Oropouche-Virus: Unterdiagnostiziert in Lateinamerika?

Noch keine Impfung oder Therapie
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Warnschild zu Oropouche
© Trueffelpix/stock.adobe.com
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Hierzulande ist das Oropouche-Virus noch weitgehend unbekannt. Doch es verursacht eine Fiebererkrankung und es gibt Hinweise auf eine mögliche Schädigung des Ungeborenen während der Schwangerschaft. Auch Reisende können betroffen sein.

Verglichen wird das Oropouche-Virus oft mit Dengue- oder Zika-Viren. Es verursacht ebenfalls eine Fiebererkrankung. Wie ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin jetzt belegen konnte, ist das Virus in Lateinamerika offenbar deutlich weiter verbreitet als bisher angenommen. Anscheinend beeinflussen auch klimatische Bedingungen das Infektionsgeschehen stark. Das Virus wird hauptsächlich von sogenannten Gnitzen übertragen, also sehr kleinen Stechmücken von bis zu 3 Millimetern Länge. Zwar ist das Oropouche-Virus in Lateinamerika schon seit den 1950er-Jahren bekannt, doch über Jahrzehnte wurden in den meisten Ländern nur wenige Fälle pro Jahr offiziell gemeldet. Ein internationales Forschungsteam um Prof. Jan Felix Drexler, Leiter der Arbeitsgruppe Virusepidemiologie am Institut für Virologie der Charité, hat in einer umfangreichen Studie nun untersucht, wie weit verbreitet der Erreger tatsächlich ist. „Unseren Daten zufolge ist das Oropouche-Virus in Lateinamerika massiv unterdiagnostiziert“, erklärt der Studienleiter, der auch im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) forscht. „In manchen Gegenden hat mindestens jeder Zehnte eine Infektion mit dem Erreger durchgemacht.“

Infektionen schnellten ab 2023 in die Höhe

Das Oropouche-Virus verursacht unspezifische Symptome wie Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen, manchmal auch Übelkeit oder Hautausschläge. Lange galt die Erkrankung als größtenteils mild, Berichte über schwerere Verläufe mit Hirnhautentzündung waren selten. Aus bisher unbekannten Gründen ist die Zahl der aus Lateinamerika und der Karibik gemeldeten Infektionen seit Ende 2023 auf mehr als 20.000 Fälle in die Höhe geschnellt und es wurden zwei Todesfälle bei jungen, gesunden Frauen beobachtet. Außerdem sind mehrere Fälle beschrieben worden, in denen eine Infektion während der Schwangerschaft offenbar zu Fehlgeburten oder Fehlbildungen des Ungeborenen geführt haben.

Vieles ist noch unbekannt

„Wir wissen noch vergleichsweise wenig über das Virus“, erklärt Drexler. „Welche Folgen eine Infektion haben kann, auch auf das ungeborene Leben, muss weiter untersucht werden. Ob es hier Parallelen zum Zika-Virus gibt, steht noch nicht fest. Insgesamt scheint es jedoch weniger häufig zu einer Schädigung des Ungeborenen zu kommen als bei Zika.“ Eine Impfung gegen das Virus oder eine spezifische Therapie gegen das Oropouche-Fieber gebe es bisher nicht. Für die Studie untersuchte das Forschungsteam mehr als 9.400 Blutproben gesunder und kranker Menschen, die zwischen 2001 und 2022 in Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Costa Rica, Ecuador und Peru gesammelt worden waren. Über alle Gebiete hinweg fanden sich in rund 6 Prozent der Proben Antikörper gegen das Oropouche-Virus – ein Hinweis auf eine durchgemachte Infektion mit dem Erreger. Dabei zeigten sich starke regionale Unterschiede: In Costa Rica wiesen durchschnittlich 2 Prozent der Proben Antikörper gegen den Erreger auf, in Ecuador waren es 5 Prozent und in den Amazonasgebieten mehr als 10 Prozent. In großen Höhen hatten die Menschen seltener ein Oropouche-Fieber durchlebt als in der wärmeren Tiefebene. Der Vergleich von Blutproben verschiedener Jahre wies außerdem darauf hin, dass das Infektionsgeschehen von Jahr zu Jahr schwankt.

Was treibt das Infektionsgeschehen an?

Um das herauszufinden, analysierten die Forscherinnen und Forscher per Maschinellem Lernen, ob zwischen Oropouche-Infektionen und einer Reihe von Umwelt- und demografischen Faktoren ein Zusammenhang besteht. Der Auswertung zufolge haben klimatische Bedingungen wie Regen und konstante Temperaturen offenbar den größten Einfluss auf das Vorkommen des Oropouche-Virus. „Wir gehen deshalb davon aus, dass der aktuelle Oropouche-Ausbruch durch Wetterphänomene wie El Niño angeheizt worden ist“, erklärt Drexler. „Hinweise auf veränderte Eigenschaften des Virus als alternative Erklärung für die aktuell hohen Fallzahlen haben wir dagegen nicht gefunden. Ich halte es für möglich, dass sich das Oropouche-Virus im Zuge des Klimawandels in Zukunft noch weiter ausbreiten wird.“

Infektionsrisiko für ganz Lateinamerika abgeschätzt

Auf Basis der Erkenntnisse schätzte das Forschungsteam das Oropouche-Infektionsrisiko für ganz Lateinamerika ab und stellte es auf einer Übersichtskarte dar. „Das Hauptverbreitungsgebiet des Oropouche-Virus ist der Amazonas-Regenwald“, resümiert Drexler. „Ein hohes Risiko für Infektionen besteht aber auch in Teilen Zentralamerikas und der Karibik sowie im Süden und an der Küste Brasiliens.“ „Neben dem Dengue- und Chikungunya-Virus ist das Oropouche-Virus vermutlich das häufigste von Insekten verbreitete Virus in Lateinamerika“, betont Drexler. Um sich vor einer Infektion zu schützen, rät er bei einem Besuch der Region zu einem konsequenten Schutz vor Insektenstichen. „Zum Schutz gegen das Oropouche-Virus, aber auch gegen andere tropische Viren wie Dengue oder Zika, empfiehlt es sich, lange Kleidung zu tragen und Insektenabwehrmittel mit DEET oder Icaridin zu nutzen“, sagt der Mediziner. „Moskitonetze können ebenfalls Schutz bieten, wenn sie feinmaschig genug sind.“ Die übertragenden Gnitzen werden von herkömmlichen Netzen aufgrund der zu großen Maschen nicht abgehalten. Schwangeren empfiehlt Drexler, sich vor einem Aufenthalt in Risikogebieten reisemedizinisch beraten zu lassen, solange das intensive Infektionsgeschehen anhält und die Folgen einer Oropouche-Infektion für Ungeborene noch nicht klar sind.

Literatur:
Fischer C, Frühauf A, Inchauste L, et al.: The spatiotemporal ecology of Oropouche virus across Latin America: a multidisciplinary, laboratory-based, modelling study. The Lancet Infectious Diseases, Published Online, April 14, 2025.

Quelle: idw/Charité

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