Die häufige Einnahme von Schmerzmitteln kann wiederum Kopfschmerzen sogar verschlimmern. Am Tag der Kopfschmerzen am 5. September soll vor allem auf nichtmedikamentöse Maßnahmen hingewiesen werden, die die Anfallshäufigkeit nachgewiesenermaßen verringern. Dabei helfen zum Beispiel Ausdauersport, Entspannungstechniken und Stressbewältigung gegen Spannungskopfschmerz und Migräne. Das Vermeiden von Triggern kann die Anfallshäufigkeit senken. Bei vielen Betroffenen lässt sich dadurch die Medikamenteneinnahme auf ein „gesundes“ Maß reduzieren.
Abklären von chronischen Schmerzen
Treten die Kopfschmerzen chronisch auf (das bedeutet, dass sie über drei Monate lang an mehr als 15 Tagen im Monat auftreten), sollten sie ärztlich abgeklärt werden. In der Regel stehen sie zwar für sich (man spricht vom idiopathischen Kopfschmerz), aber manchmal können sie auch Symptom einer anderen Erkrankung sein. Das kann der Hausarzt oder Neurologe feststellen und natürlich auch, unter welcher Kopfschmerzart man leidet. Das ist wichtig, denn Kopfschmerzen werden eben nicht alle gleichbehandelt. Was bei der einen Kopfschmerzart wirkt, hilft bei der anderen nicht. Daher ist die korrekte Diagnose wichtig. Damit der Arzt die stellen kann, ist es ratsam, den Schmerz zu dokumentieren (Ist er stechend oder dumpf? Geht er mit Übelkeit einher? Wie häufig tritt er auf und in welchen Situationen? Wie oft wurden Schmerzmedikamente eingenommen? etc.). Die häufigsten Kopfschmerzarten sind der Spannungskopfschmerz und die Migräne. Von letzterer ist allein jede fünfte Frau und fast jeder zwölfte Mann betroffen.
Spannungskopfschmerz steigt mit dem Alter
Umso höher das Lebensalter, desto häufiger tritt der chronische Spannungskopfschmerz auf. Männer und Frauen sind hier ungefähr gleich häufig betroffen. Als Ursache werden das Zusammenspiel einer verhärteten Nackenmuskulatur und Stress vermutet. Dafür spricht auch, dass die Erkrankungsrate in Industrieländern höher als in Entwicklungsländern ist.
Die meisten Menschen greifen schnell zu freiverkäuflichen Schmerzmitteln, die auch in der Regel rasch Linderung verschaffen, allerdings einen „Pferdefuß“ haben: Werden sie zu oft eingenommen (über ein Vierteljahr mehr als zehnmal im Monat), verursachen sie selbst Kopfschmerzen. „Daher lohnt es sich, auch nichtmedikamentöse Maßnahmen auszuprobieren, zumal bekannt ist, dass die Kombination aus pharmakologischer Therapie und Stressbewältigungstraining erfolgreicher ist als die alleinige Einnahme von Tabletten“, erklärt Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, ein international renommierter Kopfschmerzexperte und Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.
Alternative Verfahren
Die Leitlinien stufen die sogenannte EMG-basierte Biofeedback-Therapie als wirksam ein, ebenso wie Entspannungstechniken (PMR) und Verhaltenstherapie. Wirksam seien wahrscheinlich auch Physiotherapie und medizinische Trainingstherapie. „Diese Verfahren zeigen erst langfristig Wirkung, aber auch in der Akutsituation gibt es eine Alternative für Schmerztabletten: Vielen Menschen mit Spannungskopfschmerzen hilft es, wenn sie großflächig auf Nacken und Schläfen Pfefferminzöl auftragen.“ Natürlich sei es nicht bei allen Patienten in jeder Situation möglich, Schmerzmittel wegzulassen, aber wichtig sei, durch begleitende nichtmedikamentöse Maßnahmen die Anfallshäufigkeit zu reduzieren, damit eine Schmerzmitteleinnahme nicht an mehr als zehn Tagen im Monat erforderlich wird.
Teufelskreis ist möglich
„Alles, was darüber hinaus geht, kann in einen Teufelskreis führen“, erklärt der Experte. Bei besonders schweren Fällen kann auch eine medikamentöse Dauertherapie notwendig werden, aber dann nicht mit Schmerzmitteln, sondern mit anderen Medikamenten. Als wirksam gegen Kopfschmerzen des Spannungstyps hat sich beispielsweise die Dauertherapie mit Amitriptylin erwiesen, einer Substanz, die eigentlich der Klasse der Antidepressiva angehört.
Dasselbe Problem, nämlich, dass Medikamente gegen Kopfschmerzen erst zu Kopfschmerzen führen, gibt es auch in der Migränetherapie. Die sogenannten Triptane, bewährte Migränemedikamente, können bei zu häufiger Einnahme einen Medikamentenübergebrauch-Kopfschmerz auslösen. „Daher sollten Menschen mit Migräne alles daransetzen, die Anzahl der Migränefälle zu reduzieren, indem sie die ihnen bekannten Auslöser meiden und die in den Leitlinien empfohlenen nicht-medikamentösen Maßnahmen zur Anfallsprophylaxe ernst nehmen und konsequent umsetzen, und zwar: regelmäßiger Ausdauersport“, so Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN.
Ziel: Anfallsfrequenz senken
Auch bei der Migräne sollte grundsätzlich immer eine medikamentöse Therapie durch nichtmedikamentöse Verfahren der Verhaltenstherapie ergänzt werden. „Durch eine solche Anfallsprophylaxe, dem Vermeiden von bekannten individuellen Triggern, wie z.B. visuellen Reizen oder Rotwein, dem regelmäßigen Ausdauersport und mit Entspannungsverfahren schaffen es viele Patienten mit Migräne, ihre Anfallsfrequenz so zu senken, dass sie nicht an mehr als 10 Tagen Medikamente einnehmen müssen. Kommt es aber zu einem Migräneanfall, ist es wichtig, so früh wie möglich die Tabletten einzunehmen, dann sind sie wirksamer“.
Immer mehr Therapieoptionen
So eine Anfallsprophylaxe wirkt aber natürlich nicht bei jedem Patienten – das weiß auch Diener. Dennoch gibt es mehr und mehr Therapieoptionen: „Seit Mitte des letzten Jahres sind verschiedene Antikörpertherapien auf den Markt, die bei Patienten, die darauf ansprechen, sehr wirksam Migräneanfällen vorbeugen und deutlich zur Lebensqualität beitragen. Allerdings spricht nur etwa die Hälfte der Betroffenen auf die Therapie an. Deshalb, aber auch letztlich auch wegen der hohen Therapiekosten, sollten vorher alle anderen Optionen ausgeschöpft worden sein, bevor diese Migränespritzen zum Einsatz kommen. Wichtig ist, dass bei jeder Kopfschmerzerkrankung auch die nichtmedikamentösen Maßnahmen konsequent umgesetzt werden. Daran möchten wir am Kopfschmerztag erinnern“, so das abschließende Fazit des Experten.
[2] Blotière PO, Raguideau F, Weill A, et al.: Risks of 23 specific malformations associated with prenatal exposure to 10 antiepileptic drugs. Neurology 2019; 93 (2): e167-e180.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.
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