Auch die PKV leidet unter steigenden Ausgaben

Wie soll gegengesteuert werden?
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Deutschlands Gesundheitssystem ist zu teuer und die Ergebnisse gemessen an der Lebenserwartung sind unterdurchschnittlich. Reformen sind nötig.

Die LBBW hat jüngst das deutsche Gesundheitssystem unter die Lupe genommen und kommt zu wenig schmeichelhaften Ergebnissen. Deutschlands Gesundheitssystem werde fast stetig teurer und koste mit 12 % des BIP im internationalen Vergleich zu viel, so die Analysten. Deutschland habe im Jahr 2023 hinsichtlich der Lebenserwartung nicht nur einen europäischen Spitzenplatz verfehlt, sondern mit 83,0 Jahren für Frauen und 78,3 Jahren für Männer sogar leicht unter dem EU-Durchschnitt gelegen.
Entsprechend wird derzeit in Politik, Wirtschaft und Verbänden viel über die Einsparmöglichkeiten in der gesetzlichen Krankenversicherung GKV diskutiert und immer neue Modelle/Reformen werden aufs Tapet gebracht. Doch wie sieht es eigentlich bei den Privatversicherungen aus? So hatte der PKV Verband jüngst angekündigt, dass im kommenden Jahr im Schnitt die Beiträge der PKV Versicherten nochmals um 13% klettern werden. Für 2025 hatte sich schon gezeigt, dass für rund zwei Drittel der Privatversicherten die Beiträge zum 1. Januar 2025 steigen mussten. Die durchschnittliche Anpassung lag für sie bei etwa 18 Prozent. Über alle Versicherten dieser Unternehmen hinweg hatte die durchschnittliche Anpassung insgesamt rund 12 Prozent betragen. Nicht erfasst waren Versicherte, deren Unternehmen die Beiträge unterjährig anpassen. Zum 1. Juli 2025 mussten zudem die Beiträge im Standardtarif (durchschnittlich von 400 auf 500 Euro) und Basistarif teils deutlich erhöht werden. Gleichzeitig rühmt sich der PKV Verband, dass 2023 laut Wissenschaftlichem Institut der Privaten Krankenversicherung (WIP) 44,95 Milliarden Euro durch Privatpatienten in das deutsche Gesundheitssystem geflossen seien. Wären sie gesetzlich versichert, gingen 14,46 Milliarden Euro, also über ein Drittel davon, verloren. Was sich für die Empfänger gut anhört, muss allerdings auf der anderen Seite auch bezahlt werden. Betont wird vom PKV Verband, dass für Privatversicherte unter anderem die Behandlungskosten ohne Budgetgrenzen erstattet werden und damit für viele medizinische Leistungen höhere Honorare gezahlt werden, was sie für die Ärzteschaft lukrativer macht. Vor allem im Bereich der ambulanten Versorgung ist der Mehrumsatz erheblich. Die Arztpraxen würden ohne die Privatversicherten laut WIP jährlich 7,99 Milliarden Euro einbüßen. Umgerechnet seien das durchschnittlich über 74.000 Euro pro Jahr, die je niedergelassenem Arzt im Vergleich zu heute fehlen würden. Nach den kräftigen Beitragssteigerungen der vergangenen Jahre stellt sich damit aber auch bei der PKV die Frage der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells. Zumal für die GOÄneu Bundesärztekammer und PKV Verband bereits von nochmals zusätzlichem Vergütungszuwachs von 13,2% innerhalb von drei Jahren ausgehen. Schon seit einiger Zeit gibt es zudem ein Merkblatt der Bundesärztekammer zu abweichenden Honorarvereinbarungen sowie zur Anwendung höherer Steigerungsfaktoren auf Grundlage der (alten) Gebührenordnung für Ärzte. Böse Zungen sprechen inzwischen von den Privatversicherten als den Melkkühen des Systems. MT im Dialog hat deshalb bei großen PKV-Anbietern nachgefragt, wie dort die Einsparmöglichkeiten gesehen werden.

