UNESCO ehrt Meilensteine der ­Medizingeschichte und Materialforschung

Ikonische Röntgenbilder sind Weltdokumentenerbe
Anna-Katharina Kätker, Uwe Busch
Collage der sechs Röntgenbilder, die ins Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen worden sind
Abb. 1: Ein Satz von drei Bildern mit Röntgenaufnahmen der Hände von Wilhelm Conrad Röntgen und seiner Frau Anna Bertha sowie ein weiterer Satz von drei Bildern, die Röntgen von seinem Jagdgewehr mit einer Bewertung der Schäden im Material gemacht hat, stellen die beiden wichtigen Anwendungsbereiche der Röntgenstrahlen in der Medizin und den Materialwissenschaften in ganz besonderer Weise dar. © Deutsches Röntgen-Museum
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Am 22. Dezember 1895 – Wilhelm Conrad Röntgen bittet seine Frau Anna Bertha, ihre Hand für eine ganz besondere Aufnahme zur Verfügung zu stellen. Nur wenige Wochen zuvor hatte er eine bahnbrechende Entdeckung gemacht, die es ermöglichte, ins Innere des menschlichen Körpers zu schauen und unter anderem Knochen abzulichten. Kein Bild steht symbolhafter für die damit einhergegangene wissenschaftliche und kulturelle Revolution als dieses erste Röntgenbild einer menschlichen Hand.

Gemeinsam mit fünf weiteren Aufnahmen aus Röntgens Nachlass ist es daher am 10. April 2025 ins internationale Register des UNESCO-Weltdokumentenerbes „Memory of the World“ aufgenommen worden. Seit 1992 zeichnet die UNESCO mit diesem Programm Dokumente aus, die für kulturelle Wendepunkte in der Geschichte stehen und als unabdingbare Wissensquelle für unsere heutigen und auch künftigen Gesellschaften dienen. Das übergeordnete Ziel ist dabei, ihre Sicherung, ihre Zugänglichkeit, aber auch das internationale Bewusstsein für ihre Bedeutung zu steigern (https://www.unesco.de/orte/weltdokumentenerbe/).

Einzigartige Bilder

Die Auswahl der sechs Aufnahmen aus dem Gesamtkonvolut des Nachlasses von Wilhelm Conrad Röntgen beruht auf der besonderen Qualität und Einzigartigkeit dieser Bilder. Sie stehen zudem in einem expliziten Bezug zur Person Wilhelm Conrad Röntgen und seiner Frau Anna Bertha, da es sich unter anderem um zwei Röntgenauf­nahmen von Anna Berthas Hand und einer von Röntgens eigener Hand handelt. Zeitlich liegen sie nur wenige Monate auseinander und dokumentieren bereits die qualitative Verbesserung in den Aufnahmebedingungen.

Die drei anderen Aufnahmen stehen für die Entwicklung in einem weiteren von Röntgen begründeten Fachbereich: der zerstörungsfreien Materialforschung. Es handelt sich hierbei um eine Fotografie seiner doppelläufigen Jagdflinte, eine Radiografie derselbigen und ein weiterer Abzug mit handschriftlichen Vermerken Röntgens. Er geht dabei unter anderem auf Fehler im Material der Damastläufe, auf die Verschiedenheit der Bohrweite der Läufe und dem nicht genügend abgeschnittenen Gussansatz der Kugel ein. Angeregt wurden diese Aufnahmen vom 17. Dezember 1896 durch die Diskussion mit deutschen Generälen, die anlässlich zu Röntgens Vorführung seiner Experimente beim Deutschen Kaiser in Berlin im Januar 1896 ebenfalls eingeladen waren. Röntgen hatte, als einer der wenigen Wissenschaftler zur damaligen Zeit, seine große Leidenschaft und Liebe zur Fotografie dazu benutzt, um seine experimentellen Ergebnisse fotografisch zu dokumentieren und so für die Nachwelt festzuhalten.

