Die Krankheit wurde nach dem Arzt George Huntington benannt, der diese 1872 als erster beschrieb. Laut Uniklinik Freiburg geht man in Europa von 6 bis 12 Betroffenen auf 100.000 Einwohner aus. Die Erkrankung wird oft mit einer Zeitverzögerung diagnostiziert, denn die Symptome sind gerade zu Beginn uncharakteristisch. Allerdings ist der Verlauf progredient. Pflegebedürftigkeit ist oft die Folge. Die meisten Patienten versterben innerhalb von 15 bis 20 Jahren nach Krankheitsbeginn. Eine bessere Einschätzung des Krankheitsverlaufs kann somit nicht nur den Patientinnen und Patienten helfen, sondern auch der Forschung dienen. Die neue Studie unter der Leitung von Wissenschaftlern des University College London (UCL) und von Roche beschreibt nun, wie die Digitalisierung von Tests zur Messung des Fortschreitens motorischer Symptome bei Menschen mit Huntington-Krankheit helfen könnte. Nachdem die Teilnehmer fünf einfache Tests zur Bewegungskontrolle absolviert haben, darunter die Beurteilung des Gleichgewichts, des Fingertippens und unwillkürlicher Bewegungen, wird ein Huntington’s Disease Digital Motor Score (HDDMS) berechnet.
Krankheitsverlauf mithilfe des HDDMS überwachen
Ein niedrigerer HDDMS-Wert deutet entsprechend auf eine bessere Motorik hin, während ein höherer HDDMS-Wert auf eine schlechtere Motorik hindeutet. Durch die regelmäßige Durchführung der Tests im Alltag der Teilnehmerinnen und Teilnehmer könne der Krankheitsverlauf mithilfe des HDDMS überwacht werden. Das Forschungsteam hofft, dass der HDDMS klinische Studien unterstützen wird, indem er ermöglicht, selbst kleine Veränderungen der Symptome zu erkennen – und so das Potenzial neuer Behandlungen besser zu bewerten.
Entwicklung von Therapien beschleunigen?
Der Vorteil des neuen Verfahrens liege in der möglichen Beschleunigung bei der Entwicklung neuer Therapien. Denn bisher ist Huntington nicht heilbar. Es wäre denkbar, weniger Patientinnen und Patienten in Studien einzuschließen oder auch Studiendauern zu verkürzen. Professor Ed Wild (UCL Huntington’s Disease Centre) betonte, dass die Ergebnisse darauf hindeuteten, dass die Einbeziehung des HDDMS in klinische Studien dazu beitragen könne, klarere Antworten auf die Frage zu geben, ob eine potenzielle Behandlung wirke, und zwar mit weniger Teilnehmern oder kürzeren Vorlaufzeiten als bei herkömmlichen Methoden. Darüber hinaus sei die fünfminütige Auswertung des HDDMS bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu Hause praktischer und potenziell aussagekräftiger als klinische Messungen motorischer Beeinträchtigungen.
Entwicklung des HDDMS und der Smartphone-Tests
Der HDDMS wurde von Forschern des UCL und von Roche anhand von Daten von 1.048 Personen aus vier Beobachtungs- und Interventionsstudien entwickelt. Aus einer großen Anzahl digitaler Aufgaben, die über eine spezielle Smartphone-App präsentiert wurden, haben die Forscherinnen und Forscher die Messungen herausgefiltert, die den Krankheitsverlauf am besten vorhersagten. Zudem konnte das Team feststellen, dass der HDDMS bei der Erkennung realer Veränderungen der motorischen Funktion etwa doppelt so sensitiv war wie die derzeit am häufigsten verwendete klinische Messgröße, die zusammengesetzte einheitliche Huntington-Skala. Je weniger Menschen an klinischen Studien teilnehmen können, desto wichtiger sei es, den Studienaufwand und die Studiengröße zu minimieren, so das Forschungsteam.
Wachsende Rolle digitaler Biomarker
Die neue Studie unterstreiche die wachsende Rolle digitaler Biomarker in der neurologischen Forschung und verdeutliche das Potenzial technologiegetriebener Innovationen im Krankheitsmonitoring und in der Arzneimittelentwicklung. Der HDDMS stehe akademischen und industriellen Akteuren, die an der Huntington-Krankheit arbeiten, über Roche Diagnostics zur Verfügung. Die Autoren weisen darauf hin, dass die Studie einige Einschränkungen aufweise. So seien alle Daten von Teilnehmern spezifischer klinischer Studien erhoben worden. Daher sei der HDDMS weder bei Personen vor Symptombeginn noch bei Personen mit fortgeschrittener Huntington-Krankheit evaluiert worden. Obwohl der HDDMS empfindlich auf Veränderungen reagiere, seien somit weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um seine Fähigkeit zur Vorhersage eines langfristigen Funktionsverlusts zu bestätigen.
Quelle: University College London
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