Long COVID: Bessere Versorgung von Jüngeren angestrebt
Beim Thema Long COVID werden oft die betroffenen Kinder und Jugendlichen nicht erwähnt. Dabei sind laut Uni Greifswald deutschlandweit ca. 70.000 Kinder und Jugendliche von den Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung oder von Krankheitssymptomen, die damit in Verbindung gebracht werden, betroffen. Um künftig die Versorgung der Betroffenen zu verbessern, entstehen aktuell bundesweit zwanzig spezialisierte Versorgungszentren für Kinder und Jugendliche mit Long COVID und verwandten Erkrankungen. Das PEDNET-LC genannte Vorhaben wird bis Ende 2028 mit etwa 41 Millionen Euro vom Bundesgesundheitsministerium gefördert. Die Projektleitung hat das Klinikum der Technischen Universität München, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Prof. Dr. Uta Behrends. Auch auf Landesebene wird in einer übergreifenden Zusammenarbeit z.B. in Mecklenburg-Vorpommern zwischen den Universitätsmedizinen Greifswald und Rostock sowie der Universität Greifswald die Behandlung der betroffenen Kinder und Jugendlichen wissenschaftlich begleitet.
Dramatische Folgen für die Betroffenen
„Bei dem Projektvorhaben handelt es sich um eine sehr versorgungsnahe Forschung“, betont Prof. Almut Meyer-Bahlburg von der Greifswalder Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, „denn in erster Linie ist es uns wichtig, dass wir uns um die jungen Patientinnen und Patienten mit Long COVID kümmern.“ Seit Anfang 2022 versorgt die Pädiaterin Kinder und Jugendliche mit Long COVID. Jetzt kommen vermehrt die besonders schwer Betroffenen, wie sie berichtet: „Einige Kinder und Jugendliche haben Kreislaufprobleme oder Atemnot, aber die größte Problematik für die jungen Menschen besteht in der Fatigue.“ Diesen Erschöpfungszustand könne man schlecht trainieren. Vielmehr müsse die Aktivität dem verfügbaren Aktivitätsniveau angepasst werden. So können manche Kinder und Jugendliche nur für ein bis zwei Stunden in die Schule gehen. Teilweise sei eine Teilnahme mit einem Avatar möglich. Für viele bedeute es dennoch einen Klassen- oder sogar Schulwechsel, das Abitur zu vollenden sei unter diesen Bedingungen sehr schwer oder sogar unmöglich. Damit ergeben sich große sozialmedizinische Probleme. „Die Betroffenen schaffen es oft nicht einmal, sich mit Freunden zu treffen“, beschreibt Meyer-Bahlburg den Leidensdruck, „sie wollen, aber können nicht – das ist für einen 16-Jährigen schrecklich, weil er seine Zukunft dahinschwinden sieht.“
Eine Ambulanz in jedem Bundesland
Neben der Versorgung der Patientinnen und Patienten wollen Forschende mit dem Projekt vor allem Versorgungsrichtlinien entwickeln, Intrastrukturen aufbauen, Register- und Krankenversicherungsdaten analysieren sowie klinische und Evaluationsstudien durchführen. Das Projektvorhaben sieht vor, in jedem Bundesland eine Ambulanz für Kinder und Jugendliche mit Long COVID einzurichten. Für dieses deutschlandweite Netzwerk wird eine Website als zentrale Anlaufstelle eingerichtet. Betroffene werden dann anhand ihrer Postleitzahl an das nächstgelegene Zentrum vermittelt. „Für Mecklenburg-Vorpommern arbeiten drei Partner zusammen: die Unimedizin Greifswald zu den internistischen Aspekten, die Universität Greifswald zu den psychologischen Aspekten und die Unimedizin Rostock zu den kinder- und jugendpsychiatrischen Aspekten“, erklärt der Rostocker Direktor der Klinik für Psychiatrie, Neurologie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter, Prof. Dr. Michael Kölch.
Auch die ganz schweren Fälle beachten
Silke Schmidt-Schuchert, Professorin für Gesundheit und Prävention an der Universität Greifswald, betont wie wichtig diese interdisziplinäre Zusammenarbeit in MV, aber auch auf bundesweiter Ebene sei: „Auf unterschiedlichen Ebenen wird der Verbund Maßnahmen ergreifen, um mehr über Long COVID, aber auch das chronische Erschöpfungssyndrom ME/CFS bei jungen Menschen zu erfahren.“ Dazu gehören die Einrichtung eines Registers für die Versorgungsforschung, Evaluationsstudien, die Weiterentwicklung spezieller Instrumente, zum Beispiel für Fatigue, oder die Einrichtung einer Biobank. Hierbei werden auch Versorgungsangebote außerhalb der klinischen Zentren in die Forschung einbezogen: die Versorgung durch den Hausarzt oder durch sozialpädiatrische Zentren, verschiedene Formen der Nachsorge sowie die Beteiligung von Betroffenenorganisationen. Dabei sei zu beachten, dass es auch die besonders schweren Fälle gebe, die gar nicht in der Lage seien, die eigene Häuslichkeit zu verlassen, so Schmidt-Schuchert weiter. „Zur Differenzialdiagnostik mit anderen Erkrankungen bringen auch die Rostocker Kollegen von der Kinder- und Jugendpsychiatrie wertvolle Erfahrungen mit, sodass wir bei der Versorgung der Betroffenen künftig sehr eng zusammenarbeiten werden.“
Quelle: Uni Greifswald
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