Die Hauptaufgabe der Mikrogliazellen ist es, Krankheitserreger und Abfall zu beseitigen. Sie gehören zur Gruppe der Nicht-Nervenzellen im Gehirn und werden auch als Fresszellen bezeichnet. Bisher war unklar, ob diese Zellen kurzlebig sind, sich rasch teilen und erneuern oder ob es sich um selten teilende, langlebige Zellen handelt. Bisherige Studien erlaubten keine direkten Antworten und führten zu widersprüchlichen Ergebnissen. Tübinger Hirnforscher beschlossen daher, der Sache auf den Grund zu gehen.
Am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung der Universität Tübingen und dem Deutschen Zentrum für Neurodegenrative Erkrankungen in Tübingen wurde eine entsprechende Studie durchgeführt, deren Ergebnisse online vorab auf der Website der Fachzeitschrift Nature Neuroscience veröffentlicht wurden. Dabei wurden die Mikrogliazellen von Mäusen über ihre ganze Lebensspanne unter dem Mikroskop beobachtet. Die Forscher fanden heraus, dass diese Zellen genauso alt werden können wie die Mäuse selbst.
Diese unerwartet lange Lebenszeit gibt Hinweise auf weitere mögliche Aufgaben der bisher noch wenig erforschten Zellen. „Ihre Langlebigkeit ermöglicht es ihnen, zu lernen und zu altern“, erklärt Studienleiter Prof. Dr. Mathias Jucker. „Damit können Sie ein Imungedächtnis ausbilden und zur Entwicklung neurodegenerativer Erkrankungen beitragen.“ Durch die lange Lebenszeit stellt sich die Frage, ob die Mikrogliazellen ein Gedächtnis für Krankheitserreger entwickeln können, wie es die Immunzellen im restlichen Körper tun. Bei einem Zweitkontakt mit dem Erreger würde dies zu einer schnelleren und effizienteren Aktivierung der Abwehrzellen führen. Bei einer kurzen Lebensdauer der Zellen hätte ein solches Gedächtnis nur wenig Sinn ergeben. Tatsächlich haben die Studienautoren erste Anzeichen dafür gefunden, dass eine frühe Anregung des Immunsystems im Gehirn die Aktivität der Mikrogliazellen dauerhaft verändert.
Wie die Zellen zur Entwicklung neurodegenerativer Krankheiten führen können, ist noch unklar. Doch seit geraumer Zeit besteht der Verdacht, dass sie dort eine Rolle spielen. „Eine erstaunliche Erkenntnis der letzten Jahre ist, dass fast alle Risikofaktoren für die Alzheimererkrankung Veränderungen in Genen sind, die in Mikrogliazellen aktiv sind. Der Alterungsprozess dieser Mikroglia könnte dabei von Bedeutung sein – und hierfür ist eine allgemein lange Lebensdauer dieser Hirnzellen die Voraussetzung“, so Jucker. Mit dieser Studie konnten die Autoren den grundsätzlichen Beweis für die Langlebigkeit von Mikrogliazellen erbringen.
Quelle: idw/HIH, 28.08.2017
Füger et al. (2017): Microglia turnover with aging and in an Alzheimer´s model via long-term in vivo single-cell imaging. Nature Neuroscience, Online Vorabveröffentlichung am 28.08.2017. Doi: 10.1038/nn.4631
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