Auch wenn sich in der Gesellschaft inzwischen eine Impfskepsis ausbreitet, zeigen die RSV-Immunisierungen einmal mehr, wie wichtig diese Prophylaxe ist. Im Herbst steigt das Risiko für Grippe, COVID-19, RSV & Co. Besonders Kinder und Menschen ab 60 Jahren sowie Risikogruppen sind dann besonders gefährdet. Es kann zu schweren Verläufen kommen. Nun zeigen sich ein Jahr nach der Einführung der RSV-Immunisierung für Neugeborene und Säuglinge in Deutschland schon deutliche Erfolge. Die Zahl schwerer Atemwegsinfektionen bei den Kleinsten sei spürbar gesunken, so die Stiftung Kindergesundheit. Entsprechend zieht die Organisation eine positive Bilanz und gibt Eltern wichtige Hinweise für den Umgang mit RSV-Infektionen.
RSV kann für Babys gefährlich werden
Schnupfen, Husten und Atembeschwerden gehören für viele Kinder in den Wintermonaten zum Alltag. Nicht selten steckt hinter diesen Symptomen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Es handelt sich um einen vorwiegend saisonal vorkommenden Erreger, der in Deutschland in den kalten Monaten (üblicherweise Oktober-März) gehäuft zu Infektionen führt. RSV ist weltweit verbreitet und eine der häufigsten Ursachen schwerer Atemwegsinfektionen im Säuglings- und Kleinkindalter. Während ältere Kinder und Erwachsene eine Infektion meist wie eine hartnäckige Erkältung überstehen, kann sie für Babys im ersten Lebensjahr gefährlich werden. Bronchiolitis, Bronchitis, Lungenentzündung oder mit einhergehender Atemnot sind mögliche Folgen. Jahr für Jahr füllen RSV-Erkrankungen die Betten der Kinderkliniken, belasten das medizinische Personal und bereiten Eltern große Sorgen.
Antikörper als Schutz
Seit August 2023 gibt es erstmals eine wirksame Möglichkeit, Kinder zuverlässig zu schützen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt seit Juni vergangenen Jahres, dass alle Neugeborenen und Säuglinge den Antikörper Nirsevimab erhalten sollen. Dabei handelt es sich nicht um eine klassische Impfung, sondern um eine sogenannte passive Immunisierung. Die Kinder bekommen mit einer einmaligen Injektion fertige Antikörper, die sofort wirken und für die gesamte RSV-Saison Schutz vor schweren RSV-bedingten Erkrankungen der unteren Atemwege bieten. Nach aktuellem Datenstand müsse die RSV-Immunisierung nicht jährlich wiederholt werden. Zur Notwendigkeit von möglichen Auffrischungen könne derzeit noch keine Aussage getroffen werden, so die Stiftung.
Impfung für werdende Mütter und Ältere
Seit August 2023 gibt es zudem als Ergänzung auch die Möglichkeit einer Impfung für werdende Mütter in der Schwangerschaft. Schwangere Frauen können sich zwischen der 32.-36. Schwangerschaftswoche immunisieren lassen, sodass ihre Antikörper über die Plazenta auf das ungeborene Kind übergehen und in den ersten Lebensmonaten Schutz bieten (sogenannter Nestschutz). Diese RSV-Prophylaxe ist bisher jedoch nicht von der STIKO empfohlen. Für ältere Erwachsene ab 60 Jahren wurden zusätzlich Impfstoffe zugelassen.
Die Erfahrungen aus der ersten Saison nach STIKO-Empfehlung für die Immunisierung mit Nirsevimab seien ermutigend. Eine erste bundesweite Auswertung des Robert Koch-Instituts von bundesweiten Meldedaten weise darauf hin, dass die Zahl der mit RSV in Zusammenhang stehenden Krankenhausaufenthalte bei Säuglingen unter einem Jahr in der RSV-Saison 2024/25 im Vergleich zur vorherigen Saison ohne bestehende STIKO-Empfehlung um mehr als die Hälfte gesunken sei, betont die Stiftung Kindergesundheit. Auch die besonders schweren Verläufe scheinen abgenommen zu haben: Offenbar mussten weniger Kinder auf Intensivstationen behandelt werden. Erste internationale Studien scheinen diesen Trend zu stützen. In anderen europäischen Ländern konnte die Rate schwerer RSV-Erkrankungen bei Babys durch die Immunisierung Berichten zufolge um bis zu siebzig Prozent reduziert werden. Diese ersten Daten lassen darauf hoffen, dass sich die Erwartungen an die neue Maßnahme erfüllen könnten.
