Schwindel o.B.: Wahrnehmungsstörung könnte Grund sein

Probleme in der senso-motorischen Verarbeitung
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Dr. Cecilia Ramaioli (links) überprüft den Sitz des Helms mit Gewichten
Dr. Cecilia Ramaioli (links) überprüft den Sitz des Helms mit Gewichten bei einem Probanden. Prof. Nadine Lehnen stellt im Hintergrund den Computer für das Experiment ein. A. Heddergott / TUM
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Patientinnen und Patienten, die unter funktionellem Schwindel leiden, haben oft eine Odyssee zu unterschiedlichen Ärzten hinter sich, weil sich keine organischen Ursachen feststellen lassen. Ein Experiment an der TUM klärt nun erstmals mögliche Gründe für die Krankheit auf.

Die Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität München (TUM) hatten schon vor einigen Jahren die These aufgestellt, dass funktionelle Erkrankungen auf einer fehlerhaften Verarbeitung von Wahrnehmungsreizen beruhen. Das Team um Prof. Nadine Lehnen, Funktionsoberärztin der Psychosomatik am TUM-Universitätsklinikum rechts der Isar, konnte diese These nun mit einer ersten experimentellen Pilotstudie stützen.

Acht an funktionellem Schwindel Erkrankte und elf Gesunde als Vergleichsgruppe nahmen daran teil. Zudem wurden Daten von Schwindel-Patientinnen und -Patienten mit organischen Defekten herangezogen, die bereits in früheren Untersuchungen dasselbe Experiment durchlaufen hatten. Sie hatten entweder eine Kleinhirnstörung oder keine funktionierenden Gleichgewichtsnerven mehr.

Schwindel-Patienten zeigen starke Defizite

Während des Experiments saßen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einem dunklen Raum, wo in schnellem Wechsel links oder rechts an der Wand Lichtpunkte erschienen, zu denen sie blicken sollten. Die Augen- und Kopfbewegungen während der Blickbewegung wurden erfasst. Anschließend erhielten sie einen Helm mit Gewichten, um die Trägheit des Kopfes zu verändern. Beim Drehen wackelte der Kopf dadurch stark. Das Experiment wurde mit und ohne Helm durchgeführt.

Starke Einschränkung erkennbar

Die Gesunden konnten ihre Bewegung schnell an die neuen Gegebenheiten anpassen. Der Kopf wackelte bald nicht mehr. Alle Probanden mit funktionellem Schwindel taten sich hierbei jedoch schwer. Die Tatsache, dass sich Letztere dadurch genauso verhielten wie die Probanden mit massiven organischen Schwindelursachen, verblüffte das Forschungsteam. „Unsere Ergebnisse machen beeindruckend klar, dass sich funktioneller Schwindel so äußerte wie schwere körperliche Erkrankungen, zum Beispiel nach komplettem Verlust der Funktion der Gleichgewichtsnerven. Das spiegelt wider, wie stark diese Menschen eingeschränkt sind“, sagt Nadine Lehnen.

Experiment liefert mögliche Erklärung für funktionellen Schwindel

Auf der Basis von Vorerfahrung, die im Gehirn in Form sogenannter gelernter Modelle gespeichert wird, bilden Menschen eine Erwartung über die sensorischen Eindrücke, die durch eine Bewegung entstehen. Diese Erwartung wird mit den Informationen zum Beispiel von den Gleichgewichtsorganen verglichen. Verhält sich der Kopf anders als normal, passen beide Informationen nicht mehr zusammen. Es entsteht ein Ungleichgewicht zwischen Erwartung und Realität, was man als „Vorhersagefehler“ bezeichnet.

Große Studie geplant

„Gesunde können diesen Fehler problemlos wahrnehmen, verarbeiten und ihre Bewegung anpassen. Bei funktionellen Schwindel-Patienten scheinen die senso-motorischen Eindrücke jedoch nicht korrekt verarbeitet zu werden. Sie verlassen sich primär auf ihr gespeichertes Modell, das aber nicht mehr zur neuen Realität passt“, erklärt sie und ergänzt: „Für uns war spannend, dass bei ihnen aber ein Lernen möglich ist - nur eben eingeschränkt.“ Für sie wäre es deshalb wichtig, diese Menschen mit therapeutischen Ansätze zu behandeln, die dieses Verarbeitungsdefizit berücksichtigen. In einer geplanten großen Studie sollen die aktuellen Ergebnisse noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden. (idw, red)

Literatur:

Nadine Lehnen, Lena Schröder, Peter Henningsen, Stefan Glasauer, Cecilia Ramaioli: Deficient head motor control in functional dizziness: Experimental evidence of central sensory-motor dysfunction in persistent physical symptoms. Progress in Brain Research, 2019, DOI: 10.1016/bs.pbr.2019.02.006.

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