Mitbegründer und Wegbereiter der modernen Infektionspathologie

Der deutsch-schweizerische Pathologe und Mikrobiologe Edwin Klebs (1834–1913)
Christof Goddemeier
Foto von Edwin Klebs
Prof. Edwin Klebs © The National Library of Medicine, public domain
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In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfuhr die naturwissenschaftliche Medizin einen enormen Aufschwung. Zuvor hatte Johannes Müller (1801–1858) auf dem Gebiet der Physiologie, vergleichenden Anatomie und Zoologie bereits Bedeutendes geleistet. Im Unterschied zur romantischen Physiologie und zu vitalistischen Auffassungen vertrat er eine „physikalische Physiologie“ auf dem Boden der exakten Naturwissenschaften.

Karl Ernst von Baer (1792–1876) entdeckte 1827 die mensch­liche Eizelle und formulierte ein Jahr später das nach ihm benannte „Gesetz der Embryonenähnlichkeit“ (Baer-Regel). Es be­sagt, dass Embryonen verschiedener Wirbeltierarten sich umso schwerer voneinander unterscheiden lassen, je jünger sie sind. Und Jean Cruveilhier (1791–1874) veröffentlichte ­zwischen 1828 und 1842 seine „Anatomie pathologique du corps humain“ – ein herausragender anatomischer Atlas, der zudem exakte Beschreibungen von Erkrankungen lieferte.

In diese Tradition reihte Edwin Klebs sich ein. Als begeisterter Schüler von Rudolf Virchow (1821–1902) leistete er wertvolle patho­logisch-anatomische Arbeit, etwa zum Zellkernzerfall (Karyorrhexis), zur Bauchspeicheldrüse, zu Kapillarthromben bei Verbrühungen, zu Magengeschwüren, Riesenwuchs und Akromegalie, Hydro- und Mikroenzephalie, Hermaphroditismus, Endokarditis und Tumoren. Dabei begnügte er sich nicht damit, die pathologisch-anatomischen Prozesse zu beschreiben, sondern wollte auch deren Ursachen herausfinden. Der Chemiker Louis Pasteur hatte gerade die Bedeutung von Mikroorganismen in der Biologie gezeigt – 1857 hielt er vor der Gesellschaft für Wissenschaften, Landwirtschaft und Künste in Lille seinen Vortrag zur Milchsäuregärung. Darin sah er Gärung als Resultat der Aktivität lebender Mikroben.

Paraffineinbettung histologischer Gewebeproben

Vor Robert Koch vertrat Klebs die Lehre von pathogenen Mikroorganismen. So lag es nahe, dass er den Zusammenhang zwischen einzelnen Erregern und bestimmten Krankheiten zu belegen suchte. Doch offenbar beendete er seine Arbeit immer wieder vor dem letzten, entscheidenden Schritt. Laut Universität Würzburg zählt er deshalb „nicht zu den ganz Großen seiner Wissenschaft“. Sein wichtigster und bis heute aktueller Beitrag zur Pathologie ist die Paraffineinbettung histologischer Gewebeproben.

Edwin Klebs wurde 1834 in Königsberg/Preußen geboren. Der Familie entstammten angesehene Juristen der Stadt. Sechs Brüder des Vaters kämpften 1813 in der Völkerschlacht bei Leipzig gegen Napoleons Truppen. Als Schüler interessierte sich Klebs für Mathematik, Philosophie und Musik. Die „Starrheit des Rechtsbegriffs“ gefiel ihm nicht, daher studierte er zunächst in Königsberg Medizin. Die naturwissenschaftliche Medizin, die sich auf Experimente und Empirie statt auf Philosophie und Spekula­tion stützte, sprach ihn an. Studenten aus ganz Deutschland und Österreich gingen damals nach Würzburg, denn hier lehrten neben Virchow Albert von ­Kölliker, Wegbereiter der Histologie, der Internist Heinrich von Bamberger und der Gynäkologe und Geburtshelfer Friedrich Wilhelm Scanzoni von Lichtenfels. Wie andere Studenten war Klebs von Virchows Zellularpathologie fasziniert. Als Virchow nach Berlin berufen wurde, folgte Klebs ihm dorthin und wurde 1856 mit einer Arbeit über die Tuberkulose promoviert („De mutationibus, quae in intestino invenientur, tuberculosis“ – Über die Veränderungen, die bei Tuberkulose im Darm gefunden werden). Hier vertrat er die These: „Tuberculosis non est hereditaria.“ – Die Tuberkulose ist nicht erblich. Die Erkrankung beschäftigte ihn sein ganzes Leben.

