Myc ist Voraussetzung für Tumorentstehung

Überangebot mit Folgen
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Protein Myc
Mit steigender Konzentration aktiviert das Protein Myc in Zellen eine zunehmende Zahl von Genen. Elmar Wolf
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Was bringt gesunde Zellen dazu, sich in Tumorzellen zu verwandeln und unkontrolliert zu vermehren? Wissenschaftler der Universität Würzburg haben die Rolle eines besonderen Proteins in diesem Prozess untersucht – und dabei die Antwort auf einen alten Streit gefunden.

Der Transkriptionsfaktor Myc trägt ein doppeltes Gesicht: Auf der einen Seite ist das Protein unerlässlich für das Wachstum und die Vermehrung von Zellen. Auf der anderen Seite findet es sich in so gut wie jeder Krebszelle – allerdings in einer deutlich erhöhten Konzentration. Die Vermutung, dass Myc eine tragende Rolle spielt, wenn Zellen entarten, liegt also auf der Hand. Wie dieser Prozess detailliert vonstattengeht, darüber gibt es bislang jedoch unterschiedliche Theorien.

Studie am Biozentrum der Uni Würzburg

Eine neue Studie Würzburger Wissenschaftler zeichnet nun ein neues Bild von den Vorgängen im Zellinneren. Demnach ist eine hohe Konzentration der Myc-Proteine Voraussetzung dafür, dass Tumoren entstehen. Entstanden ist diese Studie am Lehrstuhl für Biochemie und Molekuarbiologie (Vorstand: Prof. Dr. Martin Eilers) der Universität Würzburg; verantwortlich dafür ist der Nachwuchsgruppenleiter Dr. Elmar Wolf.

„Wir haben mit Zellen gearbeitet, die zum einen ein sehr geringes Myc-Level besitzen und die zum anderen molekularbiologisch gut verstanden sind“, sagt Elmar Wolf. In diesen Zellen haben die Wissenschaftler nach und nach die Myc-Konzentration künstlich erhöht und anschließend die Folgen untersucht. Ihre Befunde haben sie dann in echten Tumoren validiert.

Die Konzentration regelt die Funktion

„Der bisherigen Lehrmeinung nach aktiviert der Transkriptionsfaktor Myc eine Reihe von Genen, die für Zellwachstum und -teilung verantwortlich sind“, erklärt Wolf. Etwa im Darm: Dort sind die Zellen, die die Schleimhaut bilden, so gefordert, dass ihre Lebenszeit extrem kurz ist. Ungefähr einmal pro Woche muss sich deshalb die Darmschleimhaut komplett erneuern – was unter normalen Myc-Konzentrationen problemlos geschieht. Wird in einer Zelle Myc jedoch im Übermaß produziert, seien auch diese Gene deutlich aktiver; die Zelle verwandelt sich zur Tumorzelle – so die bisherige Annahme. Eine Sichtweise, die Elmar Wolf nicht teilt: „In Wirklichkeit sind die Vorgänge nicht so einfach.“

Tatsächlich aktiviert Myc in der Realität in Tumorzellen nicht nur die bekannten Gene. Wie Wolf und sein Team zeigen konnten, dockt das Protein mit steigender Konzentration an weitere Gene an und sorgt dafür, dass diese verstärkt abgelesen werden. „Myc bindet unter normalen Levels an bestimmte Gene mit einer hohen Affinität. Steigt jedoch der Level an, aktiviert es auch Gene mit einer niedrigen Affinität“, erklärt Wolf das Prinzip. Je nach Level fanden die Wissenschaftler unterschiedliche Genaktivierungsmuster, die jeweils unterschiedliche Prozesse in Gang setzten.

Wichtiger Beitrag für das Tumorwachstum

„Hohe Affinität“: Dazu gehören die Gene, die Zellwachstum und -teilung steuern. „Niedrige Affinität“: Hier aktiviert Myc Gene, die Prozesse steuern, die auf andere Weise das Tumorwachstum fördern. „Beispielsweise muss der Tumor mit Nährstoffen versorgt werden, damit er wachsen kann. Dazu benötigt er Blutgefäße“, erklärt Wolf. Und für die Bildung neuer Blutgefäße seien Gene zuständig, an die Myc erst dann andockt, wenn es in hoher Konzentration in der Tumorzelle vorhanden ist.

Migration ist ein weiteres Beispiel für solch einen Prozess, den Myc startet, indem es Gene mit einer niedrigen Affinität aktiviert. Er versetzt die Tumorzellen dazu in die Lage, sich auf Wanderschaft zu begeben und an anderer Stelle im Körper Tochtergeschwulste, sogenannte Metastasen, zu bilden.

Neuer Angriffspunkt in der Tumortherapie

Die Beobachtung, dass sich die Auswirkungen von Myc im gesunden Körper (Aktivierung von Genen mit „hoher Affinität“) und in Tumoren (Aktivierung von Genen mit „niedriger Affinität“) unterscheiden, eröffnet nach Ansicht der Wissenschaftler faszinierende neue Möglichkeiten in der Tumortherapie: „Wäre es möglich, die Funktion von Myc mit einem Medikament zu hemmen, so sollte es, in Anbetracht dieser Arbeit, eine Dosierung geben, bei der die tumorerzeugenden Eigenschaften von Myc gehemmt werden könnten, während die für das gesunde Gewebe wichtigen Funktionen von Myc erhalten blieben“, sagt Elmar Wolf.

Im Gegensatz zu klassischen Chemotherapeutika, die alle sich stark teilenden Gewebe, wie etwa die Darmwand, abtöten, wäre eine solche Tumortherapie dann deutlich nebenwirkungsärmer. Allerdings ist es bisher nicht möglich, die Myc-Funktion durch ein Medikament zu hemmen. Daran wird jedoch international intensiv geforscht. (idw, red)

Literatur:

Francesca Lorenzin, Uwe Benary, Apoorva Baluapuri et al.: Different promoter affinities account for specificity in Myc-dependent gene regulation. DOI: 10.7554/eLife.15161.001

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