46 Gesellschaften buhlen um Kunden

Laut LBBW sind hierzulande aktuell 46 Gesellschaften in der PKV tätig, die im Jahr 2024 – ohne private Pflegeversicherung – insgesamt 43,8 Mrd. Euro an Prämieneinnahmen generiert haben. Sie hatten 2024 einen Anteil an den Ausgaben von 8,4% (GKV: 55,8%). Bei den Top-10-Gesellschaften der PKV sei eine Verwaltungskostenquote von 2,3% zu sehen. Dies lege nahe, dass große Krankenversicherer überwiegend keine nennenswerten Skalenvorteile realisieren könnten, so die LBBW. Im Fall des Marktführers Debeka, der mit 1,5% eine klar unterdurchschnittliche Verwaltungskostenquote aufweise, sei indes zu beachten, dass dieser – dank seiner Fixierung auf Beamte mit Beihilfeanspruch – von einer günstigen Versichertenstruktur profitiere, die sich auch auf die Verwaltungskostenquote auswirken dürfte. Betrachte man die Kostenquote (Verhältnis von Betriebsaufwendungen zu Versicherungsleistungen), so habe sich im Jahr 2023 für die GKV ein Wert von 4,4 % und für die PKV von 12,1 % ergeben. Allerdings seien hier die hohen Aufwendungen für Abschlusskosten zu beachten. Bereinigt wären es demnach nur 2,9 %. Die LBBW geht indes davon aus, dass die Dualität von GKV und PKV zu Ineffizienzen führt. So seien für PKV-Versicherte häufig innovative Arzneimittel deutlich schneller verfügbar als für GKV-Versicherte. Die von der GKV zu tragenden Preise für Arzneimittel wiederum seien in der Regel niedriger als im Fall der PKV, was unter anderem an Rabattverträgen, Budgetierungen und Aut-idem-Regeln (d.h. der Pflicht zur Substitution von Originalpräparaten durch Generika) liege. Schließlich entstünden aber auch Ineffizienzen, indem der Wechsel von Versicherten zwischen GKV und PKV in beiden Richtungen teilweise gesetzlich behindert oder gar verhindert werde. 

Wie PKV-Anbieter reagieren

Nachdem immer wieder die Diskussionen über falsche Abrechnungen hochkochen, betont der PKV-Branchenprimus, die Debeka, auf Nachfrage, dass bei einer Feststellung von auffälligen Rechnungen im Rahmen von Prüfungen, diese an einen speziellen Fachbereich weitergegeben werden. Gerade in diesem Bereich werden laut Debeka mittlerweile sehr erfolgreich spezielle Softwareprogramme zur Betrugserkennung eingesetzt. Daneben werden als wichtigste Maßnahmen zur Stabilisierung der Beitragssätze die Förderung der individuellen Prävention (Gesundheitsservices und Präventionsangebote), digitale Gesundheitsangebote (u.a. ePA), Arzneimittel-Rabattverträge (Einsatz von Generika), Kooperationen mit Kliniken und Ärzten, gesundheitsökonomische Evaluation von Versorgungsprogrammen sowie eine Senkung der Verwaltungskosten durch Digitalisierung (Optimierung interner Prozesse) genannt. 

Die Allianz PKV verweist u.a. auf die Möglichkeit, Zuschüsse aus den Rückstellungen zur Verfügung zu stellen, um die Beitragserhöhungen der Versicherten zu reduzieren, was allerdings keine Kostensenkung im eigentlichen Sinne darstellt. Bei der Beitragsanpassung für 2025 habe dieser Zuschuss über 680 Millionen Euro (sog. Limitierung) betragen. Daneben wird ebenfalls die Digitalisierung als Kosteneinsparmaßnahme genannt. So werden bereits 77 % der zugesandten Belege automatisch verarbeitet. Betont wird von den Münchenern zudem die Mitgliedschaft im Netzwerk „Innovatives Versorgungsmanagement IVM”. Das Netzwerk ist eine Kooperation von privaten Krankenversicherern im Bereich des Leistungs- und Versorgungsmanagements mit dem Ziel, Versorgungsprozesse und Versorgungsqualität der Versicherten auf einem optimalen Niveau zu halten. Zum Netzwerk gehören neben der Allianz PKV auch AXA, Debeka, HUK-COBURG und Konzern Versicherungskammer (Union Krankenversicherung und Bayerische Beamtenkrankenkasse). Es seien in diesem Zusammenhang Verträge zu Pharmarabatten sowie zum Versorgungsmanagement und Homecare-Verträge geschlossen worden. Ebenfalls verweist die Allianz auf ihre Präventionsprogramme.

Die Axa PKV bestätigt, dass der Anstieg der Leistungsausgaben der letzten Jahre das gesamte Gesundheitssystem betreffe – insbesondere im stationären Bereich, in der ambulanten Versorgung oder im Bereich der Arzneimittel. Zudem sei an vielen Stellen eine noch fragmentierte und nicht verzahnte Versorgung zu sehen. Dies führe zu Ineffizienzen und häufig zu Mehrkosten. Neben dem bereits erwähnten IVM seien mit ausgewählten Pharmaunternehmen direkte Kooperationen und Rabatte vereinbart worden. Dies betreffe Originalpräparate, Generika und Biosimilars. Gleichzeitig sollen mit dem gesundheitsservice360° kostenintensive Doppeluntersuchungen, Überversorgung aber auch Unterversorgung vermieden werden. Digitale Hilfsangebote sollen zudem niedrigschwelligen Zugang sicherstellen. Die Axa betont außerdem, dass es bereits den Zugang zur ePA für die Kunden gebe. Daneben werden Patientendaten genutzt, um z.B. Angebote zu Patientenbegleitprogrammen zu machen. 

