Eigentlich wird die HPV-Impfung in Deutschland für alle Kinder und Jugendlichen zwischen 9 und 14 Jahren empfohlen, also noch vor dem ersten Geschlechtsverkehr. HPV-Infektionen durch Hochrisiko-Typen können über Zellveränderungen und Krebsvorstufen schließlich zu Krebs im Anogenitalbereich oder im Mund-Rachen-Raum führen. Am häufigsten unter diesen Tumorlokalisationen ist allerdings der Krebs am Gebärmutterhals. Ausgelöst wird er durch eine anhaltende Infektion mit Humanen Papillomviren (HPV), vor allem durch die beiden Hochrisiko-Typen 16 und 18. Gebärmutterhalskrebs ist bei Frauen hierzulande eine der häufigsten gynäkologischen Krebsarten. Ein jetzt veröffentlichter Cochrane Review hat eine bestimmte Gruppe von Erwachsenen unter die Lupe genommen und geht den Fragen nach: Schützt die Impfung auch Frauen, die bereits wegen HPV-bedingter Krebsvorstufen am Gebärmutterhals operiert werden mussten? Und falls ja – wie gut schützt sie?
Konisation rund 25.000 Mal p.a.
Meist werden durch HPV verursachte Zellveränderungen bei gynäkologischen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen entdeckt. Leichte Gewebeveränderungen der Stufe CIN1 bilden sich oft von alleine wieder zurück. Höhergradige Zellveränderungen hingegen – also die Krebsvorstufen CIN 2+ – werden in aller Regel durch eine Operation entfernt. Diese so genannte Konisation wird in Deutschland laut Robert Koch-Institut rund 25.000 Mal pro Jahr durchgeführt – oft bei Frauen mittleren Alters. Der aktuelle Cochrane Review zeigt nun: Werden Frauen kurz vor, während oder kurz nach einer Konisation gegen HPV geimpft, senkt das möglicherweise ihr Risiko, ein zweites Mal Krebsvorstufen der Stufe CIN2+ zu entwickeln.
13 Studien wurden ausgewertet
Der Review wertete insgesamt 13 Studien mit gut 21.000 Teilnehmerinnen aus – darunter zwei randomisiert kontrollierte Studien (RCTs). Die Meta-Analyse dieser RCTs habe ergeben: Etwa 0,6 bis 1,5 Prozent der geimpften Frauen entwickelten innerhalb von zwei bis drei Jahren erneut Zellveränderungen der Stufe CIN2+. Unter den Frauen ohne HPV-Impfung bei der Konisation seien es hingegen 2,3 Prozent gewesen. „Studien zeigen, dass Frauen, die bereits eine Konisation hinter sich haben, ein höheres Risiko haben, nochmal HPV-bedingte Krebsvorstufen und Gebärmutterhalskrebs zu entwickeln, als andere Frauen. Sie sind also eine Risikogruppe – und deswegen ist es so wichtig zu verstehen, ob und wie gut sie eine HPV-Impfung schützen kann“, sagt Philipp Kapp, Erstautor des Cochrane Reviews und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Evidenz in der Medizin des Universitätsklinikums Freiburg. „Wir müssen die Ergebnisse unseres Reviews aber mit Vorsicht interpretieren. Denn die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz ist gering, teils sogar nur sehr gering – und zwar deshalb, weil wir bei den beiden RCTs, die wir ausgewertet haben, Verzerrungsrisiken sahen. Sprich: Die tatsächliche Wirkung der Impfung könnte deutlich von der Wirkung abweichen, die die Studien berichten.“ Zudem sei auch noch unklar, wann der beste Zeitpunkt für eine Impfung ist – kurz vor der Konisation, quasi zeitgleich oder kurz danach.
Noch viele Fragen offen
Die Wissenschaftler/-innen um Kapp wollten nicht nur herausfinden, ob die HPV-Impfung Frauen vor erneuten Zellveränderungen der Stufe CIN2+ schützen kann, sondern eigentlich auch, ob sie beispielsweise einer HPV-Neuinfektion, einer anhaltenden HPV-Infektion, Zellveränderungen des Schweregrads CIN3+ oder letztlich einem Gebärmutterhalskrebs vorbeugt. „Zu all diesen Punkten können wir leider wenig sagen“, so Kapp, „denn dazu gibt es keine randomisiert kontrollierten Studien – und die wenigen verfügbaren Daten waren nicht aussagekräftig genug.“ Auch zu möglichen Nebenwirkungen fanden die Forscher wenig Evidenz: „Nur eine Studie hat dazu etwas berichtet, alle anderen gar nichts“, so Kapp. Demnach entwickelten 92 Prozent der Frauen leichte Reaktionen an der Einstichstelle wie Rötungen oder Ausschläge, acht Prozent Kopfschmerzen und ein Prozent eine schwere allergische Reaktion.
Weitere Studien gefordert
Es brauche in jedem Fall weitere randomisiert kontrollierte Studien, so Kapp – und zwar idealerweise solche, die beispielsweise auch nach dem Alter der geimpften Frauen differenzieren und die Frage berücksichtigen, ob eine Frau vor ihrer Konisation bereits gegen HPV geimpft war oder nicht. Ein neuer großer RCT von Forscherinnen und Forschern vom Imperial College London sei gerade in Arbeit – und werde wohl in nicht allzu ferner Zukunft veröffentlicht. „Darauf warten viele Forschende und Gynäkologinnen/Gynäkologen ganz gespannt. Es passiert also durchaus etwas in diesem Forschungsbereich – und mit dieser Publikation wird sich die Evidenzlage dann noch einmal verändern.“ Trotz der bestehenden Lücken in der Evidenz raten manche Medizinerinnen und Mediziner ihren Konisations-Patientinnen seit geraumer Zeit zur HPV-Impfung. Auf Antrag übernehmen manche gesetzlichen Krankenkassen dafür die Kosten.
Quelle: idw/Cochrane
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