Citrat ist essenziell für den Stoffwechsel und die Entwicklung von Nervenzellen. Ein Transportprotein für Citrat in den Membranen, genannt SLC13A5, spielt dabei eine zentrale Rolle und wurde in der Vergangenheit mit einer besonders schweren Form der epileptischen Enzephalopathie in Verbindung gebracht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des CeMM Forschungszentrums für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften haben die Funktion und Struktur des Membrantransporters SLC13A5 umfassend erforscht und konnten dabei die Mechanismen dieser Erkrankung aufdecken sowie die Grundlage für eine weiterführende Erforschung der Epilepsie – und anderer Krankheiten – schaffen.
Citrat, das negativ geladene Ion der Zitronensäure, ist ein elementarer Bestandteil im Stoffwechsel jeder Zelle. Im nach ihm benannten Citratzyklus – der „Drehscheibe“ des Stoffwechsels – werden organische Substanzen abgebaut und dabei chemische Energie gewonnen, aber auch verschiedenste Ausgangsstoffe für die Biosynthese von Fettsäuren und wichtigen Signalmolekülen produziert, die bei Entzündungen oder für die Zellentwicklung von Bedeutung sind.
Für Nervenzellen spielt Citrat eine besonders wichtige Rolle: Als „Neuromodulator“ beeinflusst es deren Aktivität und ist daher im Liquor (der Gehirnrückenmarksflüssigkeit) in relativ hohen Konzentrationen vorhanden. Entsprechend hoch ist auch die Zahl an SLC13A5-Membrantransportern in Neuronen, sie sorgen für die Einfuhr des Citrats in die Nervenzellen. Ist dieser Transporter nicht voll funktionsfähig, kann das zu der sogenannten SLC13A5-Citrattransporter-Defizienz führen, einer schweren Form der Epilepsie, die mit einer gestörten Gehirnentwicklung einhergeht (im Fachjargon auch entwicklungsbedingte epileptische Enzephalopathie [DEE] genannt). Sie ist auf Mutationen im SLC13A5-Gen zurückzuführen – doch welche Mutationen das sind, welchen Effekt sie auf die molekulare Wirkungsweise des Transporters haben und wie sie den Krankheitsverlauf beeinflussen, darüber war bisher relativ wenig bekannt.
Zehntausend Mutationen untersucht
Um diese Wissenslücke zu schließen, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am CeMM Forschungszentrum ein „deep mutational scanning“ (DMS) durchgeführt, bei dem der Effekt von knapp zehntausend verschiedenen genetischen Mutationen auf die Funktionsweise des SLC13A5-Transportproteins untersucht wurde.
Die erhaltenen Daten wurden dann durch computergestützte Analysen zur Proteinstabilität ergänzt und 38 mutierte SLC13A5-Varianten ausgewählt, die experimentell ausgewertet wurden. So konnten verschiedene molekulare Mechanismen aufgedeckt werden, die mit der Ausprägung der Krankheit in Verbindung stehen. Dazu zählen unterschiedliche Produktionsmengen der Transporter in den Nervenzellen, ihre genaue Lokalisierung in der Zellmembran sowie die Messung der tatsächlichen Citrattransportrate.
„Mit diesen Ergebnissen konnten wir krankheitsverursachende Varianten des SLC13A5-Transporters identifizieren und charakterisieren“, erklärt Co-Erstautor Wen-An Wang und fasst damit die zentralen Erkenntnisse der Studie zusammen. „Zusätzlich haben wir durch computergestützte Analysen der mutierten Varianten die Stabilität der Proteine in verschiedenen Konformationen bewertet und einen evolutionären Erhaltungsscore für alle Varianten erstellt“, ergänzt Co-Erstautor Evandro Ferrada, der inzwischen an der Universität von Valparaíso in Chile tätig ist.
Entschlüsselung der „Logistik der Zelle“
„Unsere Arbeit zeigt, wie entscheidend es ist, die Wirkung genetischer Varianten systematisch zu untersuchen. Gerade bei seltenen Erkrankungen wie der SLC13A5-Citrattransporter-Defizienz, einer spezifischen Form der Epilepsie, hilft uns dieser Ansatz, molekulare Krankheitsmechanismen aufzudecken“, betont Studienleiter Giulio Superti-Furga. „Zugleich lernen wir viel über die Bedeutung von Varianten, wie sie auch in der Allgemeinbevölkerung vorkommen – ein wichtiger Schritt hin zu einem umfassenderen Verständnis genetischer Vielfalt und ihrer Auswirkungen auf die Gesundheit.“
Die an der Studie beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurden bei ihrer Arbeit von dem REsolution-Konsortium unterstützt, dem Nachfolger von RESOLUTE, einem Großprojekt unter der Leitung von Giulio Superi-Furga am CeMM, bei dem die Gesamtheit aller SLC-Transporter funktionell kartiert und dabei die „Logistik der Zelle“ entschlüsselt wurde. Patientendaten wurden von der TESS Research Foundation, die sich der Erforschung der SLC13A5-Citrattransporter-Defizienz verschrieben hat, zur Verfügung gestellt.
Quelle: idw
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