Bei der Signal Iduna heißt es, dass eine sorgfältige Rechnungsprüfung selbstverständlich sei. Darüber hinaus nennt der Versicherer noch zwei Beispiele zur Kostendämpfung. Dazu gehört der Ausbau des Case Managements, bei dem Patienten mit komplexen Krankheitsbildern proaktiv durch den gesamten Behandlungsprozess begleitet werden sollen. Dies optimiere Abläufe und vermeide unnötige Kosten. Zudem wird auf die Intensivierung von Qualitäts- und Rabattpartnerschaften hingewiesen. Damit sollen vorteilhafte Konditionen erzielt werden. Signal Iduna gibt aber zu, dass damit die systembedingten Steigerungen zwar abgefedert, aber nicht vollständig kompensiert werden könnten. 

Ergänzung vom 20.10.25:

Die Ergo/DKV wollte sich leider nicht zu Einsparmöglichkeiten äußern.

Ergänzung vom 22.10.25:

Die Generali betont, dass sie zielgerichtet in Digitalisierung und KI investiere, zum einen in die Digitalisierung von Produkten, Prozessen und Services, zum anderen in den Ausbau von Data Analytics, um noch individueller auf die Kundenwünsche eingehen zu können. Zu den möglichen Kostensenkungsmaßnahmen innerhalb der einzelnen Tarife o.ä. gibt das Unternehmen zu bedenken, dass Kostensenkungsmaßnahmen sich auch in der PKV nur auf nicht versicherte Leistungen des Kunden, überhöht abgerechnete Honorare der Leistungserbringer oder medizinisch nicht notwendige Behandlungen beziehen können und sie würden in allen Tarifen nach gleichen Maßstäben und den jeweils dort versicherten Leistungen angewendet. Diese Maßnahmen hätten aktuell den stärksten Einfluss darauf, die Kostenentwicklung für die Versichertengemeinschaft einzudämmen. Verträge zu günstigeren Honoraren mit einzelnen Leistungserbringern im ambulanten oder stationären Sektor biete Generali nicht an. Zum einen seien solche Verträge meist nur auf wenige Leistungserbringer begrenzt und damit für Kunde, Leistungserbringer und Versicherung unwirtschaftlich, zum anderen fehle häufig die Bereitschaft bei den Kunden, sich auf wenige „Vertragsärzte“ zu beschränken. Allerdings biete das Unternehmen für flächendeckend verfügbare Dienstleistungen über einzelne Partner durchaus günstigere Versorgungsoptionen im Bereich der Hilfsmittelversorgung an.

Bei der Frage zu „Abrechnungsfehlern“, die immer mal durch die Medien geistern, seien drei Formen zu unterscheiden:

a) Der Leistungserbringer bzw. die Abrechnungsstelle stellt für die erbrachte Leistung eine nach Abrechnungsauffassung der Generali überhöhte Rechnung auf (Steigerungsfaktoren, Kombination von Abrechnungsziffern für eine Leistung etc.). Die Prüfung dieser Konstellation erfolge bei allen Abrechnungen nach einem einheitlichen Standard und sei ein wichtiger Hebel für einen moderateren Anstieg der Leistungsausgaben.
b) Es werden Leistungen abgerechnet, die nicht oder nicht in vollständigem Umfang erbracht wurden. Diese Form der überhöhten Abrechnungen seien deutlich komplexer zu ermitteln. Die Assekuranz arbeite hier intensiv daran, auch diese Prüfung technisch unterstützt weiter zu verbessern.
c) Es werden vorsätzlich gefälschte Rechnungen eingereicht. Auch hierzu gebe es eine spezialisierte Bearbeitung, um diese zu ermitteln. 

In Bezug auf die Prävention sei bei den meisten der Generali PKV-Tarife Vorsorge ein fester Bestandteil des Leistungsversprechens. Für zahlreiche Krankheiten und Risikofaktoren würden den Kunden spezielle Gesundheitsservices angeboten. Ziel dabei sei es, dem Kunden zu helfen, schneller gesund zu werden bzw. besser mit einer chronischen Erkrankung leben zu können und dadurch auch Leistungsausgaben zu senken. Dennoch sei klar, dass bei einer alternden Gesellschaft, mit einer kränker werdenden Gesellschaft und einem Anstieg der Behandlungskosten, der Hauptinflationsteil bei der PKV nur durch regulatorische/politische Eingriffe begrenzt werden könne. 

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