Lassen sich Krebsrisiken vorhersagen?

Gezieltere Patientenangebote initiieren
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Menschen formen ein Puzzle
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Forscherinnen und Forscher haben Daten des dänischen Gesundheitsregisters genutzt, um die individuellen Risiken für 20 verschiedene Krebsarten mit hoher Treffsicherheit vorherzusagen.

Werden Krebserkrankungen früh erkannt, sind die Heilungschancen in der Regel höher und die Betroffenen müssen weniger intensiv behandelt werden. Doch Screeningprogramme zur Krebsfrüherkennung gibt es bisher nur für wenige Tumorerkrankungen – und längst nicht alle Menschen nehmen diese Angebote wahr. Das genutzte Vorhersagemodell von Deutschem Krebsforschungszentrum (DKFZ) und vom European Bioinformatics Institute EMBL-EBI, Hinxton, UK könnte helfen, Menschen mit hohen Krebsrisiken zu identifizieren, für die man dann gezielt individuelle Früherkennungsangebote im Rahmen von Studien erproben könnte.

Umfassendes Training des Modells

Die Informatiker nutzten die umfassenden Daten der dänischen Gesundheitsregister, in denen alle klinischen Diagnosen der Bevölkerung hinterlegt sind, um für 20 verschiedene Krebsarten die individuellen Erkrankungsrisiken zu quantifizieren. Die Forscher trainierten zunächst ein Vorhersagemodell an den Daten von 6,7 Millionen erwachsener Dänen aus den Jahren 1995 bis 2014. In den Trainingsdatensatz flossen mehr als 1.000 unterschiedliche Vorerkrankungen ein, sowie Krebserkrankungen bei Familienmitgliedern, Alter und – wo vorhanden – grundlegende Körperdaten sowie Risikofaktoren wie Tabakkonsum oder Übergewicht.

Genauigkeit von bis zu 81 Prozent erreicht

Anschließend wurde das Modell an den Datensätzen von 2015 bis 2018, die 4,7 Millionen Dänen umfassen, validiert und lieferte eine hohe Vorhersagegenauigkeit. Das Modell ermögliche eine Aussage über die individuellen Risiken, an 20 verschiedenen Tumorarten zu erkranken. Über den Lauf des Lebens habe das Modell eine Genauigkeit von 81 Prozent erreicht. Unter Berücksichtigung von Alters- und Geschlechtseffekten habe sich eine Genauigkeit von 59 Prozent ergeben. Die höchste Präzision habe das Modell für Krebserkrankungen des Verdauungssystems, sowie für Schilddrüsen-, Nieren- und Gebärmutterkrebs erzielt, so die Forscher.

Gezieltere Untersuchungsangebote anbieten

Um zu prüfen, ob sich diese Vorhersageleistung auch in den Gesundheitsdaten anderer Länder bestätigte, validierten die Forschenden ihr Modell auch an Daten der britischen UK Biobank und erzielten eine vergleichbare Treffsicherheit. Die Analysen ermöglichen keine exakte Vorhersage, bei welcher Person Krebs auftreten wird. Sie stellen aber das individuelle Risiko fest und ermöglichen einen Vergleich mit Personen vergleichbaren Alters. „Mit der Arbeit wollten wir demonstrieren, dass es grundsätzlich möglich ist, individuelle Krebsrisiken auf der Basis nationaler Gesundheitsdaten zu modellieren“, erklärt Moritz Gerstung. Eine solche Risikostratifizierung könnte dabei helfen, weiterführende Untersuchungen gezielt denjenigen Personen anzubieten, die am meisten davon profitieren würden. Neben etablierten Früherkennungen könnten dies beispielsweise in Zukunft blutbasierte Krebstests sein, an denen weltweit intensiv geforscht wird und die teilweise bereits in klinischen Studien überprüft werden. Die Hoffnung: Künftig könnten nach einer Risikostratifizierung mit einer bestimmten Anzahl von Tests mehr Krebserkrankungen entdeckt, Personen mit geringem Risiko unnötige Tests erspart und falsch-positive Ergebnisse und Überdiagnosen vermieden werden.

ICD-10-Diagnosecodes als nützlich erwiesen

Allerdings, so stellt Gerstung klar, sei dafür eine geeignete Datenbasis unverzichtbar. „Die dänischen Gesundheitsdaten sind einzigartig, da sie einen großen Zeitraum abdecken und miteinander verknüpft werden können. Vergleichbares bieten nur wenige europäische Länder, etwa Finnland und Schweden oder spezielle Forschungskohorten in Großbritannien. Auch in Deutschland laufen Bemühungen, nationale digitale Gesundheitsinfrastrukturen aufzubauen. „Sinnvoll wäre es, bereits bei der Planung zu berücksichtigen, welche Art von Daten für die Bewertung des Krebsrisikos am besten geeignet sind“, so Gerstung. In seiner aktuellen Arbeit haben sich die ICD-10-Diagnosecodes, die auch in anderen europäischen Gesundheitssystemen verwendet werden, als nützlich erwiesen.

Höhere Treffsicherheit mit mehr Daten?

Da auch grundlegende Angaben zu Körpermaßen und bekannten Risikofaktoren wie etwa Tabakkonsum wichtige Informationen lieferten, erscheine es ratsam, die Erfassung solcher Informationen auf Bevölkerungsebene zu erleichtern. „Wären diese Angaben in den dänischen Gesundheitsregistern flächendeckend verfügbar gewesen, hätte unser Vorhersagemodell wahrscheinlich eine noch deutlich höhere Treffsicherheit erzielt“, resümiert Gerstung.

Literatur:
Jung AW, Holm PC, Gaurav K, et al.: Multi-cancer risk stratification based on national health data: A retrospective modelling and validation study. Lancet Digital Health 2024, DOI: doi.org/10.1016/S2589-7500(24)00062-1.

Quelle: DKFZ

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