gesetzlichen Vorgaben bringen zahlreiche Vorteile mit sich, die sowohl die Qualität der Ausbildung als auch die Wahrnehmung des Berufsbildes positiv beeinflussen.

Ein bedeutender Gewinn ist die gesteigerte Aufmerksamkeit für den Beruf der Medizintechnologie. Durch die Gesetzesreform wurden Führungspersonen stärker sensibilisiert, mehr in die Ausbildung von Nachwuchskräften zu investieren und bei Nachbesetzungen gezielt auf die Qualifikation der Fachkräfte zu achten. Dies trägt nicht nur zur Nachwuchsförderung bei, sondern stärkt auch die langfristige Fachkräftebasis.

Ein weiterer wesentlicher Vorteil liegt in der Kompetenzzentrierung. Die stärkere Verzahnung von Theorie und Praxis verbessert den Theorie-Praxis-Transfer erheblich, wodurch die Ausbildungsinhalte für die Auszubildenden zugänglicher und anwendungsorientierter werden. Dies sorgt dafür, dass sie ihre theoretischen Kenntnisse besser auf praktische Situationen übertragen können – eine Fähigkeit, die im beruflichen Alltag von unschätzbarem Wert ist.

Zudem hat die Verlagerung der Verantwortung für die praktische Ausbildung auf die Träger der praktischen Ausbildung die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Praxis deutlich gestärkt. Diese neue Struktur fördert die gemeinsame Verantwortung für die Ausbildung und sorgt dafür, dass die Praxis stärker in die grundständige Qualifikation eingebunden ist.

Besonders hervorzuheben ist die gesetzliche Vorschrift zur Praxisanleitung, die die Ausbildungsqualität in der Praxis nachhaltig steigert. Durch die verpflichtende Anleitung durch qualifiziertes Fachpersonal erhalten die Auszubildenden eine fundierte und strukturierte Einführung in die berufliche Praxis. Damit teilen sich Schule und Praxis seither die grundlegende Verantwortung für die Ausbildung und schaffen ein ausgewogenes Ausbildungsumfeld, das sowohl theore­tisches Wissen als auch praktische Fähigkeiten umfassend fördert.

Insgesamt stärken die neuen Vorgaben die Ausbildungsqualität, die Attraktivität des Berufsbildes und die langfristige Sicherung der Fachkräfteentwicklung – wichtige Schritte, um den Anforderungen eines sich wandelnden Gesundheitsmarktes gerecht zu werden.

 

Entnommen aus MT im Dialog 3/2025

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