Wann immunisieren?
Für Eltern stellt sich häufig die praktische Frage, wann der richtige Zeitpunkt für die Immunisierung ist. Die RSV-Saison dauert in Deutschland üblicherweise von Oktober bis März. Säuglinge, die im Frühjahr oder Sommer geboren werden, erhalten den Antikörper idealerweise im Herbst, damit der Schutz pünktlich zu Beginn der Viruswelle wirkt. Neugeborene, die während der Wintermonate zur Welt kommen, werden so früh wie möglich nach der Geburt immunisiert, oftmals schon in der Geburtsklinik oder bei der ersten Vorsorgeuntersuchung. Der Vorteil dieser Methode liegt in der sofortigen Schutzwirkung, die für die gesamte Saison anhält. Das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit bietet online einen RSV-Prophylaxe- und Impf-Check an. Mit wenigen Klicks erhält man damit eine persönliche Empfehlung, ob eine RSV-Prophylaxe oder RSV-Impfung benötigt wird.
Warnzeichen trotzdem nicht missachten
Die Stiftung gibt zu bedenken, dass trotz der neuen Maßnahmen RSV-Infektionen weiterhin auftreten können. Wenn ein Baby beim Atmen pfeift oder die Haut zwischen den Rippen eingezogen wird, erschrecken Eltern oft sehr – und genau dann sollten sie sofort handeln. Diese Anzeichen für Atemnot sind ernste Warnzeichen, ebenso wie weit aufgestellte Nasenflügel beim Einatmen. Auch schnelle, angestrengte Atmung sollte Alarm auslösen, genauso wie ein rasselndes Geräusch beim Einatmen. Weitere bedrohliche Symptome sind Trinkschwäche oder eine bläuliche Färbung der Lippen. Sie sind ein Zeichen dafür, dass nicht genügend Sauerstoff im Blut ankommt. Gerade bei Babys gilt: Lieber einmal zu viel in die Kinderarztpraxis oder Notaufnahme als einmal zu wenig. Die Stiftung Kindergesundheit hat einen Flyer und ein Erklärvideo zu RSV entwickelt.
Anfängliche Unsicherheiten beseitigt
Zu Beginn der Einführung gab es noch Unsicherheiten, etwa bei der Kostenübernahme und der Verfügbarkeit des Präparats. Inzwischen seien diese Hürden weitgehend überwunden. Die Immunisierung werde von den Krankenkassen übernommen und sei in der kinderärztlichen Versorgung fest verankert, erläutert die Stiftung. Auch die Akzeptanz bei Eltern sei hoch. Viele Familien seien dankbar, ihr Kind mit einer einzigen Injektion wirksam vor einer der häufigsten schweren Infektionen des Säuglingsalters schützen zu können. „Die Einführung der RSV-Immunisierung ist ein wichtiger Meilenstein für die Kindergesundheit in Deutschland", betont Prof. Dr. Berthold Koletzko, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Wir sehen bereits nach kurzer Zeit einen beachtlichen Rückgang schwerer Erkrankungen bei den Jüngsten. Das bedeutet weniger Leid für Familien und zugleich eine spürbare Entlastung für unsere Kinderkliniken, die in den Wintermonaten regelmäßig an ihre Grenzen stoßen.“
Die Hoffnung ruht in einer noch breiteren Anwendung. Dies könnte die Krankheitslasten gerade in den ohnehin angespannten Wintermonaten weiter verringern und damit die Kinderstationen entlasten. Allerdings gibt es nach wie vor offene Fragen. Die Stiftung erläutert, dass die langfristige Wirkung und die optimale Kombination der verschiedenen Schutzmöglichkeiten, insbesondere der mütterlichen Impfung mit der passiven Immunisierung der Neugeborenen und Säuglinge, noch zu klären seien.
Quelle: idw/Stiftung Kindergesundheit
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