Seit dem vergangenen Jahr ist das Sana-Krankenhaus Bergen auf der Insel Rügen mittels Tele Stroke probeweise direkt mit den Schlaganfallexperten an der Universitätsmedizin Greifswald verbunden. Die erfolgreiche telemedizinische Brücke soll nun auf Initiative der Neurologischen Klinik auf weitere Standorte und medizinische Anwendungsfelder in Vorpommern ausgeweitet werden, erstmals auch auf eine hausärztliche Praxis in Anklam.
Der Minister für Wirtschaft, Bau und Tourismus, Harry Glawe, hat sich in der vergangenen Woche über das Tele-Stroke-Netzwerk an der Universitätsmedizin Greifswald informiert und einen Zuwendungsbescheid an den Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie, Prof. Christof Kessler, übergeben. „Mit der Unterstützung des Projektes der Universitätsmedizin Greifswald fördern wir den gezielten Ausbau der Tele-Neurologie. Das ist ein innovativer, patientenorientierter Ansatz für die bessere Versorgung von Patienten mit neurologischen Erkrankungen. Menschen mit neurologischen Erkrankungen in Kliniken ohne entsprechende Fachabteilungen können so mit Hilfe modernster Kommunikationstechnologien durch die Universitätsmedizin Greifswald schnellstmöglich fachärztlich versorgt werden“, sagte Glawe.
Wirtschaftsministerium unterstützt Machbarkeitsstudie
Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie soll geprüft werden, inwieweit Tele-Neurologie auch in einer Allgemeinpraxis fachärztliche Versorgungslücken schließen und die Behandlungsqualität für neurologisch erkrankte Patienten verbessert werden kann. „Die Ergebnisse können über die Grenzen von Mecklenburg-Vorpommern hinaus von wesentlicher Bedeutung sein, da es sich um ein Modellprojekt handelt“, unterstrich Glawe. Das Wirtschaftsministerium fördert das Vorhaben mit einer Laufzeit von zwei Jahren in Höhe von 90.000 Euro aus Landesmitteln. Die Neurologie der Universitätsmedizin Greifswald ist ein Zentrum mit einer überregionalen Schlaganfallstation (Stroke Unit), einem überregionalen Epilepsie-Zentrum mit Video-Überwachung und einer Epilepsiechirurgie, dem Muskelzentrum Mecklenburg-Vorpommern sowie einem Zentrum für Bewegungsstörungen (z. B. Parkinsonerkrankungen).
Lücken auf dem Land schließen
„Die Neurologische Klinik der Universitätsmedizin Greifswald ist dabei, mit Hilfe der Telemedizin Lücken in der fachärztlichen Versorgung in unserem Land zu schließen“, erklärte Professor Christof Kessler. „Auf dem Weg zum Gesundheitsland Nummer eins ist auch eine optimale ärztliche Versorgung anzustreben. Als Flächenland hat Mecklenburg-Vorpommern das Problem der weiten Wege, so dass die Patienten größere Strecken zurücklegen müssen, um zum nächsten Facharzt zu kommen. Ferner müssen in den Sommermonaten zusätzlich eine hohe Anzahl von Touristen mitversorgt werden. Gerade beim Schlaganfall und ähnlichen Akutfällen kommt es jedoch auf jede Sekunde an, um das Überleben zu sichern und Langzeitschäden zu verhindern.“
Patient, Hausarzt und Neurologe in der Telekonferenz
Das teleneurologische Konzept sieht vor, dass Schlaganfallpatienten, die in Kliniken ohne neurologische Fachabteilung aufgenommen werden, umgehend den Experten des Greifswalder Schlaganfallzentrums per Videoschaltung vorgestellt werden. Anschließend wird entschieden, ob der Patient in der dortigen Klinik bleiben kann oder per Hubschrauber bzw. Notarztwagen zur Intensivbehandlung in die Neurologische Universitätsklinik verlegt werden muss.
