Neues diagnostisches Verfahren für Viren
Die Diagnose viraler Infektionen erfolgt üblicherweise durch den Nachweis viraler Genomfragmente oder Proteine mithilfe gezielter Methoden wie PCR und Immunoassays. Doch dem Nachweis sind Grenzen gesetzt und es braucht Zeit. Auch in einer Pandemielage sei eine der Folgen, dass die Datenlage zur Überwachung viraler Infektionen unvollständig sei und die Langzeitfolgen vergangener Infektionen schwer zu erkennen seien. Daher bestehe weiterhin ein großer Bedarf an der Entwicklung diagnostischer Methoden, die einen umfassenderen Einblick in virale Infektionen beim Menschen ermöglichen. Die Forscherinnen und Forscher des RKI haben nun ein Verfahren entwickelt, mit dem sie Patientenproben auf hunderte verschiedene Viren gleichzeitig untersuchen können – und damit Viren deutlich schneller identifizieren als mit anderen diagnostischen Methoden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzen dafür die Massenspektrometrie.
Bewertungsalgorithmus wurde entwickelt
Mit der Massenspektrometrie kann die Masse von Molekülen und damit deren Identität und Menge bestimmt werden. Sie ist die zentrale Technik für die Untersuchung von Proteinen. Auch Viren bilden diverse Proteine und können so indirekt mit Hilfe der Massenspektrometrie identifiziert werden. Es wird ein Bewertungsalgorithmus (vProID-Score) entwickelt, um die Zuverlässigkeit der Virusidentifizierung anhand von Proteomikdaten zu bewerten (hier abrufbar).
Mehr als 300 Viren sind abgedeckt
Die Forschenden haben zunächst eine sogenannte Spektrenbibliothek erstellt, mit den spezifischen Massenspektren von 1,4 Millionen viralen Proteinsequenzen. Damit seien fast alle bekannten humanpathogenen Viren – mehr als 300 Viren – abgedeckt. Die gemessenen Spektren aus Patientenproben könnten dann mit den Spektren der Bibliothek abgeglichen werden. Aktuell ließen sich auf diese Weise in einer einzigen Patientenprobe zeitgleich Proteine von 331 humanpathogenen Viren identifizieren. Die Methode erlaube einen „offenen Blick“ auf Patientenproben – und das bei einem Gesamtaufwand von gerade einmal etwa zwei Stunden, schreiben die Forschenden.
Größerer Einsatz in der viralen Diagnostik?
Bisherige Methoden des „offenen Blicks“, etwa die Analyse sämtlicher viraler Erbgutfragmente in einer Probe oder das Durchleuchten der Probe in einem Elektronenmikroskop, sind sehr aufwändig und kein Teil der allgemeinen Routine-Diagnostik. Die RKI-Forschenden gehen davon aus, dass der Massenspektrometrie in der Diagnostik von viralen Infektionskrankheiten künftig eine entscheidende Rolle zukommen könnte – auch bedingt durch Fortschritte in der Technologie selbst und durch KI-gestützten Datenanalyse. Für die Diagnostik von bakteriellen Infektionen wird die Massenspektrometrie in vielen Laboren bereits standardmäßig genutzt.
Ansatz für Bakterien in München
Für Bakterien haben Forscherinnen und Forscher in München einen Ansatz der Massenspektrometrie entwickelt, der das Identifizieren von Bakterien direkt in Stuhl- oder Gewebeproben ermöglicht. Grundlage ist eine Datenbank mit den entsprechenden Bakterienspezies und deren Stoffwechselprodukten. Damit soll der Erreger innerhalb weniger Minuten anstelle von Tagen identifiziert werden. Somit könnte dann auch die Therapie schneller beginnen. Die Datenbank der Stoffwechselprodukte soll weiter ausgebaut werden.
Quelle: RKI
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