Erinnerung an Entdeckung wach halten

„Mit dem Weltdokumentenerbe verhält es sich wie mit jedem Erbstück: Es ist ein kostbarer Schatz, den wir pflegen und in Ehren halten sollten. Die Aufnahme in das Verzeichnis des Weltdokumentenerbes ist Ausdruck unserer Wertschätzung und zugleich Auftrag, die Erinnerung an das Erbe wachzuhalten“, sagte Ina Brandes, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Und dies hat sich das Deutsche Röntgen-Museum gemeinsam mit der Deutschen Röntgengesellschaft zur Aufgabe gemacht. Zwei der ausgezeichneten sechs Bilder sind bereits öffentlich im Geburtshaus ­Wilhelm Conrad Röntgens in Remscheid-Lennep ausgestellt – die Radiografie der Hand Anna Berthas und die Aufnahme von Röntgens Jagdgewehr.

„Das Geburtshaus wird dadurch noch stärker zu einem Ort der lebendigen Wissenschaftskommunikation, der nationale und internationale Besucherinnen und Besucher, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Bildungseinrichtungen anzieht“, sagte der Past Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft, Prof. Dr. Konstantin Nikolaou. Bei drei weiteren Bildern handelt es sich um Glasplatten, die im Archiv des Deutschen Röntgen-Museums und unter besonderen konservatorischen Bedingungen gelagert werden. Sie können daher als Originale nicht öffentlich ausgestellt werden. Ihre Symbolkraft und die weltweite Aufmerksamkeit, die ihre Aufnahme ins „Memory of the World“-Register mit sich bringt, werden in Zukunft hoffentlich den weiteren Ausbau des Archivs am Deutschen Röntgen-Museum voranbringen.

 

Am 10. September 2025 fand unter Beteiligung des Auswärtigen Amts und der Deutschen UNESCO-Kommission die feierliche Urkundenübergabe zum Eintrag ins Register „Memory of the World“ in Remscheid-Lennep statt. Prof. Dr. Hartwig Lüdtke, Vizepräsident der Deutschen UNESCO-Kommission, betonte: „Wir müssen uns daran erinnern, wann und warum die UNESCO überhaupt gegründet wurde. Die UNESCO wurde gegründet unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, und zwar in Reaktion auf diese Katastrophe der furcht­baren zwei Weltkriege – verbunden mit der Idee, in diesen Bereichen Kultur, Wissenschaft, Bildung Menschen aus allen Ländern der Welt zusammenzubringen, in gemeinsamen Projekten arbeiten zu lassen, um auf diese Weise gegenseitig das Verständnis zu fördern. (…) Es gibt so was wie ein globales Erbe, für das sind wir auch gemeinsam verantwortlich und am Ende dient das dem Frieden.“ Prof. Dr. Konrad Elmshäuser, Vorsitzender des Deutschen Nominierungskomitees der UNESCO, hob zudem den besonderen Wert von Röntgens Entdeckung hervor: „Es gibt Nominierungen, die haben Pepp, weil sie einfach einen Gegenstand haben, den man einfach mitteilen kann und den man vor allen Dingen international mitteilen kann und wo auch der Nutzen für alle unmittelbar ersichtlich ist. Und das ist bei Röntgen so. (…) Wilhelm Conrad Röntgen hat der Welt etwas geschenkt.“

Die Auszeichnung der UNESCO würdigt jedoch nicht nur den ­historischen und wissenschaftlichen Wert der ausgewählten Bilder, sondern eröffnet zudem eine wichtige Chance: das Vermächtnis Röntgens aus den Fachkreisen herauszutragen – hinein in die breite Gesellschaft. Gerade in einer Zeit, in der vor allem junge Menschen Orientierung und Inspiration suchen, können diese Bilder als Symbol für Neugier und Forschergeist dienen. Sie stehen dafür, dass große Entdeckungen oft aus dem Entwickeln neuer Ideen oder aus einem Perspektivwechsel heraus entstehen. Die Auszeichnung dient daher auch als wichtiger Impulsgeber für die Bildungsarbeit und Nachwuchsförderung, bei der wissenschaftliches Erbe nicht nur archiviert, sondern vor allem aktiv vermittelt werden soll.

 

Entnommen aus MT im Dialog 11/2025

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