Einsatz biobasierter Kunststoffe in der Medizin

Biokompatibilität mit eukaryotischen Zellkulturen testen
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Fatima Kargbo befüllt eine Zellkulturflasche mit Kulturmedium.
Im Sicherheitslabor, in dem die Biokompatibilität der entwickelten Biokunststoffe analysiert wird, befüllt Mitarbeiterin Fatima Kargbo eine Zellkulturflasche mit Kulturmedium. © V. Linhard/Frankfurt AUS
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Alternativen zu Medizinprodukten aus Erdöl sind gefragt. Gleichzeitig sollen es nachhaltig produzierte Produkte sein. Daran forscht die Frankfurter UAS zusammen mit BIOVOX.

Der Gesundheitssektor ist ein großer Spieler, wenn es um die Treibhausgasemissionen geht. In deutschen Kliniken entstehen laut einer aktuellen Studie [1] durchschnittlich rund 8,3 Kilogramm Abfall pro Patientin bzw. Patient und Krankenhausaufenthalt. Die Wiederverwertung von medizinischen Einweg-Produkten ist aufgrund hoher Hygiene- und Sicherheitsanforderungen stark eingeschränkt, daher wird Medizinabfall größtenteils verbrannt. Viele Kliniken haben sich aber auf die Fahne geschrieben, den CO2-Fußabdruck zu verringern. Doch die medizinischen Einwegartikel aus Kunststoff, wie Katheter, Blutbeutel oder Beatmungsschläuche, tragen erheblich zur Müllbelastung in Kliniken und zu hohen Treibhausgasemissionen im Gesundheitssektor bei. Dies erfordert innovative Materiallösungen. Biobasierte Kunststoffe könnten eine vielversprechende Alternative zu Kunststoffen auf Erdölbasis sein, da sie einen geringeren CO2-Fußabdruck aufweisen und bei der Verbrennung kein zusätzliches CO2 ausstoßen.

Entwicklung eines BioKunststoff-Compound

Hier setzt ein Projekt der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) an: Ein Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Diana Völz und der Molekular- und Zellbiologin Prof. Dr. Ilona Brändlin entwickelt gemeinsam mit der BIOVOX GmbH aus Darmstadt, vertreten durch Dr.-Ing. Vinzenz Nienhaus, einen Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen für Infusionsbeutel. Das Projekt mit dem Titel „Bio_K_Sub – Entwicklung eines BioKunststoff-Compound für Medizinprodukte als nachhaltigerem Substitutionswerkstoff“ wird im Rahmen der Innovationsförderung Hessen aus Mitteln der LOEWE – Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (Förderlinie 3: KMU Verbundvorhaben) mit ca. 500.000 Euro gefördert und läuft noch bis Oktober 2026.

Alterungsbeständigkeit ist ein Muss

Biobasierte Kunststoffe können zusammen mit effektivem Recycling den CO2-Ausstoß von Medizinprodukten verringern. Sie gelten als nachhaltiger als konventioneller Kunststoff, weil bei ihrer Verbrennung lediglich das CO2 freigesetzt wird, das die Pflanzen zuvor aufgenommen haben. Zudem bieten sie die Chance, ohne schädliche Additive (wie z.B. Weichmacher) auszukommen. Für Verpackungen von Medizinprodukten können biobasierte Kunststoffe bereits eingesetzt werden, da ihre Komponenten als stabil und sicher im Kontakt mit dem menschlichen Organismus gelten. „Die besondere Herausforderung für unser Vorhaben besteht darin, einen Kunststoff zu entwickeln, der neben der geforderten Biostabilität auch alterungsbeständig ist und z. B. UV-Resistenz aufweist. Hierfür sind spezielle Kenntnisse im Bereich des Compoundierens, also des Beimischens von Zuschlagstoffen zum Erzielen der erwünschten Eigenschaften, notwendig“, erläutert Prof. Dr. Diana Völz, Professorin für Produktentwicklung, Konstruktion und CAD.

Einsatz von eukaryotischen Zellkulturen 

Während der Verbundpartner BIOVOX , der auf Vorarbeiten zu Kunststoffcompounds zurückgreifen kann, die „Rezeptur“ für das Kunststoffgranulat auf Basis von Zellulose, Zuckerrohr oder Maisstärke entwickelt, erfolgen die angepassten Biokompatibilitätsnachweise und physikalischen sowie chemischen Sicherheitsprüfungen an der Frankfurt UAS. „Der Nachweis der Biokompatibilität ist wesentlich für die spätere Marktreife, da dies ein wichtiger Aspekt für die Nutzbarkeit des Werkstoffs ist“, so Ilona Brändlin. Die Analysen der Biokompatibilität der entwickelten Biokunststoffe erfolgen unter ihrer Leitung mithilfe von eukaryotischen Zellkulturen in einem Sicherheitslabor nach dem 3R-Prinzip zur Vermeidung von Tierversuchen (Replace =Vermeiden, Reduce =Verringern, Refine = Verbessern). Die Zugversuche am Kunststoff, die Aufschluss über wichtige mechanische Eigenschaften wie Streckspannung, Streckgrenze und Reißfestigkeit des Werkstoffs geben, erfolgen im Biomechanik Labor. 

Nutzung auch für Blutbeutel?

Das Forschungsteam erhofft sich weitere wissenschaftliche Erkenntnisse zur Sicherstellung von Alterungs- und Wasserbeständigkeit biobasierter Kunststoffe, die durch umfassende biologische Prüfungen und Einflussanalysen bestätigt werden. „Das Projekt weist somit ein erhebliches wirtschaftliches und wissenschaftliches Innovationspotenzial auf und trägt zur Etablierung von Werkstoffkreisläufen und somit zum Erreichen der gesetzten Klimaziele in der Medizinbranche bei“, resümiert Völz. Die angestrebten Werkstoffeigenschaften hinsichtlich der Beständigkeit und Einsetzbarkeit des neu entwickelten biobasierten Kunststoffes lassen sich perspektivisch auch für andere medizinische Behälter wie Blutbeutel nutzen.

Literatur:
1.    Vielsack A, Cassier-Woidasky A-K, Woidasky J: Benchmarkstudie zur Abfallentstehung an deutschen Krankenhäusern. Forschungsstelle Kreislaufwirtschaft im Gesundheitswesen, HS Pforzheim, 2025.

Quelle: idw/Frankfurt University of Applied Sciences 

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