Glioblastom: Bessere Therapien in Sicht?

Molekulare Diagnostik könnte helfen
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Symbolbild eines Glioblastoms.
© designua/stock.adobe.com
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Es gleicht nach wie vor einem Todesurteil: die Diagnose Glioblastom. Es handelt sich um höchst aggressivste Hirntumoren, die invasiv in das gesamte Gehirn einwachsen. Sie sind bislang nicht heilbar.

Pro Jahr erkranken laut Hirntumorhilfe fünf bis sechs von 100.000 Menschen an einem Glioblastom. Männer sind dabei etwas häufiger betroffen als Frauen. Eine intensive Behandlung bestehend aus Operation, Bestrahlung und Chemotherapie kann das Fortschreiten der Erkrankung bisher nur um wenige Monate hinauszögern. Bei rund zwei Drittel der Patientinnen und Patienten mit neu diagnostiziertem Glioblastom schlägt die Standard-Chemotherapie mit dem Wirkstoff „Temozolomid“ jedoch nicht an – die Tumoren sind aufgrund genetischer Veränderungen resistent gegen dieses Medikament. Gerade für diese Gruppe von Patientinnen und Patienten mit einer mittleren Überlebenszeit von rund zwölf Monaten werden dringend neue Therapieoptionen benötigt. 

Wirksamkeit von Medikamenten untersucht

Möglicherweise gibt es aber neue Perspektiven. In der multizentrischen Phase1/2-Studie „NCT Neuro Master Match (N2M2)“ untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg, des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), des NCT Heidelberg und des DKFZ die Wirksamkeit von Medikamenten, die sich jeweils gezielt gegen eine bestimmte molekulare Eigenschaft von Tumorzellen richten. Untersucht wurden Medikamente, die bereits zur Behandlung anderer Krebsarten zugelassen sind, aber auch Medikamente ohne Zulassung. Insgesamt wurden somit acht Therapiegruppen gebildet. In die Studie wurden 228 Patientinnen und Patienten mit neu diagnostizierten Glioblastomen aufgenommen, deren Tumoren molekulare Marker für eine Temozolomid-Resistenz aufwiesen.

Analyse des Tumor-Erbguts

Untersucht wurde vor Beginn der kombinierten Strahlen-Chemotherapie das bei der OP entnommene Gewebe. Umfassende molekulare und genetische Analysen des Tumor-Erbguts wurden durchgeführt. Die Ergebnisse lagen im Mittel innerhalb von 26 Tagen und damit vor dem geplanten Therapiebeginn vor. Das Molekulare Tumorboard, eine wöchentlich tagende, interdisziplinäre Fallkonferenz mit Expertinnen und Experten für (Neuro)Onkologie, Radiotherapie, (Neuro)Pathologie, Molekulargenetik und (Neuro)Chirurgie, bewertete die Ergebnisse und wählte für die Teilnehmenden das jeweils am besten passende Medikament aus. So erhielten zum Beispiel Patientinnen und Patienten mit einem überaktivierten mTOR-Signalweg den Inhibitor Temsirolimus, der diesen Signalweg blockiert und damit das Tumorwachstum verlangsamen kann. Patientinnen und Patienten ohne klare molekulare Marker wurden zufällig einer von drei Gruppen zugeteilt, die entweder eine Immuntherapie (Atezolizumab oder Asunercept) oder die Standardtherapie mit Temozolomid erhielten. Alle Teilnehmenden bekamen außerdem eine Strahlentherapie.

Positive Wirkung von Temsirolimus

Die Verabreichung des Wirkstoffs „Temsirolimus“ führte zu positiven Ergebnissen: Bei 39,1 Prozent der 46 Patientinnen und Patienten der Temsirolimus-Gruppe schritt die Erkrankung mindestens sechs Monate lang nicht weiter fort. Zum Vergleich: In der 54-köpfigen Gruppe mit Standardtherapie lag die Rate des progressionsfreien Überlebens nach sechs Monaten bei 18,5 Prozent. Auch die mittlere Überlebenszeit war mit 15 Monaten etwa drei Monate länger als bei den Patientinnen und Patienten mit Standardtherapie. Bei diesen Teilnehmenden mit eindeutiger Resistenz gegenüber Temozolomid erzielte die Standardtherapie keinen zusätzlichen Effekt jenseits der Wirkung der Strahlentherapie.

Lebensqualität spürbar verbessern

„Auch wenn die Betroffenen mit Temsirolimus nur wenige Monate gewinnen, ist das bei dieser Patientengruppe, für die wir bisher noch keine wirksame Therapie haben, ein großer Fortschritt. Vor allem der Zugewinn an progressionsfreier Zeit kann die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten spürbar verbessern“, sagt der Erstautor der Studie Prof. Dr. Wolfgang Wick, Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg, Geschäftsführender Direktor der Neurologischen Klinik am UKHD sowie Leiter einer Klinischen Kooperationseinheit „Neuroonkologie“ an DKFZ und UKHD. „Es lohnt sich auf jeden Fall, diesen Therapieansatz weiter zu verfolgen.“ Temsirolimus ist bereits für die Therapie anderer Krebsarten mit aktiviertem mTOR-Signalweg zugelassen, zum Beispiel fortgeschrittenem Nierenkrebs.

Noch mehr als 100 Medikamente testen

Zwar hatten andere Medikamente in dieser Studie keine Vorteile gezeigt. Dennoch lieferten die Ergebnisse wertvolle Hinweise für die zukünftige Forschung: „Bisher gab es wenig Möglichkeiten, potenzielle Wirkstoffkandidaten schnell auszuschließen. Mit diesem mehrgleisigen Studiendesign können wir mehrere Kandidaten gleichzeitig, effizient und ohne großen Aufwand testen. Es warten noch mehr als 100 mögliche Medikamente darauf, auf ihre Wirksamkeit gegen Glioblastome getestet zu werden“, sagt Seniorautor Privatdozent Dr. Tobias Kessler, Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg, Oberarzt der Neurologischen Klinik des UKHD sowie Wissenschaftler der Klinischen Kooperationseinheit „Neuroonkologie“.

Ziel: frühe molekular basierte Therapie

„Mit der N2M2-Studie haben wir gezeigt, dass eine präzisionsmedizinische Behandlung in der Ersttherapie von Glioblastomen praktisch umsetzbar ist – ohne Verzögerung der notwendigen Strahlentherapie. Ziel muss es nun sein, Temsirolimus und ähnlich zielgerichtete Wirkstoffe möglicherweise als Standardtherapie bei neu diagnostiziertem Glioblastom zu etablieren. Aufgrund der prekären Situation der Betroffenen, bei denen die Temozolomid-Therapie nicht wirkt, werden wir versuchen, für diese Patientengruppe eine frühzeitige molekular basierte Therapie zu erreichen,“ so Prof. Wick.

Literatur:
Wick W, Dettmer S, Berberich A, et al.: N2M2 (NOA-20) phase I/II trial of molecularly matched targeted therapies plus radiotherapy in patients with newly diagnosed non-MGMT hypermethylated glioblastoma. Neuro Oncol. 2019; 21 (1): 95-105, DOI: 10.1093/neuonc/noy161. 

Quelle: Uni Heidelberg

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