„Seit einem Jahr testen wir das sehr erfolgreich mit dem Sana-Krankenhaus Bergen auf Rügen“, sagte Kessler. „Nun gilt es, diesen Ansatz zu verstetigen. Durch die Anbindung an ein überregionales Zentrum wird es ermöglicht, rund um die die Uhr akute neurologische Erkrankungen zu diagnostizieren und zu behandeln. Das Netzwerk stärkt zudem die hoch frequentierte Tourismusregion Rügen.“
Zweite Klinik anschließen
Jetzt soll mit dem DRK-Krankenhaus Teterow zeitnah eine zweite Klinik an das Tele-Netzwerk angeschlossen werden. Erstmals wird auch eine allgemeine Hausarztpraxis in das Tele-Stroke-Netz eingebunden. Dabei handelt es sich um die hausärztliche Gemeinschaftspraxis von Dr. Hans-Michael Dittrich und Christian Engel in Anklam, die mit dem dort niedergelassenen Mediziner und Internisten Dr. Gregor Feldmeier als Projektpartner fungiert.
„Wir wollen zusätzlich Patienten mit anderen neurologischen Erkrankungen, also nicht nur Schlaganfallpatienten, mitbetreuen“, erläuterte der Neurologe und Greifswalder Klinikdirektor Prof. Christof Kessler. „Die Palette reicht von epileptischen Anfällen bis hin zu Parkinsonpatienten. Damit betreten wir Neuland.“ Die gemeinsame Konsultation erfolgt zwischen Hausarzt, Neurologen und Patienten. Somit können für den Patienten weitere diagnostische Schritte, Therapiekonzepte und anschließende Verlaufskontrollen im vertrauten Umfeld und ohne lange Anfahrtswege erfolgen.
Digitalisierung in der Gesundheitswirtschaft legt an Tempo zu
„Die Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft hat an Tempo zugelegt. Dabei können wir hier in Mecklenburg-Vorpommern auf bereits in der Vergangenheit erfolgreich umgesetzte Projekte zurückgreifen“, machte Wirtschaftsminister Glawe deutlich. Exemplarisch dafür stehe „AGnES“ (Arzt-entlastende, gemeindenahe, E-Health-gestützte, systemische Intervention), die Delegation hausärztlicher Leistungen auch mittels Telemedizin, die inzwischen bundesweit in die Regelversorgung übergegangen ist. Bereits 2009 wurde in Greifswald der erste Integrierte Funktionsbereich Telemedizin (IFT) etabliert, um die neuen technischen Möglichkeiten für eine qualitativ hochwertige Patientenbetreuung nutzbar zu machen.
Hintergrundinformationen:
Die Förderung des Pilotprojekts zur Verbesserung der fachneurologischen Versorgung in strukturschwachen Regionen MV erfolgt aus Mitteln des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Das Vorhaben unterstützt insgesamt die Strategie des Landes Mecklenburg-Vorpommern, die im Masterplan Gesundheitswirtschaft MV 2020 verankert wurde. In der EU-Förderperiode 2014 bis 2020 werden in Mecklenburg-Vorpommern für die Förderung von Projekten der Gesundheitswirtschaft rund zehn Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus werden ca. 30 bis 40 Prozent der EU-Mittel für Forschung und Entwicklung, insgesamt 168 Millionen Euro, für den Schwerpunkt Medizintechnik und Biotechnologie eingesetzt.
#Schlaganfall Rund 200.000 Menschen erleiden in Deutschland jedes Jahr einen Schlaganfall, an dessen Folgen viele Betroffene sterben. Damit ist der Infarkt im Gehirn die dritthäufigste Todesursache und der häufigste Grund für Behinderungen und Pflegebedürftigkeit im Erwachsenenalter. In erster Linie betrifft die Erkrankung zwar ältere Menschen, aber jährlich erleiden auch 200 bis 300 Kinder einen Schlaganfall. Ausgelöst wird diese Katastrophe im Kopf, wenn Blutgefäße verstopfen oder platzen. Es entsteht ein plötzlicher Sauerstoffmangel, der die Hirnfunktionen und damit die Steuerung des Körpers beeinträchtigt. Oft kommt es zu Bewusstseinsstörungen, halbseitigen Lähmungen und Ausfallerscheinungen des Sprech- oder Sehvermögens. (idw, red)
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