Die Forschenden des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) entdeckten bereits 2008 die neue Naturstoffklasse der Chlorotonile im Bodenbakterium Sorangium cellulosum. Es zeigte sich eine starke Wirkung gegen Krankenhauskeime wie Staphylococcus aureus, Enterococcus faecium und den Malaria-Erreger Plasmodium falciparum. Nun konnte die gleiche Forschungsgruppe den zugrunde liegenden Wirkmechanismus entschlüsseln.
Neuartiger Wirkmechanismus
Im Gegensatz zu vielen anderen Antibiotika, nutzen die Chlorotonile einen kombinierten Ansatz zum Angriff der Bakterien. Sie binden an Membranlipide, wodurch sie die bakterielle Membran destabilisieren. Hinzukommt, dass sie die Produktion zweier Enzyme hemmen: die Phosphatase YbjG und die Methionin-Aminopeptidase MetAP. Diese Enzyme benötigt das Bakterium zur Synthese der Zellwand und anderer Proteine. „Wenn Chlorotonil an die Zellmembran bindet, können Kaliumionen unkontrolliert aus der Zelle austreten. Dadurch gerät das Zellinnere aus dem Gleichgewicht: Das elektrische Potenzial der Membran verändert sich, der osmotische Druck fällt rapide ab und essenzielle zelluläre Prozesse werden gestört,“ erläutert Erstautor Dr. Felix Deschner.
Durch diese Kombination ist die Funktion der Zelle dermaßen gestört, dass der Zelltod einsetzt. Durch umfassende Analysen erstellten die Forschenden einen Steckbrief des Moleküls und entdeckten so die unkonventionelle Angriffsweise für ein potenzielles Antibiotikum. Aufgrund der Veränderungen der Membran setzt die Wirkung quasi sofort ein und für die Bakterien ist es erschwert, Resistenzmechanismen zu entwickeln.
Weniger Möglichkeiten zur Resistenzbildung
Greift ein Antibiotikum ein Enzym an, kann das Bakterium weniger davon produzieren oder es strukturell verändern. Bei Lipiden der Membran ist dies jedoch nicht möglich. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Chlorotonile ein völlig neues Wirkprinzip verfolgen und gleich mehrere kritische Strukturen in der Bakterienzelle angreifen“, erklärt Dr. Jennifer Herrmann, Leiterin der Forschungsgruppe. „Das macht sie zu potenziellen Game-Changern im Kampf gegen multiresistente Keime und eröffnet die Möglichkeit, gezielt nach weiteren Wirkstoffen mit einem ähnlichen Mechanismus zu suchen.“
Quelle: idw
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