Tagungspräsidentinnen der 77. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) sind Prof. Dr. Bettina Löffler und PD Dr. Stefanie Deinhardt-Emmer vom Institut für Medizinische Mikrobiologie der Uni Jena. Sie geben im folgenden Interview einen Einblick in die Kongressinhalte.
Im Programm der DGHM-Jahrestagung stechen gleich mehrere ganz aktuelle Themen ins Auge. So wird es ein Symposium zum Thema „Antibiotikaresistenz gefördert durch Reisen, Migration und Krieg“ geben. Was wird dort besprochen?
Multiresistente Keime, die nur noch schwer oder gar nicht mehr mit Antibiotika behandelt werden können, stellen eine erhebliche Gefahr für unser Gesundheitssystem dar – insbesondere für multimorbide und geschwächte Patientinnen und Patienten. Diesem Problem begegnen wir durch Antimicrobial-Stewardship-Programme und strikte Hygienerichtlinien, um die Entstehung und Verbreitung solcher Keime im Krankenhaus zu verhindern.
In manchen Ländern, etwa in Südeuropa oder Asien, wo solche Maßnahmen weitgehend fehlen, sind multiresistente Keime bereits sehr verbreitet und prägen den Krankenhausalltag. In unserer täglichen diagnostischen Routine stellen wir zunehmend fest, dass multiresistente Erreger vermehrt durch Reisetätigkeiten von Patientinnen und Patienten, durch Geflüchtete sowie durch Verletzte aus dem Ukrainekrieg auftreten. Auf diese Entwicklungen in unserer mobilen Gesellschaft müssen wir mit Strategien der öffentlichen Gesundheit vorbereitet sein. Auf der DGHM-Jahrestagung werden wir dieses Thema in einer Plenarsitzung aufgreifen: Der Schweizer Infektiologe Laurent Poirel wird über den therapeutischen Kampf gegen multiresistente gramnegative Keime referieren. Zudem wird Stefan Niemann, ein weltweit anerkannter Experte auf dem Gebiet der Tuberkulose-Epidemiologie, über den Anstieg und die Gefahren resistenter Mycobacterium-tuberculosis-Stämme sprechen.
Weiterhin werden im Hygienesymposium gleich zwei Erreger angesprochen, die in den letzten Monaten für viele Schlagzeilen und große Verunsicherung in der Bevölkerung gesorgt haben: H5N1-Influenza und Mykoplasmen. Welches sind die neuen (hygienischen) Herausforderungen im Zusammenhang mit diesen Viren? Und ist H5N1 wirklich ein Virus mit Pandemiepotenzial?
H5N1 und Mykoplasmen sind zwei ganz unterschiedliche Erreger, die dennoch im Hygienekontext aktuell große Aufmerksamkeit verdienen. Auch wenn Mykoplasmen oft mit Viren in einem Atemzug genannt werden, handelt es sich hierbei um Bakterien, die keine klassische Zellwand besitzen und daher gegen viele gängige Antibiotika unempfindlich sind. Das erschwert die Behandlung und erfordert ein besonderes Augenmerk in der Hygiene, um Ausbreitung in sensiblen Bereichen zu verhindern.
Bei H5N1 handelt es sich dagegen um ein hochpathogenes Influenza-A-Virus, das vor allem aus der Tierwelt, insbesondere aus Geflügelbeständen, auf den Menschen überspringen kann. Neuere Studien zeigen, dass Infektionen beim Menschen bislang in der Regel mild verlaufen. Aufgrund seiner genetischen Variabilität und der Möglichkeit, sich an den Menschen anzupassen, wird H5N1 von der Fachwelt als Virus mit Pandemiepotenzial eingestuft. Spannend und hygienisch relevant ist auch, dass es inzwischen zu Infektionen bei Milchkühen gekommen ist. Dies erweitert den Kreis der möglichen tierischen Reservoirs. Deshalb sind eine enge Überwachung und das Unterbrechen von Übertragungswegen weiterhin entscheidend. Mykoplasmen sind klassische Erreger atypischer Pneumonien, die häufig unterdiagnostiziert bleiben. Dank neuer mikrobiologischer Verfahren, wie etwa Multiplex-PCR-Systemen, ist inzwischen eine schnelle und zuverlässige Identifizierung dieser Erreger in Atemwegsmaterialien möglich. Die gewonnenen Ergebnisse können sowohl zur gezielten Therapieplanung als auch zur Erkennung von Ausbrüchen und zur Steuerung von Epidemien genutzt werden.
Spannung verspricht überdies das Symposium „One Health und Infektionsprävention“. Beim One-Health-Ansatz versucht man fächerübergreifend der Übertragung von Krankheitserregern zwischen Mensch, Tier und Umwelt entgegenzuwirken, richtig? Können Sie dazu noch etwas mehr berichten!
Korrekt, der One-Health-Ansatz umfasst zahlreiche Aspekte, unter anderem die Übertragung von Krankheitserregern zwischen Mensch, Tier und Umwelt. Als weltweit bedeutsame Erkrankung haben wir für eine Plenarsitzung Malaria ausgewählt – verursacht durch Parasiten der Gattung Plasmodium und übertragen durch Anopheles-Mücken. Rund 40 % der Weltbevölkerung lebt in Malaria-Endemiegebieten, in denen schätzungsweise 200 Millionen Menschen pro Jahr erkranken. Weltweit sterben jährlich etwa 600.000 Menschen an Malaria, rund drei Viertel davon sind Kinder unter fünf Jahren. Damit zählt Malaria zu den bedeutendsten Infektionskrankheiten der Menschheit.