Klebs kehrte nach Königsberg zurück und habilitierte sich in pathologischer Anatomie. Bei einer Tagung der deutschen Naturforscher traf er Virchow. Als der ihm eine Assistentenstelle anbot, sagte Klebs sofort zu und wechselte wieder nach Berlin. Offenbar waren es harte Lehrjahre – erst nach drei Jahren rückte er von der dritten auf die zweite Assistentenstelle vor, was auch mit einer Erhöhung des ­Jahresgehalts von 200 auf 300 Mark verbunden war.

Berufung nach Bern

1867 wurde Klebs als Extraordinarius für pathologische Anatomie nach Bern berufen, ein Jahr später wurde er hier ordentlicher Professor. Rückblickend bezeichnete er die Berner Jahre als die glücklichsten seines Lebens. Er heiratete Rosa Großenbacher und wurde Schweizer Staatsbürger. In diese Zeit fällt auch Klebs bedeutendste Entdeckung, die bis heute in der Pathologie Anwendung findet: die Paraffineinbettung histologischer Gewebeproben, Klebs bezeichnete sie selbst als „Einschmelzmethode“. Dabei handelt es sich um eine Gewebeauf­bereitung für die lichtmikroskopische Untersuchung. Diese setzt ­dünne, lichtdurchlässige Gewebeschnitte voraus. Nur bei Schleimhautabstrichen, Blutausstrichen, Zellkultur und Quetschpräparaten sind Gewebeschnitte verzichtbar. Weil die Gewebestrukturen meistens kaum Eigenfarbe aufweisen, ist in der Regel eine Färbung der Präparate erforderlich. Vor der Paraffineinbettung erfolgt eine Fixierung mit Formaldehyd. Diese stoppt durch Denaturierung der Proteine alle Lebensvorgänge in Zellen und Geweben. Nach Entwässerung und Durchtränkung mit einem Reagenz, das sich mit Alkohol und Paraffin mischt, gibt man erwärmtes, verflüssigtes Paraffin zum Gewebe. Zuvor wassergefüllte Räume werden nun von Paraffin eingenommen. Es besteht aus acyclischen Alkanen (gesättigten Kohlenwasser­stoffen), der württembergische Wissenschaftler Karl von Reichenbach (1788–1869) hat es 1830 entdeckt. Sein Name leitet sich ab von lateinisch „parum affinis“ (= wenig reaktionsfähig). Als letzten Arbeitsschritt der Einbettung lässt man das Paraffin erkalten. Damit bekommt es die notwendige Festigkeit, um an Spezialgeräten dünne Schnitte herstellen zu können.

Als Beginn der medizinischen Bakteriologie gilt üblicherweise der Nachweis durch Robert Koch, dass der Milzbrand, eine übertragbare Krankheit, durch die Besiedlung des Organismus mit einem bestimmten Bakterium entsteht (1876). Doch Koch hatte Vorläufer: Bereits 1841 hatte der Wiener Dermatologe Ferdinand von Hebra (1816–1880) den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Krätzmilbe und der Krätze gezeigt. Klebs wandte sich während des deutsch-französischen Krieges 1870–71 der Bakteriologie zu. 1870 obduzierte er im Lazarett in Karls­ruhe 115 Soldaten mit Schussverletzungen, von denen die Mehrzahl an Septikämie oder Pyämie gestorben war. Im Wundsekret fand er Bakterien, die er „Microsporon septicum“ nannte und als Ursache der entzündlichen Veränderungen ausmachte. Das war zu der Zeit nicht selbstverständlich, der Wiener Chirurg Theodor Billroth (1829–1894) etwa war von der Theorie nicht überzeugt und forderte einen sicheren optischen Beweis. 1871 publizierte Klebs seine „Beiträge zur pathologischen Anatomie der Schußwunden (sic!)“. Sieben Jahre später bewies Robert Koch in seinen „Untersuchungen über die Aetiologie der Wundinfec­tionskrankheiten“ deren infektiöse Genese. Hier formulierte er auch die später berühmt gewordenen Postulate für eine bakterielle Infektion.

Koch-Klebs’sche Postulate

In einem Vortrag auf der 50. Jahresversammlung deutscher Natur­forscher und Ärzte in München hatte Klebs diesen Sachverhalt bereits 1877 deutlich ausgedrückt: „Dass aber in der That alle diese Krankheitsprozesse (Infektionskrankheiten) auf ähnlichen Ursachen beruhen, kann in dreifacher Art bewiesen werden: 1. durch die ana­tomischen Untersuchungen der erkrankten Organe, 2. durch die ­Isolierung und Züchtung der Krankheitskeime und 3. durch die Neuerzeugung der gleichen Processe durch Uebertragung dieser Keime auf gesunde Thiere.“ Zwar demonstrierte Koch die Anwendung der Postulate bei seinen Nachweisen der Erreger von Milzbrand, Tuber­kulose und Cholera; Klebs gebührt laut Universität Würzburg jedoch das Verdienst, sie erstmals klar formuliert zu haben. So sei es berechtigt, von Koch-Klebs’schen Postulaten zu sprechen. Koch würdigte ausdrücklich Klebs Einfluss auf seine Arbeit.

