Leitlinientherapie bei Herzinsuffizienz schützt nur Männer
Prof. Dr. Dr. Mahir Karakas von der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) erhält in diesem Jahr den Martina Grote-Wissenschaftspreis „Frauenherzen“ der Deutschen Herzstiftung (Dotation: 10.000 Euro). Er hat als Initiator und Hauptautor einer Auswertung der klinischen Studie FAIR-HF2 erstmals gezeigt, dass eine in den Leitlinien empfohlene Therapie bei Herzinsuffizienz bei Männern und Frauen unterschiedlich wirksam ist. Die Arbeit ist im European Journal of Heart Failure (1) veröffentlicht.
Eisenmangel und Anämie (Blutarmut) sind bei Patientinnen und Patienten mit Herzmuskelschwäche ein häufiges Phänomen. Verschiedene Studien, darunter die in Hamburg (Prof. Karakas) und Berlin (Prof. Dr. Stefan D. Anker, Charité – Universitätsmedizin Berlin) koordinierte FAIR-HF2 (2), haben ergeben, dass Menschen mit einer linksventrikulären Herzinsuffizienz und einer verminderten systolischen Auswurffraktion (45 Prozent oder niedriger) davon profitieren, wenn ihr Eisenmangel durch die intravenöse (i.v.) Gabe von Eisen behandelt wird. Sowohl ihre Lebensqualität als auch ihre Prognose verbessert sich.
Geschlechtsspezifische Unterschiede
Doch dabei gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede, wie Prof. Karakas und seine Mitautoren nun in einer präspezifizierten, also vorab geplanten, getrennten Analyse der Daten von Männern und Frauen der Studie zeigen konnten: Von den 1.105 Teilnehmenden (737 Männer und 368 Frauen), die nach dem Zufallsprinzip entweder i.v. Eisencarboxymaltose oder Placebo erhalten hatten, profitierten prognostisch nur die Männer. Bei ihnen wurde der kombinierte primäre Endpunkt der Studie aus Herz-Kreislauf-bedingtem Tod und einer Klinikbehandlung wegen Herzinsuffizienz signifikant um 26 Prozent gesenkt. Bei den Frauen, die die Eisensubstitution erhalten hatten, war dagegen dieser primäre Endpunkt sogar eher etwas häufiger (nicht signifikant um 7 Prozent) und es deutete sich zudem ein erhöhtes Sterberisiko unter der Eisensupplementierung an (nicht signifikant um 46 Prozent) und dies, obwohl die Frauen symptomatisch und funktionell durchaus über Verbesserungen berichteten.
Klare prognostische Vorteile nur für Männer
„Die Eisentherapie hat bei Herzinsuffizienz viele Vorteile, aber diese Ergebnisse legen nahe, dass die prognostische Wirksamkeit einer intravenösen Eisensubstitution bei Herzinsuffizienz erheblich vom Geschlecht abhängt“, ordnet der Preisträger und Oberarzt am UKE, Prof. Karakas, die Ergebnisse ein. „Während Männer klare prognostische Vorteile erzielen, profitieren Frauen diesbezüglich nicht. Unsere Arbeit liefert damit neue, klinisch hochrelevante Belege für eine personalisierte Behandlung bei Herzinsuffizienz und Eisenmangel und unterstreicht die Notwendigkeit, geschlechtsspezifische Aspekte systematisch in zukünftige Studien und Leitlinien einzubeziehen.“
Der Kardiologe Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, würdigt die Ergebnisse: „Diese präspezifizierte Analyse von FAIR-HF2 ist die bislang umfassendste zur geschlechtsspezifischen Wirkung von intravenösem Eisen bei Herzinsuffizienz. Es handelt sich um ein überraschendes Ergebnis vor dem Hintergrund, dass in den meisten großen Herzinsuffizienzstudien geschlechterbasierte Analysen eine ähnliche Wirksamkeit moderner Therapien bei Männern und Frauen gezeigt haben.“
Das gilt dem Kardiologen zufolge beispielsweise für die SGLT2-Hemmer Dapagliflozin und Empagliflozin, für Vericiguat oder den sogenannten ‚ARNI‘ Sacubitril/Valsartan. „Dass dies für die i.v.-Gabe von Eisen nun augenscheinlich nicht gilt, zeigt die Bedeutung weiterer Follow-up-Studien, um diese geschlechterspezifischen Daten genauer zu untersuchen. Die geschlechtsspezifische Therapie ist die naheliegendste Form der personalisierten Medizin“, so der Herzstiftungs-Vorsitzende und Ärztliche Direktor der Frankfurter Diakonie Kliniken.
Präklinische Daten deuteten Geschlechterunterschiede an
Eine Erklärung für die geschlechtsspezifische Wirksamkeit von Eisen haben Prof. Karakas und sein Team am UKE bislang nicht. Die Männer und Frauen in der FAIR-HF2-Studie waren in einem ähnlichen Alter, im Schnitt 70 beziehungsweise 69 Jahre alt, die meisten Frauen waren damit in der Postmenopause. Sie waren im Schnitt „gesünder“ und hatten weniger Begleiterkrankungen als die Männer, sodass für sie eher sogar noch vorteilhaftere Ergebnisse als für die männlichen Teilnehmer erwartet worden waren. „Allerdings“, so betont auch Prof. Karakas, „gibt es bereits präklinische Daten, die auf geschlechtsspezifische Unterschiede in der Eisen-Homöostase, also der Balance der Eisenspiegel, der Hormonregulation und von Entzündungsprozessen hinweisen.“
Für Martina Grote, Stifterin und Namensgeberin des Wissenschaftspreises, machen die Ergebnisse einmal mehr deutlich: „Es gibt ganz offensichtlich bedeutsame und für die Behandlung relevante Unterschiede zwischen Männer- und Frauenherzen. Dies zeigt, wie wichtig die Forschung auf diesem Gebiet ist, um langfristig durch personalisierte geschlechterspezifische Therapien optimale Behandlungsergebnisse für Männer und Frauen zu erzielen.“
Quelle: idw
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