Johannes Krause, Leiter des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie, wird anhand von Analysen prähistorischer und neuzeitlicher Funde aufzeigen, wie sich Plasmodium-Spezies im Verlauf der Menschheitsgeschichte weiterentwickelt und ausgebreitet haben. Diese faszinierenden Erkenntnisse verdeutlichen, wie stark die Menschheitsgeschichte durch das Auftreten von Infektionskrankheiten geprägt ist. Silvia Portugal, Leiterin einer Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für die Biologie von Malariaparasiten, wird die raffinierten Überlebensstrategien der Erreger vorstellen, die es ihnen ermöglichen, selbst lebensfeindliche Trockenzeiten zu überstehen. Das Verständnis dieser komplexen Infektionsmechanismen und der engen Verbindung zwischen Parasit und Mensch ist entscheidend, um wirksame präventive und therapeutische Strategien gegen Malaria zu entwickeln.
Frau Dr. Deinhardt-Emmer, die Coronapandemie hat ein öffentliches Trauma hinterlassen. Sie koordinieren den BMBF-Forschungsverbund SARSCoV2Dx in Jena, der Methoden zur schnelleren Diagnostik von viralen Atemwegsinfektionen entwickelt. Was ist das Ziel und woran arbeiten Sie aktuell?
COVID-19 hat uns gezeigt, wie wichtig Geschwindigkeit und verlässliche Daten in einer Pandemie sind. Genau das ist das Ziel unseres Forschungsverbunds SARSCoV2Dx: Wir wollen beim nächsten Mal schneller reagieren können. Gemeinsam mit Partnern vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI), dem Leibniz-Institut für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena entwickeln wir neue Strategien zur schnellen Erkennung und Charakterisierung von Erregern. Im Verbundprojekt testen wir Wirkstoffe, nutzen innovative Modellsysteme wie das humane Lungenschnittmodell und evaluieren hochauflösende diagnostische Verfahren wie die Atomic Force Microscopy. Neben diesen experimentellen Ansätzen arbeiten wir auch strategisch im Bereich pandemic preparedness, um beim nächsten Mal frühzeitig präzise Daten zu neuen Erregern zu gewinnen und Diagnostik wie Krisenmanagement entscheidend zu beschleunigen.
Frau Professor Löffler, Sie forschen unter anderem zu Staphylococcus aureus. Geht es dabei um Antibiotikaresistenz oder was ist das Gefährliche an diesem Bakterium? Gibt es neue Forschungsergebnisse?
Staphylokokken-Infektionen sind ein Forschungsschwerpunkt unseres Instituts. Staphylococcus aureus ist ein gefährliches Pathogen, das Infektionen im gesamten Körper verursachen kann und sowohl im Krankenhaus als auch im ambulanten Bereich häufig auftritt. Bei S. aureus treten auch resistente Erreger auf, etwa Methicillin-resistente S. aureus-Stämme (MRSA). Diese Infektionen können nicht mehr mit den hochwirksamen Beta-Laktam-Antibiotika behandelt werden, sondern erfordern den Einsatz von Reservesubstanzen, die teilweise geringere Heilungsraten aufweisen. Die MRSA-Rate ist in den letzten Jahrzehnten jedoch rückläufig, und es stehen inzwischen mehrere Reservesubstanzen zur Verfügung, mit denen MRSA-Infektionen erfolgreich behandelt werden können.
Staphylococcus aureus-Infektionen sind besonders gefährlich, da diese Bakterien eine Vielzahl von Virulenzfaktoren produzieren, die Gewebe schädigen, Krankheiten auslösen und lebensbedrohliche Verläufe verursachen können. In unserem Labor untersuchen wir mithilfe verschiedener Infektionsmodelle, wie diese Virulenzfaktoren wirken. Zudem kann sich S. aureus dem Immunsystem und Antibiotikatherapien geschickt entziehen, indem es persistierende Formen im Gewebe sowie Biofilme bildet. Dies stellt insbesondere bei Knocheninfektionen und beim Einsatz von Fremdmaterial wie Prothesen ein gravierendes Problem dar. Um dem vorzubeugen, entwickeln und analysieren wir derzeit gemeinsam mit dem Institut für Materialwissenschaften in Jena im Rahmen eines DFG-geförderten Graduiertenkollegs („Materials–Microbes–Microenvironments“) neue Materialien, die das Anheften von Bakterien und das Entstehen von Infektionen verhindern sollen. Kurz gesagt: Wir versuchen sowohl die biologischen Tricks der Bakterien besser zu verstehen als auch neue Strategien zu entwickeln, um ihnen künftig den entscheidenden Schritt voraus zu sein.
Letzte Frage an Sie beide, was ist Ihr persönliches Highlight des DGHM-Kongresses oder worauf freuen Sie sich am meisten?
Für uns ist der DGHM-Kongress jedes Jahr ein besonderes Highlight – nicht nur wegen der spannenden wissenschaftlichen Beiträge, sondern auch, weil er eine einmalige Gelegenheit bietet, die gesamte mikrobiologische Community zu einem intensiven Austausch und zur Diskussion neuer Forschungsergebnisse zusammenzubringen. Daraus ergeben sich immer frische Impulse für unsere eigene Arbeit. Ganz persönlich sind wir gespannt auf die Plenarsitzungen zu den großen globalen Infektionsthemen. Für diese dringlichen, aktuellen Fragestellungen, zu denen intensiv geforscht wird, braucht es wegweisende Ergebnisse.
Weitere Höhepunkte des Kongresses werden die Fortbildungsprogramme einschließlich Laborführungen und der Besuch des Zeiss-Planetariums sein, wo ein unterhaltsamer Film unseres Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“ gezeigt wird.
Quelle: Conventus
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