1872 wechselte Klebs als Pathologieprofessor nach Würzburg. Hier widmete er sich vor allem der bakteriologischen Forschung und vernachlässigte die klinische Pathologie. So ließ ihn die Fakultät gern ziehen, als er nach nur drei Semestern an die Universität Prag berufen wurde. Mit deren Aufspaltung in einen deutschen und einen tschechischen Teil war Klebs nicht einverstanden und wechselte 1882 an die Universität Zürich. In diese Zeit fällt die Publikation seiner „Allgemeinen Pathologie“ in zwei Bänden. Lange hatte er die Existenz von nur zwei Hauptgruppen von „Schistomyzeten“ (= Bakterien) angenommen und sie „Microsporine“ und „Monadine“ genannt. Davon verabschiedete er sich nun zugunsten moderner Klassifikationssys­teme und wandte sich der Erforschung von Tuberkulose und Tuberkulin zu. Bei Letzterem blieb er wie Koch erfolglos.

Eine Typhusepidemie 1884 führte Klebs auf eine Kontamination des Zürichsees mit Salmonellen zurück, ein Befund, den Koch in einem Gutachten nicht bestätigte. Im Streit um eine angemessene Sanierung der Wasserversorgung verprellte Klebs mit seinem ungestümen, undiplomatischen Auftreten alle Beteiligten. Als er dann noch seine Pflichten als Institutsleiter vernachlässigte, schied er schließlich auf Drängen der Fakultät aus seinem Amt. 1883 berichtete Klebs beim Wiesbadener Internistenkongress vom Nachweis des Diphtherie-Erregers. Hier beschrieb er die stäbchenförmigen Erreger so präzise, dass man davon ausgehen darf, dass er sie gesehen hat. Den Beweis ihrer kausalen ­Rolle für die Diphtherie unter Berücksichtigung der Koch-Klebs’schen Postulate erbrachte dann ein Jahr später Friedrich Loeffler (1852–1915).

Neben seiner experimentellen Forschung gründete Klebs medizinische Fachzeitschriften und gab sie heraus, etwa während der Zeit in Bern das „Correspondenzblatt für Schweizer Ärzte“ und in Würzburg gemeinsam mit Bernhard Naunyn (1839–1925) und Oswald Schmiedeberg (1838–1921) das „Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie“. In Prag gründete er den „Zentralverein deutscher Ärzte in Böhmen“ und später die „Prager medizinische Wochenschrift“. Klebs Charakter wird als schwierig beschrieben: Offen bis zu Grobheit und Rücksichtslosigkeit, Widerspruch konnte ihn zu jähzornigen Ausbrüchen reizen. Sein Schüler Otto Lubarsch (1860–1933), später Ordinarius in Kiel und Berlin, beschreibt ihn indes als Menschen, von dessen Erfahrungen und Gedankenvielfalt man etliches lernen konnte, nicht zuletzt, wie man es nicht machen sollte, wenn man eine wissenschaftliche Frage lösen will.

Nach Ausscheiden in Zürich gründete der rastlose Forscher ein Labor in Karlsruhe, arbeitete fünf Jahre in den USA und kehrte schließlich nach weiteren Stationen in Hannover und Berlin in die Schweiz zurück. Die Tuberkulose dominierte in diesen Jahren seine Arbeit, von 71 seit 1890 veröffentlichten Arbeiten haben 54 die Tuberkulose zum Thema. Seine letzten Lebensmonate verbrachte Klebs in Bern. Die Gattung Klebsiella gehört zur Familie der Enterobacteriaceae und umfasst gramnegative, stäbchenförmige Bakterien. Zu ihr gehören etwa Klebsiella aerogenes und Klebsiella pneumoniae. Beide sind gegenüber verschiedenen Beta-Lactam-Antibiotika resistent. Durch die nach ihm benannte Genusbezeichnung hat Edwin Klebs dauerhaft seinen Platz in den Annalen der Mikrobiologie gefunden.


Literatur (Auswahl)

1. Klebs E: Beiträge zu Albert Eulenburgs „Real-Encyclopädie der gesammten (sic!) Heilkunde“. Wien/Berlin: Verlag Urban & Schwarzenberg 1880–85.

2. Lubarsch O: Ein bewegtes Gelehrtenleben. Berlin: Verlag Julius Springer, 1931.

3. Röthlin OM: Edwin Klebs (1834–1913). Ein früher Vorkämpfer der Bakteriologie und seine Irrfahrten. Dissertation. Zürich: Juris-Verlag 1962.

4. Website der Julian-Maximilians-Universität Würzburg, Pathologisches Institut: Edwin Klebs. Online (letzter Zugriff am 06.03.2025).

 

Entnommen aus MT im Dialog 6/2025

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