DGKL: Ungeeignete Blutentnahmeröhrchen gefährden Diabetespatienten

Stellungnahme der DGKL zur ALM-Petition
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Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) nimmt in einem Interview ihres Präsidenten, Prof. Harald Renz, Stellung zu aktuellen Diskussionen über die Einschränkung von Serum in der labormedizinischen Diagnostik.

Der Verein „Akkreditierte Labore in der Medizin" (ALM) fordert den Erhalt von Serum als Alternativmaterial für die Routineversorgung und legte dazu eine Studie im Fachblatt PLOS One vor. Das offizielle Online-Magazin der Fachgesellschaft DGKL, MedLabPortal, sprach daher mit dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL), Prof. Harald Renz, über die fachlich relevanten Aspekte - und dessen Meinung zu den wichtigsten Forderungen der ALM-Petition.

„Die Petition ist ein Versuch, Regelungen aus der Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen - kurz Rili-BÄK - aus dem Jahr 2023 rückgängig zu machen", kritisiert Renz den Vorstoß der ALM und weist dabei auf massive Nachteile gerade für Diabetespatienten hin. So sei bei Verwendung von Serum mit erheblichen Fehlern zu rechnen.

Renz: „Die Glukosekonzentration sinkt in den Serumröhrchen ab der Blutentnahme ab, sodass die gemessenen Werte aus Serumröhrchen generell zu niedrig sind. Mit zunehmenden Altern der Blutprobe, was beim Transport von der Arztpraxis zum niedergelassenen Labor die Regel ist und häufig Stunden dauert, sinkt die Glukosekonzentration bis zur Nachweisgrenze ab. Dieser Zustand stellt eine Patientengefährdung dar, da die Glukosekonzentrationen im Serum generell falsch niedrig gemessen werden!“

Das sei ein nicht länger akzeptabler Zustand, zumal Menschen mit Diabetes mellitus fast 10 Prozent der deutschen Bevölkerung umfassten und diese Erkrankung eine wichtige Bedeutung für die Volksgesundheit habe. Zudem müssten wir, so Renz, aktuell in Deutschland davon ausgehen, dass bei circa einer Million Menschen der Diabetes mellitus noch nicht diagnostiziert, also unbekannt sei.

Medizinische Fakten

Vorteile von Plasma
Plasma erweist sich, so die DGKL, für viele Laboruntersuchungen als überlegenes Untersuchungsmaterial, da Serum durch den Gerinnungsprozess künstlich verändert wird. Bei der Serumgewinnung werde beispielsweise Kalium aus Thrombozyten freigesetzt, sodass die gemessenen Kaliumwerte nicht den tatsächlichen Werten im Menschen zum Zeitpunkt der Blutentnahme entsprechen.

Glukosemessung
Die Glukosekonzentration in Serumproben sinkt der DGKL zufolge innerhalb der ersten Stunde um fast 10 Prozent und kann bis zur Nachweisgrenze abfallen. Dies stelle besonders für die etwa 10 Prozent der deutschen Bevölkerung mit Diabetes mellitus ein erhebliches Risiko dar.

Wirtschaftliche Aspekte

Die Umstellung auf Plasma wird, so die DGKL, für Labore keine existenzbedrohende finanzielle Belastung darstellen: „Viele Krankenhauslabore arbeiten bereits seit Jahrzehnten standardmäßig mit Plasma. Für Arztpraxen fallen lediglich einmalige Kosten für eine kleine Zentrifuge an, sofern diese nicht bereits vorhanden ist, um den Überstand von den Blutzellen mithilfe von Gelröhrchen zu trennen, wodurch das Material für die meisten Laboruntersuchungen haltbar ist.“

Fazit

Nach Auffassung der DGKL wird die Verwendung von Plasma als Standardmaterial die Qualität der Patientenversorgung verbessern und den Stellenwert der Labormedizin stärken. Für spezielle Untersuchungen, wie die Serum-Eiweiß-Elektrophorese, bleibe Serum weiterhin das Material der Wahl.

Quelle: DGKL

Folgender Leserbrief zum Artikel hat uns am 11.2.2025 erreicht:

Leserbrief zu:
Serum als alternatives Probenmaterial?
Fachgesellschaft widerspricht
Der Verband der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM e.V.) hat Ende letzten Jahres die Petition „Serum als Alternativmaterial muss für die Routineversorgung erhalten bleiben!“ gestartet. Die Petition richtet sich vor allem gegen die Vorgabe der Rili-BÄK, dass Kalium-Bestimmungen nach Ablauf der Übergangsfrist am 30.5.26 nur noch aus Li-Heparinblut bzw. -plasma vorzunehmen sind.

Im Artikel wird behauptet, dass „Die Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) die ausschließliche Plasma-Verwendung zur Kalium- und Glukosebestimmung – wie in der einschlägigen BÄK-Richtlinie seit 2023 gefordert – für sachgerecht (hält)“.

Gerade was Kalium-Bestimmungen unter Routinebedingungen in niedergelassenen Praxen betrifft, ist letzteres jedoch nicht der Fall: Ohne Zentrifugation innerhalb von 30 Minuten (maximal 1 Stunde) treten im Vollblut/Plasma erheblich mehr Pseudohyperkaliämien auf als im Vollblut/Serum. Das führt zu Fehldiagnosen und gefährdet die Patientenversorgung. Diese Meinung wurde in der Petition ausführlich begründet und durch eine vom ALM initiierte Studie (Reuter et. al.; PLoS ONE 19(12): e0313572) belegt.

Auch viele der vom ALM vertretenen Ärzte sind Mitglieder der DGKL. Es gab vor der Änderung der Rili-BÄK keinerlei offizielle Diskussion und folglich auch keinen Konsens innerhalb der Fachgesellschaft zu diesem Problem. Der Rili-BÄK-Beschluss geht auf die Initiative eines einzelnen Hochschulprofessors zurück. Danach gab es Diskussionen auf dem Deutschen Kongress für Laboratoriumsmedizin 2023, das Meinungsbild war gespalten mit einem tiefen Graben zwischen niedergelassenen Laboren und Laboren an Universitätskliniken. Im ALM haben wir uns in der Folge erfolgreich bemüht, unsere Meinung mit Fakten zu belegen und die oben zitierte Studie veröffentlicht. Innerhalb der DGKL gab es keine weiterführende Diskussion oder einschlägige Präsidiumsbeschlüsse. Prof. Renz äußert also eine persönliche Meinung im Sinne von „Eminenz statt Evidenz“, aber nicht die der Fachgesellschaft.

Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Durner
Facharzt für Laboratoriumsmedizin
Stellv. Sprecher AG Qualitätsmanagement
Dr. med. Felix Stelter
Facharzt für Laboratoriumsmedizin
Sprecher AG Qualitätsmanagement

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