Das Einsetzen von Stents gehört mittlerweile zum Standardverfahren bei verengten Blutgefäßen. Jährlich werden weltweit mehr als drei Millionen Menschen mit Stents behandelt, um durch Herzkrankheiten verengte Gefäße zu öffnen. Doch trotz aller Fortschritte, stellt die Überwachung des Heilungsprozesses nach der Implantation nach wie vor eine Herausforderung dar. So kann sich das Gewebe, das über den Stent wächst, unregelmäßig entwickeln. Es kann zu dick werden oder mit Ablagerungen belegt sein. Dies kann dann zu Komplikationen wie einer erneuten Verengung oder Verstopfung des Blutgefäßes führen. Derzeit ist die Analyse dieser Heilungsmuster in intravaskulären optischen Kohärenztomografie (OCT)-Bildern zeitaufwendig und für die routinemäßige klinische Praxis schwer umsetzbar.
Automatische Beurteilung von OCT-Bildern
Ein Forschungsteam von Helmholtz Munich und dem TUM Klinikum hat mit DeepNeo nun einen KI-Algorithmus entwickelt, der die Heilung von Stents in OCT-Bildern automatisch beurteilen kann. DeepNeo erkenne verschiedene Heilungsmuster mit einer Genauigkeit, die der klinischer Fachleute entspreche, dafür aber nur einen Bruchteil der Zeit brauche. Darüber hinaus liefere das KI-Tool präzise Messdaten, etwa zur Gewebedicke und zur Abdeckung des Stents, und biete so wertvolle Einblicke für das Patientenmanagement.
„Mit DeepNeo erreichen wir eine automatisierte, standardisierte und äußerst präzise Analyse der Stent- und Gefäßheilung – etwas, das bislang nur durch aufwendige manuelle Auswertung möglich war“, sagt Valentin Koch, Erstautor der Studie, in der der Algorithmus vorgestellt wurde. Er war bis Oktober 2024 Wissenschaftler bei Helmholtz Munich und der TUM, jetzt ist er AI-Leiter beim Startup Floy. „DeepNeo ist so gut wie eine Ärztin oder ein Arzt – nur viel schneller.“
Vergleichbare Ergebnisse zur menschlichen Befundung
Für das Training von DeepNeo nutzte das Forschungsteam 1.148 OCT-Bilder aus 92 Patientenscans, die manuell annotiert wurden, um verschiedene Formen des Gewebewachstums zu klassifizieren. Anschließend wurde der KI-Algorithmus in einem Tiermodell getestet. Dabei habe sich gezeigt, dass DeepNeo krankhaftes Gewebe in 87 Prozent der Fälle korrekt identifizierte, verglichen mit der detaillierten Laboranalyse, dem aktuellen Goldstandard. Auch bei der Auswertung menschlicher Scans habe DeepNeo eine hohe Präzision gezeigt und habe eng mit den Einschätzungen medizinischer Fachkräfte übereingestimmt.
Integration in die klinische Praxis
„DeepNeo zeigt, wie maschinelles Lernen Ärztinnen und Ärzte dabei unterstützen kann, schneller und fundierter Therapieentscheidungen zu treffen. Der nächste Schritt besteht nun darin, KI-Algorithmen wie DeepNeo gezielt in die klinische Praxis zu integrieren“, erklärt Dr. Carsten Marr, Direktor des Institute of AI for Health bei Helmholtz Munich. Seine Kollegin Prof. Julia Schnabel, Leiterin des Instituts für Maschinelles Lernen in der Biomedizinischen Bildgebung und Professorin für Computational Imaging und Künstliche Intelligenz in der Medizin an der TUM, sieht in DeepNeo einen Baustein für ein KI-gestütztes Gesundheitssystem, das künftig klinische Entscheidungen mit bislang unerreichter Sicherheit unterstützen könnte.
Suche nach potenziellen Industriepartnern
Das Projekt wurde mit einem Helmholtz Innovation Grant gefördert, eine Patentanmeldung ist bereits eingereicht. Ascenion, der Technologietransfer-Partner im Bereich Life Sciences, unterstützt das DeepNeo-Team bei der Suche nach potenziellen Industriepartnern. „DeepNeo erleichtert und standardisiert die Auswertung von OCT-Bildgebungen nach Stentimplantationen und trägt so zu fundierteren klinischen Entscheidungen bei“, sagen PD Dr. med. Philipp Nicol und Prof. Dr. med. Michael Joner, Kardiologen am TUM Klinikum, die das Projekt klinisch begleitet haben. „Das Verfahren hat das Potenzial, nicht nur die Gesundheitskosten zu senken, sondern auch den Weg für effektivere und personalisierte kardiovaskuläre Therapien zu ebnen.“
Quelle: idw/HZM
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