Die Dosis macht den Unterschied

Hefepilz Candida albicans
Kli
Durch die Bildung von langen fadenähnlichen Zellen, den Hyphen, bricht der Hefepilz Candida albicans (blau) aus menschlichen Immunzellen (rot) aus. Der Teil der Hyphe, der die Immunzellen bereits verlassen hat, ist gelb eingefärbt.
Durch die Bildung von langen fadenähnlichen Zellen, den Hyphen, bricht der Hefepilz Candida albicans (blau) aus menschlichen Immunzellen (rot) aus. Der Teil der Hyphe, der die Immunzellen bereits verlassen hat, ist gelb eingefärbt. © Erik Böhm/Leibniz-HKI
Newsletter­anmeldung

Bleiben Sie auf dem Laufenden. Der MT-Dialog-Newsletter informiert Sie jede Woche kostenfrei über die wichtigsten Branchen-News, aktuelle Themen und die neusten Stellenangebote.

Formularfelder Newsletteranmeldung

* Pflichtfeld

Der Hefepilz Candida albicans produziert ein Toxin, das krank macht – aber in geringen Mengen hilft es dem Pilz, um dauerhaft in der Mundschleimhaut zu überleben.

Der Hefepilz Candida albicans setzt das Toxin Candidalysin nicht nur für Infektionen ein, sondern nutzt es auch, um die Mundschleimhaut unauffällig zu besiedeln – allerdings nur in fein austarierter Menge. Zu wenig Gift verhindert die orale Besiedlung, zu viel ruft das Immunsystem auf den Plan und führt zu einer entzündlichen Abwehrreaktion, wie ein internationales Forschungsteam aus Zürich, Jena und Paris herausfand. Die Ergebnisse erschienen im Fachjournal Nature Microbiology.

Candida albicans ist ein Hefepilz, der natürlicherweise im Mikrobiom des Menschen vorkommt und dabei meist harmlos bleibt. Unter bestimmten Bedingungen kann er jedoch von der runden Hefeform in fadenförmige Hyphen übergehen und Infektionen auslösen, die insbesondere bei immungeschwächten Patientinnen und Patienten fatale Folgen haben können. In dieser Hyphenform produziert Candida albicans das Toxin Candidalysin, ein Eiweiß, das Wirtszellen direkt angreift.

Reaktion des Immunsystems auf unterschiedliche Pilzstämme

„Wir wussten, dass das Pilzgift Candidalysin Krankheiten verursachen kann. Neu ist, dass es auch nötig ist, damit der Pilz im Mund überleben kann“, erklärt Bernhard Hube, Leiter der Abteilung Mikrobielle Pathogenitätsmechanismen am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI) und Professor am Lehrstuhl für Mikrobielle Pathogenität an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Der Hefepilz Candida albicans nutzt das Toxin wie einen Türöffner, um sich in der Schleimhaut zu verankern. Solange er es nur in kleinen Mengen bildet, bleibt er dabei unter dem Radar des Immunsystems und überlebt langfristig in der Mundhöhle.“

Um diesen Zusammenhang zu klären, arbeitete ein internationales Team mit Mäusemodellen. Dabei zeigten Forschende um Salomé LeibundGut-Landmann an der Universität Zürich, wie das Immunsystem auf unterschiedliche Pilzstämme reagiert. Am Leibniz-HKI in Jena wurden zudem die genetischen Grundlagen untersucht: Mit gezielten Eingriffen veränderte das Team Gene, die Hyphenbildung und Toxinproduktion des Hefepilzes steuern. Forschende am Institut Pasteur in Paris ordneten die Ergebnisse außerdem mit bioinformatischen Analysen in einen evolutionären Kontext ein.

Vergleich von zwei sehr unterschiedlichen Stämmen

Es wurden zwei sehr unterschiedliche Stämme verglichen: Der aggressive Laborstamm SC5314 bildet lange Hyphen und produziert große Mengen Candidalysin. Dadurch reagiert das Immunsystem sofort mit einer starken Entzündung und eliminiert den Pilz nach kurzer Zeit. Ganz anders verhält sich Stamm 101, der natürlicherweise im Mund vorkommt: Er produziert das Toxin nur in geringen Mengen und kann sich so unauffällig in der Schleimhaut halten, ohne eine starke Immunantwort hervorzurufen. „Der Pilz fährt gewissermaßen mit angezogener Handbremse“, so Hube. „Ein bisschen Toxin braucht er, aber zu viel wird sofort bestraft.“

„Gerade diese Unterschiede zwischen den Stämmen zeigen, wie wichtig die feine Regulierung von Candidalysin für die Besiedelung unterschiedlicher Nischen im Körper ist“, ergänzt Tim Schille, Doktorand im Jenaer Team. „Nur wenn Candida albicans das richtige Maß findet, kann der Pilz langfristig im Mund bestehen, ohne vom Immunsystem bekämpft zu werden.“

Nur vorsichtige Perspektiven für die Medizin

Eine Schlüsselrolle spielt dabei auch das Gen EED1. Es reguliert die Hyphenbildung und beeinflusst damit indirekt die Produktion von Candidalysin. So bleibt der Pilz meist unauffällig in der Mundschleimhaut. Kippt dieses Gleichgewicht jedoch, können Infektionen entstehen. „Bemerkenswert ist, wie gut der Pilz sein Verhalten austariert“, sagt Schille. „Diese Balance erklärt auch, warum das Toxin evolutionär erhalten geblieben ist: Es ermöglicht dem Pilz, dauerhaft in der Mundschleimhaut zu leben, macht ihn aber zugleich als potenziellen Krankheitserreger gefährlich.“

Die Studie zeigt, dass Candidalysin ein wichtiger Faktor für die Besiedelung bestimmter Körperregionen durch Candida-Hefen sein kann. Für die Medizin ergeben sich aus den Ergebnissen bislang nur vorsichtige Perspektiven. „Für einen oralen Befall mit Candida können wir derzeit noch keine therapeutischen Anwendungen ableiten“, so Hube. „Bei vaginalen Infektionen hingegen konnten wir in früheren Studien bereits zeigen, dass sich das Toxin neutralisieren lässt. Damit können Gewebeschäden durch Candida albicans, die typisch für vaginale Pilzinfektionen sind, deutlich reduziert werden.“

Das Projekt wurde von Forschenden in Zürich initiiert und koordiniert, unter maßgeblicher Beteiligung des Leibniz-HKI in Jena sowie des Institut Pasteur in Paris. Gefördert wurde die Studie unter anderem durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Exzellenzclusters ‚Balance of the Microverse‘ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Sonderforschungsbereichs/Transregio 124 ‚FungiNet‘.

Originalpublikation:
Frois-Martin R, Lagler J, Schille TB, Elshafee O, Martinez de San Vicente K, Mertens S, Stokmaier M, Kilb I, Sertour N, Bachellier-Bassi S, Mogavero S, Sanglard D, d’Enfert C, Hube B, LeibundGut-Landmann S (2025) Dynamic Expression of the Fungal Toxin Candidalysin Governs Homeostatic Oral Colonization. Nat Microbiol, https://www.nature.com/articles/s41564-025-02122-4

Candidiasis
Erkrankung, die durch verschiedene Arten von Candida, in Deutschland meistens C. albicans ausgelöst werden kann. C. albicans sind Teil der normalen mikrobiellen Flora des Menschen, insbesondere auf Schleimhäuten. Erkrankungen durch diese Pilze werden meist durch andere Mikroorganismen der Normalflora, immunologische Mechanismen und intakte Haut-, Schleimhaut verhindert.
Oberflächliche Infektionen (zum Beispiel Mundsoor, vulvovaginale Candidiasis) sind häufige Erkrankungen. Bis zu 75 % aller Frauen entwickeln in ihrem Leben eine vulvovaginale Candidiasis. Sie können vermehrt bei Störungen lokaler Abwehrmechanismen auftreten. Die orale Candidiasis tritt gehäuft bei verschiedenen Grunderkrankungen auf. Diese Infektionen können oft anhand der klinischen Symptome diagnostiziert und meist mit lokalen Therapien und Vermeidung von Risikofaktoren behandelt werden.
Eine Vermehrung von Pilzen auf Haut-, und Schleimhäuten kann durch verschiedene Faktoren begünstigt werden (antibakterielle Therapie, einige Immundefekte). Insbesondere bei zusätzlichen Störungen von Haut-, und Schleimhäuten können die Pilze ins Blut gelangen und lebensbedrohliche systemische Infektionen hervorrufen. 
Quelle: Robert Koch-Institut/Stand:  02.05.2024


Quelle: idw

Artikel teilen

Online-Angebot der MT im Dialog

Um das Online-Angebot der MT im Dialog uneingeschränkt nutzen zu können, müssen Sie sich einmalig mit Ihrer DVTA-Mitglieds- oder Abonnentennummer registrieren.

Stellen- und Rubrikenmarkt

Möchten Sie eine Anzeige in der MT im Dialog schalten?

Stellenmarkt
Industrieanzeige